Matthias Roth ist Mit-Geschäftsführer eines Unternehmens für erneuerbare Energien

„Bete und lade“

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Die Umwelt schützen, das wollen viele – getan wird aber viel zu wenig, weiß Matthias Roth. Einseitige Schuldzuweisungen liegen dem Mit-Geschäftsführer eines Unternehmens für erneuerbare Energien jedoch fern. Sich selbst sieht der Katholik aus Mainz-Gonsenheim als geläutert. Von Anja Weiffen.

Mehr als pünktlich ist Matthias Roth. Fünf Minuten vor 10 Uhr erscheint er am Treffpunkt, ein Café in Mainz-Gonsenheim. So ganz nebenbei blickt er auf sein Smartphone, während der Kellner einen Cappuccino an den Tisch bringt. Termine checken und einen Anruf erledigen. Auch an einem seiner letzten Urlaubstage. Mit dem Rad ist der Unternehmer im Stadtteil unterwegs. Hier arbeitet er, hier ist er aufgewachsen. Seit 2006 führt Roth zusammen mit seinem Geschäftspartner, dem Diplom-Ingenieur Josef Werum, die Firma in.power. Das Unternehmen handelt mit Öko-Strom aus der Region und vermarktet diesen über die Tochtergesellschaft grün.power.

„Ich zähle mich politisch zu den Konservativen“

ä Matthias Roth an der firmeneigenen Ladestation für Elektro-Autos. Foto: Anja Weiffen
Matthias Roth an der firmeneigenen Ladestation für Elektro-Autos.
Foto: Anja Weiffen

Matthias Roth hat den Umweltschutz zum Beruf gemacht. Zur Berufung. Neben seiner Arbeit setzt sich der studierte Informatiker und Volkswirt im Arbeitskreis Bewahrung der Schöpfung im katholischen Dekanat Mainz-Stadt ein. Und die Wurzeln seines Interesses am Umweltschutz liegen genau dort, im katholischen Engagement für die Schöpfung.

Beruflich reizte ihn die Lösung eines Problems: Wie können die Menschen den Klimawandel in den Griff bekommen? Wie kann das politisch und wirtschaftlich funktionieren? Die öffentliche Debatte um das Gas Kohlenstoffdioxid, das in großen Mengen schädlich für die Erdatmosphäre ist, hat Matthias Roth schon früh umgetrieben. „Ich habe mich sehr mit dem CO2-Handel auseinandergesetzt, die Diskussion darüber um das Jahr 2005, als der Handel begann, hat mich beschäftigt“, berichtet er von der Vorgeschichte der Unternehmensgründung, die ein Jahr später folgte.

Dass der „Mutter-Erde-Tag“ der Katholischen jungen Gemeinde (KjG) in Gonsenheim ihn fürs Leben prägte, überrascht. Denn Matthias Roth bekennt im selben Atemzug: „Ich zähle mich politisch zu den Konservativen.“  Mit der KjG ging er als Jugendlicher Müll sammeln. Den Natur- und Umweltschutz hat der heute 50-Jährige in seiner Jugendzeit als gemeinsamen Nenner der politischen Lager erfahren. „Der Konservativen auf der einen sowie der Linken und Grünen auf der anderen Seite“, erinnert  sich der Unternehmer, der als Beisitzer im Ortsvorstand der CDU Mainz-Gonsenheim aktiv ist.

Auch wenn Matthias Roth die praktische Seite des katholischen Umweltengagements bevorzugt, weiß er um die Theorie. Theologisch und wissenschaftlich hat sich die Kirche ausführlich mit dem Thema auseinandergesetzt, lobt er. Beeindruckt hat ihn das Papier der Deutschen Bischofskonferenz zum Klimawandel aus dem Jahr 2006 (siehe „Hintergrund“). „Aber kaum einer kennt den Text“, bedauert er.

Matthias Roths Überzeugung, sein Tun dem Umweltschutz zu widmen, erklärt er moralisch. „Ich habe versucht, alles mit dem christlichen Wertesystem abzuklopfen.“ Die menschliche Verantwortung ist eng mit Gerechtigkeit verknüpft. Und die Bewahrung der Schöpfung deckt vieles von diesen Werten ab, sagt er. „Wenn wir die Umwelt nicht schützen und die Erde vermüllen, hinterlassen wir anderen Ländern und den nächsten Generationen einen Scherbenhaufen.“

Matthias Roth ist Unternehmer und damit in der Wirtschaft tätig, die nicht wenige als Mit- oder sogar Hauptverursacher von Umweltschäden sehen. Ein Problem für ihn? „Die Wirtschaft dafür verantwortlich zu machen, ist ein bisschen einfach“, sagt er gelassen. In der sozialen Marktwirtschaft habe man gelernt, einen ungezügelten Kapitalismus zu regulieren. Er ist überzeugt: „Was sozial möglich ist, ist auch ökologisch machbar.“ Darüber hinaus findet er, dass verantwortlich handelnde Unternehmen mehr für die Umwelt tun als aktuell die Politik. Den CO2-Handel sieht er dafür politisch als „grundlegendes Instrument“. Aber, er schränkt dies gleich wieder ein, „das Mittel funktioniert nicht richtig“. Die Antwort auf die Warum-Frage hat er auch parat. „Die Preise waren bisher zu niedrig. Und die Freimengen für jedes Land sind zu hoch angesetzt.“ Bisher habe dieses Mittel zu keinem Einspar-Effekt von CO2 geführt. Aber, er ist sich sicher: „Letztlich geht alles über den Preis. Es ist so einfach“, betont er.

Kurskorrekturen und Umdenken hat Roth selbst durchlebt. Als geläutert bezeichnet er sich beim Thema Atomkraft. „Ich war früher kein ausgesprochener Gegner dieser Energie.“ Scheinbar sauber, günstig und effizient. „Hier habe ich viel von meinem Geschäftspartner Josef Werum gelernt, der sein ganzes Berufsleben den Erneuerbauen gewidmet hat. Atomkraft ist in keiner Weise günstig. Vor allem die Entsorgung ist sehr teuer.“

Eine ähnliche Milchmädchenrechnung und Augenwischerei sieht Roth bei der Kohle. Auch hier werden die Folgekosten durch Umweltschäden nicht eingerechnet. Transparenz steht bei ihm neben vernünftigen Preisen ganz oben auf der Liste der Dinge, die im wirtschaftlichen Zusammenleben zu ändern wären. Öko-Strom sei nicht immer wirklich ökologisch produzierter Strom, weiß er als Strom-Experte in einem Unternehmen, das gegen die Großkonzerne wie David gegen Goliath wirkt. Auch die Autoindustrie kommt bei ihm – wen wundert’s – schlecht weg. Sie hätte schon in den 1980-er und 1990-er Jahren die „Zeichen der Zeit“ erkennen und sich mit alternativen Antrieben beschäftigen können. „Warum haben wir nicht schon früher dafür Anreize gesetzt?“, fragt er fast verzweifelt und meint damit die Politik.

Keine Kommunion für „Auto-Sünder“?

Vor allem in den vergangenen drei, vier Jahren sei in der Politik im Umweltschutz nichts weitergegangen. „Keine Strategie“, sagt er ruhig, obwohl das Dahindümpeln die eigene Branche betrifft. Die vergangenen fünf Jahre hätten Deutschland in seiner führenden Position bei den erneuerbaren Energien zurückgeworfen. „China und Amerika sind jetzt vorn – auch wenn das in den USA gerade politisch nicht so scheint. Wir waren führend in der Windkraft. Das wird nicht mehr lange so sein.“
Auf die Frage nach dem Schwarzen Peter bei der Umweltzerstörung antwortet der Gonsenheimer ausgewogen: „Wir alle sind schuld.“ Warum, sagt Matthias Roth auch. „Weil wir unser Leben nicht nach dem ausrichten, was gesund, nachhaltig und vernünftig ist, sondern weil wir den bequemsten Weg gehen.“

Oft seien nicht-nachhaltige Produkte günstiger und einfacher zu bekommen als nachhaltige. „Würde die Politik Anreize schaffen, damit mehr Unternehmen ökologisch verantwortlich wirtschaften könnten, hätten es auch die Verbraucher einfacher. Gute Produkte wären erschwinglicher.“ Die politischen Rahmenbedingungen dafür aber fehlten.

Solch einen Systemfehler und fehlende „Anreize“ entdeckt Matthias Roth im Gespräch nun auch bei der katholischen Kirche. „Erwähnt denn der Sündenkatalog der Kirche überhaupt so etwas wie Autos mit Verbrennungsmotoren? Das wären für mich die Sünden der heutigen Zeit.“ Stattdessen steht auf der Verbotsliste Sexualität immer ganz weit oben. „Was wäre, wenn Autofahrer mit Verbrennungsmotoren nicht zur Kommunion zugelassen würden?“ Auf Gemeindeebene hat Matthias Roth Wohlwollen seinem Engagement gegenüber erfahren. Als er zusammen mit anderen Aktiven vor einigen Jahren gegen das geplante Kohlekraftwerk in Mainz demonstrierte, bekam er in der Gemeinde St. Stephan in Gonsenheim Unterstützung, auch von Pfarrer Hans-Peter Weindorf.

Aus diesen Gemeindekontakten ergab sich der Kontakt zum Arbeitskreis Schöpfung des Dekanats Mainz-Stadt. Seit fast zehn Jahren ist Matthias Roth im AK aktiv. Für die Treffen stellt er regelmäßig einen Raum bei in.power zur Verfügung.
Der Unternehmer wünscht sich, dass der AK nach außen in die Gesellschaft wirkt, aber auch innerkirchlich etwas bewegt. Hier sei mit dem neuen Bischof Peter Kohlgraf, der sich sehr aufgeschlossen gegenüber der Papst-Enzyklika „Laudato si“ zeigt, schon einiges passiert.

Fair-Kaffee für alle Tagungshäuser

„Wir brauchen Nachhaltigkeit in allen kirchlichen Prozessen. Das fängt schon beim Bio- und Fair-Kaffee in allen Tagungshäusern an.“ Das sei ein Klassiker und noch immer nicht umgesetzt. „Obwohl das heute noch nicht einmal teuer ist.“
In der Fantasie schwebt Matthias Roth ein Kirchen-Projekt mit erneuerbaren Energien vor. „Bete und lade – das ist so eine Idee“, sagt er lachend. Während das Elektro-Auto draußen an der kirchlichen Ladestation echten Öko-Strom lädt, lädt drinnen der Kirchenraum zum Beten oder zum geistigen Abschalten ein. „Wenn dann noch eine Photovoltaik-Anlage vom Kirchendach den Strom liefert, wäre das perfekt.“ Und ein wirksames Signal an die Gesellschaft. Ganz nach dem Motto: „Tue Gutes und rede darüber.“

 

Zur Person: Mainz, Marburg, Moskau

Matthias Roth ist Mitgesellschafter und Geschäftsführer der in.power GmbH. Er ist zugelassener Börsenhändler an der europäischen Strombörse EPEX (European Power Exchange). Roth studierte Informatik und Volkswirtschaftslehre an den Universitäten in Mainz, Marburg und Moskau und absolvierte ein MBA-Studium (Master of Business Administration), ein Management-Studium, mit Schwerpunkt Umwelt- und Sozialmanagement in Utrecht. Zuletzt arbeitete er acht Jahre lang als Unternehmensberater und IT-(Informationstechnik)-Architekt bei einem indisch-amerikanischen Softwarehersteller in internationalen Projekten. (Quelle: in.power)

 

Zur Sache: Der Arbeitskreis

Der Arbeitskreis „Bewahrung der Schöpfung“ trifft sich alle sechs bis acht Wochen. Dabei werden Aktivitäten entwickelt und Herausforderungen besprochen. Der AK ist ökumenisch und offen für Interessierte.
Kontakt: Katholisches Dekanat Mainz-Stadt, Jürgen Nikolay, Telefon 06131/253601, E-Mail: dekanat.mainz@bistum-mainz.de