TAG DES HERRN-Wettbewerb „Kirche vor Ort“: Seniorengruppe

Gegen Einsamkeit im Alter

Image
Mitglieder der Gruppe „Kommt Zeit – kommt Tat“ bei einem Besuch der Gedenkstätte jüdischer Friedhof in Wörlitz.
Nachweis

Foto: Privat

Caption

Mitglieder der Gruppe „Kommt Zeit – kommt Tat“ bei einem Besuch der Gedenkstätte jüdischer Friedhof in Wörlitz.

In der Gruppe „Kommt Zeit – kommt Tat“ der Pfarrei St. Peter und Paul in Dessau-Roßlau fanden sich vor 30 Jahren Frührentner und ältere Arbeitslose zusammen. Heute kommen vor allem Senioren, um ihre Zeit gemeinsam zu verbringen.

Arno Kalski ist zwar Rentner, aber dennoch vielbeschäftigt. Langeweile kommt bei ihm nicht auf, ebenso wie bei den anderen Mitgliedern der Gruppe „Kommt Zeit – kommt Tat“ aus Dessau-Roßlau. Seit rund 30 Jahren existiert diese Initiative innerhalb der Dessauer Pfarrei St. Peter und Paul und sorgt dafür, dass ältere, alleinstehende oder frühverrentete Menschen nicht einsam werden. Gemeinsam unternehmen sie Ausflüge, hören Vorträge, feiern Fasching oder Weinliederabende. „Die Leute sind so redselig und wollen sich auch mal ihre Sorgen von der Leber reden, manchmal muss ich erstmal eine Glocke läuten, damit es ruhig wird“, erzählt Kalski.

Angefangen hat alles im Februar 1993, kurz nach der Wende. Viele DDR-Betriebe wurden abgewickelt, zahlreiche Menschen verloren ihre Jobs, die älteren Arbeiter wurden nicht selten in Frührente geschickt. Etliche von ihnen verloren den sozialen Halt, wussten nichts mit ihrer freien Zeit anzufangen. Da gründeten einige Pfarreimitglieder eine Gruppe in der Gemeinde Dessau-Süd, Pater Heinrich Haskamp öffnete ihnen die Kirche Heilige Dreieinigkeit.

Ein Mann der ersten Stunde war Hubert Freckmann. Auch er gehörte zu den Betroffenen, ging damals vorzeitig in den Ruhestand. „Ich habe die Ratlosigkeit meiner Kollegen gesehen“, erinnert er sich. Über die Erwachsenenbildung besuchte er eine Weiterbildung, die bundesweit organisiert war. „Da wurde überlegt, was man machen kann. Ich habe mir die Vorschläge angehört, dann haben wir gesagt, wir müssen uns selbst etwas überlegen.“

„Am Anfang waren es vielleicht nur zwölf Leute“, berichtet Arno Kalski, der die Gruppe mittlerweile koordiniert. „Die haben gesagt, wir haben Zeit und haben sich organisiert.“ Heute sind es weniger Vorruheständler oder ältere Arbeitslose, sondern überwiegend Rentner, die zu den Veranstaltungen kommen.

Logo TdH-Wettbwerb: Kirche vor OrtDie Initiative steht allen Interessierten offen – ob katholisch, evangelisch oder nicht kirchlich. Inzwischen ist die Gruppe auf über 90 Mitglieder angewachsen, berichtet Kalski. Es ist die größte Gruppe in der Pfarrei. Manche seien schon krank oder im Seniorenheim, wollten aber noch auf der Mitgliederliste stehen.

Immer freitags treffen sich die Mitglieder im zweiwöchigen Rhythmus in Dessau-Süd. Um 9 Uhr geht es mit einem Gottesdienst los, dann folgt ein Vortrag. Referenten kommen von der Katholischen Erwachsenenbildung, oder die Initiative besorgt sie selbstständig. Im Anschluss gibt es einen Imbiss. An anderen Tagen geht es zum Beispiel in die Dessauer Synagoge, ins Bauhaus-Museum oder in Dorfkirchen mit besonders gestalteten Fenstern. „Wir versuchen, eine große Abwechslung in die Gruppe zu bringen“, erzählt Kalski.

Für dieses Jahr hat sich die Gruppe noch einiges vorgenommen: Eine Geologin wird über die Seychellen sprechen, dann wird ein Militärseelsorger seine Arbeit vorstellen. Auch ins Filmmuseum nach Wolfen soll es einen Ausflug geben und ein Weinfest steht auf dem Programm.

„Man muss selber was tun, von nichts kommt nichts“, ist Arno Kalski überzeugt. Er hofft, dass neue Mitglieder nachkommen, die die Arbeit auch in den kommenden Jahren fortführen. „Wenn die Jüngeren das nicht übernehmen, dann stirbt das aus“, macht er deutlich.

Oliver Gierens
Ihre Stimme für dieses oder ein anderes Wettbewerbs-Projekt können Sie bis zum 15. September im Internet (bit.ly/tdh-kirche-vor-ort) oder telefonisch (03 41 / 4 67 77 29) abgeben