Taschen aus bedruckten Planen für wohltätige Zwecke
Wozu ein Bauzaun gut ist
Die Bauarbeiten an der St. Mariä-St.Vicelin-Kirche in Neumünster haben ein Nachspiel: Aus den bedruckten Planen am Bauzaun haben Näherinnen Taschen genäht. Wahre Kunstwerke, die nach dem Verkauf Menschen in Not helfen.
Die Bauzäune an sich waren echte Hingucker: Als die Pfarrkirche St. Mariä-St. Vicelin monatelang saniert wurde, standen nicht einfach Bauzäune mit der Werbung der beteiligten Unternehmen um die Kirche herum. Vielmehr waren individuell gestaltete Motive zu sehen, die für die Caritas und die Kita warben, Menschen aus der Gemeinde oder den Patron Eduard Müller vorstellten. „Wir haben überlegt: Die ganze Strecke um die Kirche herum Werbung zu haben, das können wir selber, weil wir gerne erklären wollten, wozu es heute noch eine Kirche braucht“, erläutert Initiatorin Julia Weldemann aus der Gemeinde.
Rundherum auf dem Bauzaun standen unter anderem die ersten Sätze aus der Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils, beginnend mit dem Satz: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.“ Ein Statement, „um deutlich zu machen, die Anliegen der Menschen sind die Anliegen der Jünger Christi auch heute, und genau dafür braucht es eine Kirche. Und die sanieren wir“, sagt Julia Weldemann.
Mehr als neun Monate also stand da zwischen Bahnhof und Einkaufszentrum dieser Bauzaun. „Da sind Menschen stehengeblieben und haben sich das angeguckt“, erinnert sich Weldemann. Nun wurde die Kirche mit einem Festgottesdienst wiedereröffnet, dazu gab es eine besondere Verkaufsaktion. Der Bauzaun war da schon längst abgeräumt. Doch statt die aus offenporigem Kunststoff gefertigten Banner einfach wegzuwerfen, hatte das Gemeindeteam eine neue Initiative gestartet und fünf begeisterte Näherinnen aus der Gemeinde gewonnen, die aus den Bauzaun-Planen Taschen nähten. Regina Brückner, Kirsten Göpner, Gudrun Fricke, Janine Stolt und Juliane Krause strapazierten ihre Qualitätsnähmaschinen und fertigten ingesamt 95 Taschen aus den Bauzaun-Planen. Jede Tasche ist ein Unikat, die nach dem Festgottesdienst gegen eine möglichst hohe Spende den Besitzer wechseln sollte, so der Plan. „Meine Frau hat ein Nähzimmer, und das war vollständig mit Planen eingedeckt“, berichtet Jan Krause vom Gemeindeteam, dessen Frau über 30 Taschen genäht hat. Die Tasche mit dem Heiligen Geist drauf, die habe sie allerdings für sich behalten, erzählt Juliane Krause lachend, die das Banner mit den Kirchenfenstern verarbeitet hatte.
Strahlend neue Kirche hilft Kirche in Not
Das Besondere: Der Erlös war nicht für die eigene Gemeinde gedacht, sondern für eine Gemeinde, die bei der Hochwasserkatastrophe im Südwesten Deutschlands praktisch alles verloren hatte. „Wir haben den ersten Gottesdienst hier in der Kirche gefeiert am Sonntag nach der Flutkatastrophe. Das war schon ein bewegender Moment, in einer Kirche zu sitzen, die aussieht wie aus dem Ei gepellt, die glänzt und strahlt und zu wissen, dass ein paar Hundert Kilometer weiter Menschen ihr Zuhause verloren haben und eben auch ihren Kirchort, ihren Zufluchtsort, ihren Sehnsuchtsort“, so Julia Weldemann. Sie machte sich auf die Suche nach einer katholischen Kirchengemeinde, die es hart getroffen hat, ohne im Fokus der Medien gewesen zu sein und stieß auf die Gemeinde Kordel bei Trier. Dort standen Kirche, Gemeindezentrum und Pfarrhaus unter Wasser. Der Erlös aus dem Taschenverkauf ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein bzw. auf die dringend benötigte neue Heizung. Aber letztlich geht es darum, ein Zeichen der Solidarität zu senden.
Text u. Foto: Marco Heinen