„Das Jenseits scheint noch nicht digitalisiert“

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Der bayerische Kabarettist Bruno Jonas liefert eine „Gebrauchsanweisung für das Jenseits“. Gesammelt und notiert sind theologische und philosophische Betrachtungen „zum Danach“. Was treibt einen Getauften, der vor Jahrzehnten aus der Kirche ausgetreten ist, in solche Welten?

Gottesteilchen im Beschleuniger. Trotzdem muss – mit Bruno Jonas gesprochen – „der Glaube uns ersetzen, was das Auge nicht erkennt.“. | Foto: Adobe Stock
Gottesteilchen im Beschleuniger. Trotzdem muss – mit Bruno Jonas gesprochen – „der Glaube uns ersetzen, was das Auge nicht erkennt.“. | Foto: Adobe Stock

„Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an“, singt Udo Jürgens. Sie fangen an, über das Jenseits nachzudenken. Was ist passiert?

Jonas: Udo Jürgens singt jetzt nicht mehr live. Den hat der Tod bei einem Sonntagsspaziergang ereilt. – Das Jenseits fasziniert mich schon seit meiner Zeit als Ministrant in Passau. Als katholischer Knabe bin ich bei vielen Beerdigungen immer wieder damit konfrontiert worden. Bei einer dieser Feierlichkeiten, ich schwenkte mit klammen Fingern das Weihrauchfass, es war Januar und eiskalt, rief der Pfarrer am offenen Grab der Trauergemeinde zu, dass der Tod ein freudiges Ereignis sei, weil die Seele dann ins Paradies eingehe. Da höre ich aus der Menge einen halblaut sagen: „Wenn er net aufhört, können wir gleich alle dableiben, weil wir erfrieren!“

Und was hat Sie letztlich zum Buch animiert?

Vor allem viele persönliche Geschichten. Ich habe mich auch bei Platon und Sokrates kundig gemacht. Was die beiden zur Unsterblichkeit der Seele vermelden, fand ich interessant, aber wenig überzeugend. Als mir dann die Schriften des emeritierten Papstes Benedikt XVI. in die Hände fielen und ich seine Ausführungen zu Himmel und Paradies gelesen habe, dachte ich: Das könnte komisch werden.

Aha. Obwohl aus der Kirche ausgetreten, treibt Sie das Thema Glaube um. Liegt das daran, dass Sie in Ihrer Jugend „katholisch zugerichtet“ wurden?

Ich bin vor über 42 Jahren schon aus der Kirche ausgetreten, weil uns damals ein vermutlich sehr gläubiger Katholik wegen Religionsbeschimpfung angezeigt hat. Aus dem Glauben aber kann man nicht austreten. Mit der Taufe ist man auf ewig ein Gotteskind. Ich bin katholisch geprägt. Als Kind hast du keine Gegenwehr. Im Religionsunterricht wurde die kindliche Seele katholisch formatiert. Das Programm dieser Software läuft ein Leben lang. Du lebst das mit den Eltern, mit der Großmutter.

Aber irgendwann erwachte bei mir ein kritischer Geist. Du stellst grundsätzliche Fragen, wirst skeptisch, schließlich agnostisch. Diese Dateien, die dir eingegeben werden, sind in gewisser Weise schreibgeschützt. Wahrscheinlich muss ich mich deshalb immer wieder damit auseinandersetzen.

Bücher über das Jenseits gibt es viele. Was haben Sie Neues zu bieten?

Alle, die darüber schreiben, waren noch nicht dort. Die Reportagen werden immer im Diesseits geschrieben. Dazu kommt, dass das Feedback von drüben relativ schwach ist. Das Jenseits scheint noch nicht digitalisiert zu sein. Man greift auf Offenbarungen oder Träume zurück. Das Neue bei mir ist, dass ich Selbstverständliches so unverständlich formulieren kann, dass der Leser glaubt, er lese etwas völlig Neues. Ich berichte auch aus dem Diesseits, aber auf meine Weise.

Theologen, Philosophen und Naturwissenschaftler haben darüber geschrieben. Woran sollte man sich halten?

Bruno Jonas Foto: privat
Bruno Jonas Foto: privat

Das Jenseits ist riesig. Die Erfahrung muss jeder selber machen. Zwar versuche ich zu beleuchten, was der katholische, evangelische, jüdische, buddhistische und muslimische Glaube dazu sagt. Doch auch in der Naturwissenschaft lauert hinter jedem Phänomen eine Erkenntnis, und hinter jeder Erkenntnis der Glaube. Denn die Forscher geraten am Ende in Gebiete, wo sie nur mit Annahmen weiterkommen, um diese irgendwie zu bestätigen.

Ein Beispiel ist das sogenannte Gottesteilchen, das im Teilchenbeschleuniger nachgewiesen werden konnte. Doch dann weitet sich wieder der Bereich des Ungewissen. Es gilt, was im „Tantum ergo“ gesungen wird: „praestet fides suplementum sensuum defectui“ – der Glaube möge uns ersetzen, was das Auge nicht erkennt.

„Mit der Taufe hat der Christ das Ticket ins Jenseits gelöst“, schreiben Sie in Anlehnung an Paulus. Welche theologische Begleitlektüre empfehlen Sie dazu – Joseph Ratzinger oder Hans Küng?

Beide. Küng ist leichter zu verstehen, Ratzinger ist ein ganz gescheiter, keine Frage. Er bewegt sich in geistigen Sphären, die nicht jedem zugänglich sind. Ich bin nicht sicher, ob ich ihn immer und überall richtig verstanden habe. Ich kann auch deshalb mein Buch empfehlen, weil mich der Leser mit meinem Unverständnis dann nicht allein lässt.

Kommt einem beim Nachdenken über das Ende bisweilen der Humor abhanden?

Der Tod ist eine ernste Angelegenheit, aber gerade deshalb bietet er viele Gelegenheiten zum Lachen. Ich versuche eine heitere Sicht aufs Jenseits. Das heißt aber nicht, dass auf jeder Seite die großen Brüller warten. Außerdem kommt es auch auf den Leser an: Der eine kann lachen, der andere nicht.

Als der Vater eines Freundes merkte, dass seine Stunden gezählt sind, sagte er im tiefsten niederbairischen Dialekt zu seinen Angehörigen: „Steckts ma a gelbe Ruam in Osch, dann vaziagn mi eh d’ Antn.“ (Steckt mir eine gelbe Rübe in den Hintern, dann entsorgen mich eh die Enten.)

Ihre „Gebrauchsanweisung“ liest sich wie ein moderner Beichtspiegel …

Jonas (lacht): So – Aha – Beichtspiegel? – Interessant – Noch heute gibt es Leute, die sagen, dass ich ein guter Pfarrer geworden wäre. Ich weiß es nicht, auf alle Fälle wäre ich ein aufmüpfiger Geist geblieben. Mit mir hätten die Herren Bischöfe und Kardinäle ihre Freude gehabt.

Bayern ist das Paradies, sagt Horst Seehofer. Und aus dem Brandner Kasper wissen wir, dass der Himmel barock und weiß-blau ist. Sieht der Bayer das Thema Jenseits lockerer?

Die Bayern dürfen in einer Region daheim sein, die den Paradiesvorstellungen sehr nahe kommt. Seehofer hier zu widersprechen, fällt mir schwer. Bisher habe ich keinen getroffen, der das von Nordrhein-Westfalen gesagt hat. Die Bayern sind laut Carl Amery sehr weltfromm. Sie haben sich ein Staunen bewahren können und eine Dankbarkeit. In diesem Wohlbefinden geht man dann auch lockerer mit dem Ende um.

Eingedenk Ludwig Thomas „Ein Münchner im Himmel“: Würden Sie gern auf einer Wolke „frohlocken“ oder lieber den Auftrag von Aloisius Hingerl zu Ende bringen und der bayerischen Regierung regelmäßig „göttliche Eingebungen“ übermitteln?

Lieber letzteres, aber ich weiß nicht, ob ich diese „göttlichen Eingebungen“ richtig empfangen kann. Falls ich welche hätte, würde ich sie sofort weiterleiten. Nur habe ich den Verdacht, dass sie dort, wo sie angenommen werden sollten, auf großen Widerstand stoßen würden.

Interview: Barbara Just