Bechers Provokationen

Brannte uns nicht das Herz?

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Unsere Provokationen schauen hinter Stein-Gewordenes und suchen nach der Glut unter der Asche, nach dem Fünkchen Hoffnung, nach dem Kern der Botschaft, nach dem Feuer im Herzen. Fangen wir mal mit Emmaus an … Von Johannes Becher.

Den Beginn der "Provokationen" macht die biblische Geschichte der Emmaus-Jünger mit dem Ur-Bild der Kirche. Foto: Adobe Stock
Den Beginn der "Provokationen" macht die biblische Geschichte der Emmaus-Jünger mit dem Ur-Bild der Kirche. Foto: Adobe Stock

„Wofür brennst Du?“ Eine Frage, die wach macht. Auch, wenn sie nicht bei einer Wanderung zwischen Jericho und Morgenlicht im Heiligen Land gestellt wird. Die Frage macht wach, weil sie die Ruhe stört, aufrüttelt. Weil sie genau dort anklopft, wo schon längst alles gleich gültig, ja gleichgültig geworden ist …

Bei der Antwort hilft eine biblische Geschichte, eine lehrreiche Epistel für die Kirche. Die Emmaus-Jünger. Ein Bild, wie die Kirche sein kann. Sein soll. Auch sein will? Es geht ums Unterwegs-Sein mit vielen Unsicherheiten und vielen Fragen. In der Sorge um die nackte (Glaubens-)Existenz geht es nicht um das Haus voll Glorie und nicht um die feste Burg. Es geht nicht um Fassaden, sondern ums Fragen.

Da sind die beiden Jünger. Niedergeschlagen. Traurig. Alles verloren. Woran sie glaubten, worauf sie hofften, woraus sie lebten … dahin, gestorben, vorbei. Ein wenig kopflos auch sind sie da wohl unterwegs. Irgendwie zwischen Flucht und Suche. Zwischen Bloß-weg-Hier und Wohin-soll-ich-mich-Wenden … Auf dem Weg begegnet ihnen Jesus. Lebendiges Erinnern. Es wird wesentlich. Der Kern der Botschaft. Das, worauf es ankommt, wird ihnen bewusst, tritt neu vor Augen. Und wovon das Herz vollends erwärmt wird, davon spricht ihr Mund: „Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloss?“ (Lukas 24)

Für diese Jünger war es zu spät: „Fünf nach zwölf“, wie es Pater Martin Werlen in seinem neuen Buch auch als Zeitansage und Situationsanalyse für so manches in der Kirche beobachtet. Sie können Gestorbenes nicht mehr festhalten, deshalb richten sie sich neu aus nach dem Lebendigen. Weil es zu spät ist, weil nichts bleibt vom vertrauten Rahmen, betreten die Jünger Neuland. Machen sich auf den Weg, sitzen den Mangel nicht aus. Verfallen nicht in blinden Aktionismus. Sie werden leer, aber ihre Antennen sind – wenn auch mit Signalstörungen – weiter auf Empfang … Offen für ihre Sehnsucht. Alles andere als gleichgültig.

Und wofür brennen wir? Wieviel Emmaus-Jünger ist in jedem und jeder von uns? Andere Zeiten, doch die Frage nach dem Kern, nach der Botschaft, nach dem, was unter der Asche glimmt, was bleibt.

Aber anders. Es geht um Perspektivwechsel: den Glauben in den Blick nehmen, weniger die Strukturen. Nicht kopflos gegen die böse Welt anrennen, sondern auch dort Gott am Werk sehen und ihm beispringen mit Wort und Tat. In jedem Fall: Du bist getauft, du bist gemeint. Auf dich kommt es an. Zeugnis geben von der Hoffnung: wie die Jünger.

„Gott hat keine Enkel, nur Söhne und Töchter“, so zitierte Limburgs Bischof Georg Bätzing gerade einen Mitglaubenden. Glauben ist nicht vererbbar. Glauben kannst du nur selbst. Geschenk annehmen, was draus machen. Alles eine Frage der Haltung. „Brannte uns nicht das Herz?“ – Und wofür brennst Du?

 

Zur Sache: Weiterlesen:

  • Martin Werlen: Zu spät. Eine Provokation für die Kirche. Hoffnung für alle, Herder, 192 Seiten, 18 Euro
  • Wunibald Müller: Der Letzte macht das Licht aus? Lust auf morgen in der Kirche – eine Ermutigung, Echter, 128 Seiten, 12,90 Euro
  • Rainer Bucher: … wenn nichts bleibt, wie es war. Zur prekären Zukunft der katholischen Kirche, Echter, 237 Seiten, 14,80 Euro