"Gefragte Frauen": Michaela Pilters
Die Frau für die Langstrecke
Quizfrage: „Welcher Trompeter spielt mit den Ohren?“ Antwort: „Jeder, denn er kann sie beim Spielen nicht ablegen.“ Ähnlich geht’s katholischen Journalisten, meint Michaela Pilters. Auch sie könnten beim Schreiben ihren Glauben nicht ablegen. Von Ruth Lehnen
Manchmal hat es sie in ihrem langen Berufsleben Kraft gekostet, zugleich gut katholisch und eine gute Journalistin zu sein. Am Anfang war es leicht oder sieht auf dem Lebenslauf jedenfalls leicht aus: Studium der Theologie, Diplomtheologin, von der Katholischen Nachrichtenagentur KNA wird sie gleich zum bundesweit Aufsehen erregenden Exorzistenprozess geschickt, der Hessische Rundfunk wird auf sie aufmerksam und stellt sie ein, später wechselt sie zum ZDF: mit 33 Jahren ist sie Leiterin der Redaktion „Kirche und Leben (kath.)“.
Ganz ohne Waffe zum Antrittsbesuch beim Bischof
Was für eine Karriere, denkt sich vielleicht mancher. Dennoch, während ein ZDF-Neuzugang von der Abteilung nebenan zum Intendanten aufstieg, blieb Michaela Pilters auf ihrem Posten, 33 Jahre lang. Und konnte dabei gut beobachten, wie Kirche und Welt sich rasant veränderten. Und was sich beim Thema „Kirche und Medien“ tat. Bezeichnend findet es die Fernsehfrau, wie sie seinerzeit vom Medienbischof Anton Schlembach zu einem Antrittsbesuch empfangen wurde: „Sie haben ja ihre Waffe gar nicht dabei!“ Wer dabei an eine schicke Handtasche denkt, irrt: Der Bischof meinte das Mikrofon. Die Medienleute, offenbart die Anekdote, wurden als Gegner angesehen, vor deren Waffen man sich hüten musste.
Seitdem hat sich viel geändert: Die Bistümer haben ihre Öffentlichkeitsarbeit massiv ausgebaut und professionalisiert – zwei Welten haben gelernt, sich besser zu verstehen, und die Kirche versucht heute, ihre Botschaften so zu verpacken, dass sie „da draußen“ verstanden werden. Bis auf ein paar Ausnahmen funktioniere das gut, meint Pilters und spielt auf das Erzbistum Köln an.
Dort sollten Journalisten jetzt eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben, das gehe gar nicht: „Sowas tut man nicht.“ Da blitzt ihr Widerspruchsgeist auf. Michaela Pilters nennt sich „einen sehr harmonie-orientierten Menschen“ – nicht etwa „harmonie-bedürftigen“. „Aber wenn gekämpft werden muss, kämpfe ich auch.“ Zum Abschied aus dem ZDF hat sie sich erinnert, wie der kirchliche Beauftragte für die katholischen Sendungen ihr ins Handwerk gefunkt hat, und dass sie in einen ständigen Machtkampf verwickelt wurde. „Meine grauen Haare habe ich ,Bieger‘ genannt.“ Nach langer Zeit ist sie mit dem Jesuiten Eckhard Bieger aber in gutem Kontakt. Ihre Erfahrung: „Immer wieder und wieder versuchen, und am Ende klappt’s.“
So sieht die 68-Jährige auch den Kampf der Frauen in der Kirche. Viele Erkenntnisse der feministischen Theologie seien heute allgemein anerkannt. Dass manches in der Kirche geradezu abenteuerlich lange dauert, wie die soeben erfolgte offizielle Zulassung von Frauen als Lektorinnen, quittiert die langjährige Lektorin mit Kopfschütteln: „Da kann ich nur lachen.“ Steter Tropfen höhlt den Stein, das hat sie erlebt und das will sie jungen Frauen von heute vermitteln. Verletzungen hat es allerdings auch gegeben und wurden weggesteckt: Den Brief hat sie noch, in dem irgendwer im Ordinariat Augsburg der jungen Studentin als Beifächer der Theologie „Maschineschreiben und Steno“ empfahl, das könne man im Pfarrhaus gut gebrauchen.
Damals hieß das: „Ledige Mutter“
Statt im Pfarrhaus landete sie beim Sender ZDF in leitender Funktion. Auslandsreisen gehörten dazu, Papstbesuche waren ein Thema. Als sie kurz vor einer Reise geimpft werden sollte, ließ sie sich sicherheitshalber vorher untersuchen. Die Auslandsreise fiel dann aus, die Kirchenexpertin war schwanger. „Ledige Mutter“, so hieß das damals. Ein Problem? Würde sie von den Kirchenvertretern geschnitten werden, keine Interviews mehr bekommen? Schwanger trat sie die Flucht nach vorn an, machte einen Besuch beim Limburger Weihbischof Walther Kampe, erklärte ihm ihre Sicht der Dinge: Die Kirche kann nicht gegen Abtreibung sein und gleichzeitig ledige Mütter diskriminieren: „Ich will nicht geächtet werden“.
Kampe sicherte ihr jede Unterstützung zu und schickte nach der Geburt der Tochter Glückwünsche und Kinderbücher. Manches war nach der Geburt schwieriger, auch wenn Michaela Pilters sich als leitende Redakteurin eine Tagesmutter leisten konnte. Einiges an Networking, das sie bis heute für ein A und O hält im Mediengeschäft, fiel flach, manches Biertrinken mit Kollegen fiel aus. Aber sie war eine glückliche Mutter. Und genießt es heute, „Vollzeit-Oma“ zu sein.
Woher holt sie ihre Kraft und ihr Selbstbewusstsein? Das sei ihr in die Wiege gelegt worden, meint sie, sie war ein geliebtes Kind, das Dritte von fünf, habe nie um ihren Rang kämpfen müssen, vieles ist ihr zugeflogen. Auch ihr Glaube gibt ihr Halt, den bekam sie mit in ihrem „stockkatholischen Elternhaus“. Und jetzt, im Ruhestand, nutzt sie ihre Zeit wieder für das Engagement in der Gemeinde vor Ort. Die Kirche St. Stephan in Mainz-Marienborn, in der die jahrhundertealte „Maria – Trösterin der Betrübten“ steht, nennt sie einen „spirituellen Kraftort“.
Was sie in der Gemeinde erlebt, jetzt in Corona-Zeiten, macht ihr aber auch Sorgen: „Wie komme ich an die Menschen ran – das quält mich,“ sagt die Schriftführerin der Pfarrgemeinderats.
Engagement beim Pastoralen Weg
Neulich hat die Gemeinde eine Umfrage unter den Katholiken gestartet zu den Themen des Pastoralen Wegs im Bistum, „der Rücklauf war unterirdisch“. Sie fürchtet, dass viele Menschen sich in der Corona-Zeit von der Kirche entfremden. Vereinzelung, Zersplitterung, Auflösung statt Gemeinschaft, der Kontakt zu allen außerhalb einer Kerngruppe gehe verloren: „Was Corona mit den Menschen macht, das macht mir Sorge.“ Corona ist da mehr das Brennglas, das etwas sichtbar macht, als die eigentliche Ursache. Und wenn sie auch die derzeit hohen Einschaltquoten der Fernsehgottesdienste als Fernsehfrau gern sieht, so befürchtet sie doch, dass die Menschen nicht mehr wiederkommen werden in ihre Gemeinden vor Ort.
Pilters wäre aber nicht die Kämpferin, die sie ist, wenn sie sich nicht mit ihren Mitteln dagegen stemmen würde: Sie engagiert sich beim Synodalen und Pastoralen Weg, die Gesellschaft Katholischer Publizisten ist ihr eine Heimat, und im Sinn weltweiter Vernetzung wirkt sie als Präsidentin von
CAMECO, einer Organisation, die die katholischen Hilfswerke in Sachen Medien berät. Daneben bleibt Platz fürs Sticken, Stricken, Häkeln, das Computerspiel Candy Crush. Michaela Pilters hat Gegensätze vereint, zwischen Kirche und Sender, zwischen evangelisch und katholisch, zwischen „Welt“ und Medien. Sie wollte dabei immer in den Spiegel gucken können: „Ich selbst sein“ – so nennt sie das.
Gefragt – gesagt: „Vernetzt Euch!“
In der Rubrik „Gefragt ...gesagt“ geben die „gefragten Frauen“ möglichst spontan Antworten.
Durch wen oder was sind Sie zum Glauben gekommen?
Michaela Pilters: Durch meine Eltern.
Was gibt Ihnen Ihr Glaube?
Halt, Heimat und Kraft.
Haben Sie schon mal daran gedacht, aus der Kirche auszutreten, und wenn ja, warum?
Ja, wegen der Themen Missbrauch und wegen mangelnder Reformbereitschaft beim Thema Frauen in der Kirche. Ich kenne diese Frage an mich selbst: Warum
bleibst Du? Die Antwort ist, es geht um mehr als um diese Fragen. Es ist wichtig, dass ich mich selber einbringe, und da kann ich eine ganze Menge tun.
Welche Veränderung wollen Sie als Frau in der Kirche noch erleben?
Unbedingt die Zulassung der Frauen zu den Weiheämtern und die Aufhebung des Zwangszölibats.
Welches war für Sie das schönste Erlebnis im Zusammenhang mit Ihrem Glauben?
Ich glaube, das war auf der Theresienwiese in München beim Eucharistischen Kongress 1960. Ich war acht Jahre alt. Ich habe da erlebt, was Weltkirche ist.
Ihr Rat an Frauen auf der Suche?
Sich auf jeden Fall vernetzen, Koalitionen bilden, an sich selber glauben.
Was ich immer schon sagen wollte ...
Gebt nicht auf!
Michaela Pilters: Fernsehfrau, Kirchenexpertin
- geboren 1952 in Krumbach (Bayrisch-Schwaben)
- Studium der Theologie, Philosophie, Germanistik, Erwachsenenpädagogik; Diplomtheologin
- 1977/78 Redakteurin Katholische Nachrichtenagentur Bonn
- 1978 bis 1985 Redakteurin beim Hessischen Rundfunk HR, Abteilung Kirchenfunk/Hörfunk
- seit 1985 bis 2018 Leiterin der Redaktion Kirche und Leben/kath. beim ZDF
- Michaela Pilters ist in der Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands (GKP) aktiv und war lange Jahre deren Vorsitzende, zuletzt von 2013 bis 2015.
- aktiv in der Mainzer Pfarrgruppe Zaybachtal, zum Beispiel im Pfarrgemeinderat
- aktiv in der Arbeitsgruppe „Systemische Grundsatzfragen“ im Bistum Osnabrück sowie beim Pastoralen Weg im Bistum Mainz, Dekanat Mainz
- 2018 Päpstlicher Gregoriusorden. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf würdigt sie als Journalistin, die im ZDF „die Fragen der Kirche, der Theologie mit den Themen der Zeit ins Gespräch gebracht und öffentlich gemacht“ habe. Besonders für die Übertragung der Gottesdienste habe sie „viel Herz und Zeit“ investiert.
- 2020 Präsidentin des Catholic Media Council (CAMECO), das Medien und Journalisten in Afrika, Asien und Lateinamerika unterstützt und Geber in der entwicklungspolitischen Medienarbeit berät.
- Michaela Pilters hat eine Tochter und zwei Enkelkinder.
- Sie liebt Theater, Konzert, Bücher und macht gern Handarbeiten.