Das St.-Hedwigs-Werk im Bistum Osnabrück stellt seine Arbeit ein
Auf geht’s zur letzten Wallfahrt
Archivfoto: Ralph Elixmann
1947 gegründet, erlebt das St.-Hedwigs-Werk im Bistum Osnabrück gerade seine letzte zentrale Aktion. Die nach dem Zweiten Weltkrieg vertriebenen Menschen führt eine Pilgertour an den Wallfahrtsort Rulle.
Das St.-Hedwigs-Werk im Bistum Osnabrück ist Geschichte: Nachdem der 1947 gegründete Zusammenschluss katholischer Heimatvertriebener schon seit 2008 nicht mehr als eingetragener Verein existiert, wird die Arbeit nun mit einer letzten Wallfahrt nach Rulle am Himmelfahrtstag endgültig eingestellt. Das St.-Hedwigs-Werk, das nach der heiligen Hedwig von Andechs (1174-1243) benannt ist, war nach dem Zweiten Weltkrieg unter Bischof Wilhelm Berning ins Leben gerufen worden, um einerseits die Kultur und religiösen Gebräuche der Heimatvertriebenen zu bewahren und gleichzeitig eine Brücke zu den Einheimischen zu schlagen. In vielen Kirchengemeinden bildeten sich Hedwigskreise. Deren Zahl ging im Laufe der Jahrzehnte stark zurück: Nachdem 1951 bistumsweit 88 Kreise bestanden, waren es bereits 2008 nur noch zehn.
Ursula Goldberg ist die letzte Vorsitzende
Vorsitzende des Osnabrücker St.-Hedwigs-Werkes ist ab 1994 bis zum Schluss die Nordhornerin Ursula Goldberg gewesen. Aufgewachsen im schlesischen Teschen, lebt sie seit 1947 – damals war sie 13 Jahre alt – in der Grafschafter Kreisstadt, wo ihr Vater am Gymnasium eine Anstellung als Musiklehrer fand. Mit dem St.-Hedwigs-Werk stand sie seit dessen Gründung in Verbindung: In Nordhorn bildeten sich zwei Hedwigskreise. Goldberg engagierte sich unter anderem in der Leitung von Kindergruppen.
Ursula Goldberg betont die damalige Bedeutung des Werkes: „Viele Menschen hatten schreckliches Heimweh, es gab sogar Suizide.“ Das Beisammensein habe geholfen, über die Trauer hinwegzukommen. Zudem hätten die Zusammenkünfte die Möglichkeit zum Austausch geboten, denn in vielen Familien sei über das Thema Flucht und Vertreibung nicht gesprochen worden. Die Gemeinschaft sei gerade in der Anfangszeit auch deshalb wichtig gewesen, da die Einheimischen nicht selten Vorbehalte gegenüber den Neuankömmlingen hegten: Auf Plattdeutsch als „tolopen Volk“ bezeichnet wurden die Vertriebenen, die sich in unbekanntem Terrain eine neue Existenz aufbauen mussten.
Als publizistisches Organ des Zusammenhalts wird seit 1949 die Zeitschrift „Heimat und Glaube“ herausgegeben, welche laut Eigenbeschreibung „die geistigen und religiösen Werte der Heimat der Vertriebenen“ pflegt und „zum Bindeglied mit den Nachbarvölkern im Osten geworden“ ist. Weiter heißt es: „Für die nachwachsende Generation zeichnet die Zeitschrift das Bild der Heimat der Eltern und Großeltern und ermöglicht so die Besinnung auf die Wurzeln ihrer Herkunft.“
Ein festes Element ist die jährliche Wallfahrt nach Rulle gewesen. Zunächst im Herbst veranstaltet, wurde später der Himmelfahrtstag als Datum für die Hedwigspilger festgelegt. Zu Spitzenzeiten hätten bis zu 8000 Gläubige an der Wallfahrt teilgenommen, und es wurden schlesische Brot- und Wurstspezialitäten gereicht, berichtet Ursula Goldberg. Allein aus Nordhorn seien die Teilnehmer mit zwei Bussen angereist. „Heute sind wir froh, wenn die Kinder uns mit dem Auto hinbringen“, sagt die langjährige Vorsitzende, die das Amt von ihrem 1989 verstorbenen Mann Paul übernahm, nachdem der Vorsitz zwischenzeitlich kommissarisch geführt worden war.
Nun wird Ursula Goldberg noch einmal im Rahmen der St.-Hedwigs-Wallfahrt den Weg nach Rulle antreten. Mitnehmen wird sie eine große Kerze, die versehen ist mit dem Logo des Werkes – einem stilisierten „H“ und „W“ mit Kreuz – und der Zeitangabe „1947-2023“. Geplant ist um 10 Uhr ein Festgottesdienst mit Domkapitular Reinhard Molitor, den Abschluss bildet eine Marienandacht um 13.45 Uhr.
Monsignore Lewald war seit 1992 der Präses
Mitfeiern wird an diesem Tag selbstverständlich auch Monsignore Rainer Lewald, der seit 1992 bis heute als Präses des St.-Hedwigs-Werkes fungiert hat. Mit Blick auf die letzte Wallfahrt und das offizielle Ende der Vereinigung sagt er: „Es war abzusehen, dass es irgendwann zu Ende geht.“ Durch die Bewahrung des religiösen Brauchtums habe man den Menschen stets das Gefühl gegeben, „ein bisschen da zu sein, wo sie herkommen“. Pastor Lewald stammt seinerseits aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, musste im Alter von dreieinhalb Jahren seine Heimatstadt Riesenburg in Westpreußen (heute: Prabuty) verlassen, gelangte zunächst in die sowjetische Besatzungszone und kam 1957 im Alter von 16 Jahren nach Westdeutschland. In den gut 75 Jahren des St.-Hedwigs-Werkes sei viel bewegt worden, doch die Zeit gehe weiter. Er bekräftigt aber: „Die innere Verbindung zu den Menschen bleibt.“