Zuhören und Mut spenden

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Die katholische Telefonseelsorge in Hamburg möchte weitere Helfer gewinnen. Die Ehrenamtlichen sollten sich in andere Lebenswelten einfühlen können, aufgeschlossen, belastbar, flexibel, teamfähig und neugierig sein.

Telefonseelsorgerin im Einsatz
 Die Telefonseelsorge bietet an 365 Tagen im Jahr, rund um die Uhr, allen Ratsuchenden das vertrauensvolle und anonyme Gespräch mit ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an.  Foto: kna

Stress mit dem Partner, ein pubertierendes Kind, das Sorgen bereitet, Arbeitskollegen, die einem das Leben zur Hölle machen, Gewalt in der Familie, Kummer über den Verlust eines lieben Menschen, Depressionen, Angst vor einer Krankheit: Es gibt viele Gründe, warum Menschen die gebührenfreien Nummern 0800 / 111 01 11 und 0800 / 111 02 22 der Telefonseelsorge wählen. Und hoffen, dass am anderen Ende der Leitung jemand sitzt, der Verständnis hat und eventuell einen guten Rat geben kann.

Gespräche auf Augenhöhe vor Gott

Das Seelsorgetelefon, das rund um die Uhr besetzt ist, klingelte im vergangenen Jahr bundesweit sechs Millionen Mal. 2,3 Millionen Gespräche wurden geführt. Dazu kommen noch viele Chat-Teilnehmer und E-Mail-Schreiber, die Kommunikationspartner suchen. „Es muss nicht gleich der geplante Suizid sein. Die Menschen melden sich auch, wenn sie Alltagssorgen haben“, weiß Monika Stein, Leiterin der katholischen Telefonseelsorge beim Caritasverband für Hamburg. Ein großes Thema sei die Einsamkeit.

Monika Stein, Telefonseelsorgerin seit 20 Jahren
Monika Stein ist seit fast 20 Jahren
als Telefonseelsorgerin tätig.  
Foto: Norbert Wiaterek

„Wir sind keine Minitherapeuten, sondern bieten Gespräche auf Augenhöhe an – vor Gott“, so Monika Stein. „Alles, was am Telefon gesagt wird, bleibt anonym. Namen und Orte werden nicht genannt. Und wichtig: Das Gesagte hat keine Wirkung. Manche wollen sich nur einmal aussprechen und können dies auch frei tun.“ Die Telefonseelsorger wollen mit(er)tragen, mitfühlen, mitlachen, mitweinen, ermutigen, zu einer eigenen Entscheidung hinführen, auf geeignete Hilfen hinweisen. Sie möchten den Anrufenden Kraft geben, ohne die jeweilige Situation zu verändern. „Wenn es etwas zu bewirken gibt, dann bewirkt Gott das“, ist sich Monika Stein sicher. Ein Richtig oder ein Falsch gebe es bei den Gesprächen nicht.

Für die Ehrenamtlichen an den Telefonen sei der Dienst eine Bereicherung. „Beim Seelsorgegespräch geht es darum, einen Punkt zu finden, an dem es mir und dem Anrufenden gut geht“, so Stein. „Es ist schön, wenn sich durch das anonyme Gespräch eine angespannte Situation löst und so aushaltbarer für die Anrufenden wird.“

Die Diplom-Psychologin sucht noch lebenserfahrene Frauen und Männer, die sich für dieses auf mehrere Jahre angelegte Ehrenamt interessieren, sich Zeit zum vorurteilsfreien Zuhören nehmen und Mut spenden. „Interessenten sollten sich in andere Lebenswelten einfühlen können, aufgeschlossen, belastbar, flexibel, neugierig und teamfähig sein und Zeit mitbringen. Dafür lernen sie neue Gesprächspartner und -themen kennen und werden bei ihrem wertvollen Dienst von einer „guten Gemeinschaft“ getragen. 44 ehrenamtlich Tätige engagieren sich derzeit bei der katholischen Telefonseelsorge in Hamburg. „Es könnten mehr sein, aber wir sind ja noch im Aufbau. Erst seit dem Jahr 2013 haben wir eigene Räume, 2014 startete der erste Ausbildungskurs“, berichtet Monika Stein. Sie hofft in Zukunft auf 90 bis 110 Unterstützer. „Wir arbeiten in Hamburg gut mit weiteren Ehrenamtlichen, etwa von der Studentischen Telefonseelsorge oder dem Beratungs- und Seelsorgezentrum an Sankt Petri, zusammen.“

Bislang sitzen meist Frauen an den Telefonen und Computern. „Zunehmend interessieren sich auch Männer für dieses verborgene, aber wichtige soziale Engagement“, berichtet Monika Stein, „wesentlich mehr als vor zehn oder zwanzig Jahren. Sie merken, dass das kein Pipifax ist, sondern ein ernst zu nehmender Dienst.“ Da im Sozialbereich bislang häufig die weibliche Blickweise überwiegt, sei das Mitwirken von Männern, die einige Dinge anders betrachten, bereichernd – nicht nur für die Anrufenden, sondern auch für das Telefonseelsorge-Team.

Grundausbildung dauert neun Monate

Die Ausbildung in der Telefonseelsorge dauert. Zunächst gibt es eine kostenfreie neunmonatige Grundausbildung (150 Stunden) mit den Schwerpunkten Selbsterfahrung, Kommunikation und Supervision. Anschließend verpflichten sich die Ehrenamtler, die mindestens 25 Jahre alt sein müssen, für drei Jahre zum Dienst am Telefon. Die Freiwilligen leisten im Monat drei Tagdienste mit je vier Stunden. Dazu kommt alle drei Monate ein acht Stunden dauernder Nachtdienst.

Zur Unterstützung der ehrenamtlichen Tätigkeit finden monatliche Gruppensupervisionen mit hauptamtlichen Mitarbeitern statt. Außerdem werden bei gemeinsamen Studien- und Fortbildungszeiten fachlich relevante Inhalte durch Dozenten vorgestellt. Daran sollten die Telefonseelsorger mindestens einmal im Jahr teilnehmen.

Der nächste Lehrgang startet am 30. Oktober. Es stehen 15 Plätze zur Verfügung. Anmeldungen und weitere Informationen bei Monika Stein, Tel. 040 / 60 94 32-911 und -912, E-Mail: telefonseelsorge@caritas-hamburg.de

Text: Norbert Wiaterek