"Gefragte Frauen": Lisa Quarch

Die Frau mit der Glaubensstärke

Image
38_Lisa_Quarch.jpg

Lisa Quarch (26) weiß, dass sich im Internet viele junge Leute bewegen, die „glaubensnah, aber kirchenfern“ sind. Mit denen sucht sie den Austausch, zum Beispiel über den Instagram-Kanal „@faithpwr“ – Glaubenspower. Die Pastoralreferentin findet, dass die digitale Kirche der analogen viel beibringen kann. Von Ruth Lehnen



„Was kann mir passieren?“ Für Lisa Quarch ist zentral, für die Freiheit in der Kirche einzutreten: Freiheit von Angst, Freiheit von Diskriminierung.


Sie macht so viel. Und so viel gleichzeitig. Wie geht denn das? Lisa Quarch lacht. Was sie macht, macht sie nicht allein. Den Instagram-Kanal „@faithpwr“ (Glaubenspower) erweckt derzeit eine ganze Gruppe zu neuem Leben. Ehrenamtliche und hauptamtliche junge Leute, die meisten mit Bezug zum Bistum Limburg. Lisa Quarch, eben 26 Jahre alt geworden, ist eine von ihnen und seit 1. September hauptamtlich in der „digitalen Glaubenskommunikation“ unterwegs. Sie experimentiert gern. Und genau dazu wurde sie jetzt vom Bistum Limburg beauftragt, mit einer s„dynamischen Stelle“ in der Kirchenentwicklung. Drei Jahre hat sie vorerst Zeit, kreativ und innovativ unterwegs zu sein. Aber nicht mit Auto, Fahrrad oder S-Bahn. Sondern in den Weiten des World Wide Web, des Internets.

Unterwegs in der „digitalen Kirchenbubble“

Das Netzwerk Instagram, das unter „soziale Medien“ läuft, verbindet Menschen miteinander, die dort Bilder, Texte, Filme teilen, sich über Vorlieben austauschen. Dort bewegt sich Lisa Quarch gern und viel. „Es ist einer der größten Kulturräume meiner Generation“, sagt sie über Instagram. Sie gehört zu denen, für die sich digitales und analoges Leben nicht mehr trennen lassen – was heute für viele gilt. Lisa Quarch aber will zu den Macherinnen gehören und zu den Pionierinnen, die Kirche und Netz zusammenbringen.
Sie ist Theologin mit fünf Jahren Studium hinter sich. Und sie ist fromm. Sie findet „Gott in allen Dingen“, wie es der heilige Ignatius gefordert und vorgelebt hat. Sie ist Feministin, Theologin, Seelsorgerin, Podcasterin, Aktivistin. Sie gibt ihr Gesicht gern her für andere, die sich manchmal wundern, junge Leute, die sie im Netz entdecken und es für sehr unwahrscheinlich halten, dass es sowas gibt: eine feministische Katholikin, progressiv.
Quarch nimmt diese Rolle an: „Ich kann gut über meinen Glauben sprechen.“ Sie stürzt sich aber auch gern in Diskussionen, sagt und postet ihre Meinung, und versteht die Chancen zu nutzen, die Instagram bietet. Aber süchtig ist sie nicht. Zwei Stunden Gespräch übersteht sie locker, ohne einmal aufs Handy zu linsen. Und mindestens einmal im Jahr zieht sie sich komplett offline zurück ins Kloster. Das gibt ihr Kraft.
Der Instagram-Kanal „@faithpwr“ bietet Impulse an, Themenmonate wie zuletzt „Ordnung und Chaos“, man kann an Gebetsstunden teilnehmen, sich zum Bücherlesen zusammentun, miteinander chatten. Auch ein Podcast gehört jetzt dazu – ein Radiobeitrag zum Abrufen im Internet – unter dem Titel „Glaube, Liebe, Freiheit“. Aktuell hat „@faithpwr“ 3610 Follower, nicht arg viel, aber auch nicht schlecht. Es gibt wachsendes Interesse, darauf kommt es an. Oder, wie Lisa Quarch es ausdrückt: „In der digitalen Kirchenbubble-Szene ist das ganz gut.“

Spirituelle Selbstbestimmung ist ihr wichtig – für sich und alle

Die Kirche stellt hier Personal ab, weil es da draußen „im Netz“ junge Leute gibt, die zwar kirchenfern, aber glaubensnah sind. Ihnen bieten Lisa Quarch und das wachsende Heer der digitalen Glaubenskommunikationsexperten Ansprache und das Versprechen, dass sie hier einen „Ort“ haben sollen. Wie „@faithpwr“: „Ein Raum für junge Erwachsene, spirituelle Selbstbestimmung erfahren zu können“, so beschreibt es die Pastoralreferentin. Selbstbestimmung ist für sie ein wichtiges Stichwort. Anders als bei manchen fundamentalistisch angehauchten digitalen Angeboten ist nicht maximale Beeinflussung das Ziel. „@faithpwr“ soll ein Raum der Freiheit sein. Dass die Kirche diesen ausgerechnet in dem vom umstrittenen Meta-Konzern zur Verfügung gestellten Instagram etablieren will, ist laut der Theologin dem unperfekten Zustand der Welt geschuldet. Instagram kann so vieles sein: Ort des Austausch, Ort des Glaubens, Ort des Zuspruchs, aber auch Ort für Katzenvideos und Werbung und manchmal auch für Hassbotschaften. Instagram ist das, was da ist, und das, was junge Leute nutzen – und wo die jungen Leute sind, möchte die Kirche auch sein.

Gebete im „feministischen Andachtskollektiv“

Lisa Quarch mag das Flüchtige, das dem Netzwerk anhaftet: Hier lässt sich was ausprobieren, es lässt sich sofort ablesen, was funktioniert. Wenn etwas nicht funktioniert, ist es nicht schlimm, kein Reinfall, kein Desaster: „Ich muss hier nicht mit Blut unterschreiben, dass ich was für immer mache.“ Eine Zeitlang zum Beginn der Pandemie hat sie mit Mitstreiterinnen jede Woche auf Instagram eine Andacht angeboten im „feministischen Andachtskollektiv“, eigene Initiative, ehrenamtlich. Lisa Quarch beschreibt den Unterschied zur analogen Kirche: Hätte eine Gruppe von jungen Menschen, ökumenisch, feministisch, einfach einen Raum bekommen können in einer Kirchengemeinde X, um sich selbstbestimmt zum Beten zu treffen? Hätte nicht jemand den Schlüssel abholen, und, noch wichtiger, pünktlich zurückbringen müssen? Hätte nicht der Pfarrer informiert sein müssen? All das braucht es bei Instagram nicht.
Das ist Freiheit, wie sie die Mitstreiterinnen des Andachtskollektivs verstehen. Und das ist einer der Punkte, die die „analoge Kirche“ von der „digitalen Kirche“ lernen kann, wie Quarch betont. Einfach machen oder Menschen machen lassen. Mittlerweile gibt es die Andachten nicht mehr so oft. Die Bedürfnisse haben sich geändert. Kein Problem für Lisa Quarch.

"Faith spaces must bei safe spaces"

Wichtig ist für sie der Charakter der (digitalen) Räume, die die Kirche schafft: „Faith spaces must be safe spaces“: Glaubensräume müssen sichere Räume sein. Ein schöner Spruch, aber was bedeutet das genau? Die Freiheit, die sie meint, ist Freiheit von Diskriminierung. Von Sexismus, Rassismus, Homophobie. Von Missbrauch sowieso. Und ein Raum, der frei sein soll vom Patriarchat. Dabei ist der Theologin vollkommen klar: „Die christliche Tradition hat zur Diskriminierung beigetragen“, von Frauen, von Schwarzen, von Homosexuellen. Das war Tradition, aber nach Überzeugung von Quarch nicht der Wille Gottes: „Ich verstehe Gott als den, der befreit, als heilige Geisteskraft, die befreit“, sagt sie. Sie kann das Christentum nur emanzipatorisch denken. Da treffen die von ihr vertretene Botschaft mit der von ihr gemachten Glaubenserfahrung zusammen: Glaube und Gottesbeziehung sollten etwas sein, das freisetzt, nicht etwas, das einengt.
Die Frankfurterin, die mit halber Stelle auch in der Kirche Frauenfrieden tätig ist, hat diesen Glauben in der Jugendkirche von Aachen gelernt, in „Kafarnaum“. Ihr evangelischer Vater und ihre katholische Mutter hatten sie und ihren Bruder religiös erzogen, und aufgewachsen ist sie in einem katholischen Pfarrhaus in Aachen, das ihre Eltern gemietet hatten.
Lisa Quarch tritt selbstbewusst auf und hat keine Angst, kritisiert zu werden. Manchmal kriegt sie Hass ab, von Menschen, die ihr nicht glauben, dass sie als Christin Feministin sein kann. Oder die umgekehrt meinen, sie wolle andere in die Hölle ziehen. Damit geht sie locker um: „Was kann mir passieren?“ Wenn sie sich in Diskussionen geworfen hat, gibt es immer auch jemand, der sich für sie und ihre Glaubensauffassung interessiert. Und dann hat es sich ja alles wieder mal gelohnt.

GEFRAGT... GESAGT...

„Der Ort, der mich freisetzt“

In der Rubrik „Gefragt ... gesagt“ geben die „gefragten Frauen“ möglichst spontan Antworten.

Durch wen und wie sind Sie zum Glauben gekommen?
Lisa Quarch: Der Ort, wo ich meine eigene Spiritualität entwickelt habe und eine eigene Beziehung zu Gott aufgebaut habe, war eine Jugendkirche in Aachen, Kafarnaum.

Was gibt Ihnen Ihr Glaube?
Wurzeln und Flügel.

Haben Sie schon mal daran gedacht, aus der Kirche auszutreten?
Ja. Nicht aktuell, aber es gab diese Zeit, in der ich mich gefragt habe, ob die Kirche der richtige Ort für mich ist,
der meine Gottesbeziehung, meinen Glauben, mein Leben, eher freisetzt oder eher eingrenzt. Und im Moment fühle ich, sie ist der Ort, der mich freisetzt.

Welche Veränderung wollen Sie in der Kirche noch erleben?
Faith Spaces must be safe spaces: Glaubensräume müssen sichere Räume sein.

Welches war Ihr schönstes Erlebnis im Glauben?
Meine Exerzitien, Zeit in der Stille.

Welche ist Ihre liebste Bibelstelle?
Das Magnificat.

Ihr Rat an Frauen auf der Suche ...
Verbündete finden.

 

ZUR SACHE

Glaube auf „Insta“

  • Im sozialen Netzwerk Instagram, das wie Facebook zum Meta-Konzern gehört, gibt es auch zahlreiche Kanäle zum Thema Glauben.
  • Der Instagram-Kanal „@faithpwr“ wird derzeit von einem haupt- und ehrenamtlichen Team vor allem aus dem Bistum Limburg betrieben. Derzeit 3610 Follower zeigen Interesse. Auch der Podcast "Glaube, Liebe, Freiheit" gehört dazu.
  • Lisa Quarch ist bei Instgram unter @lisa_quarch zu finden; das feministische Andachtskollektiv unter @fak.kollektiv
  • Der katholische Theologe Tobias Sauer hat @netzwerk.ruach.jetzt initiiert.  
  • Weitere interessante Instagram-Kanäle: @seligkeitsdinge (Josephine Teske), @theresaliebt (Theresa Brückner), @ja.und.amen (Blogger/in Maike), @kira_beer

 

ZUR PERSON

Lisa Quarch kommuniziert Glauben digital

  • Lisa Quarch, 1996 geboren, stammt aus Aachen. Sie hat einen Bruder.  
  • Sie hat Theologie in Frankfurt Sankt Georgen und in Maynooth (Irland) studiert.
  • Ihre Diplomarbeit schrieb sie über „Gott im Bahnhofsviertel? Urbane Räume als Theologische Erkenntnisorte“. Dabei ging es darum, was Theologinnen und Theologen von „dritten Orten“ wie der Kneipe „Moseleck“ lernen können.
  • Die Pastoralreferentin arbeitet mit halber Stelle in der Pfarrei St. Marien Frankfurt, Standort Frauenfrieden, mit der anderen halben Stelle als Expertin für digitale Glaubenskommunikation Teil des Instagram-Kanals „@faithpwr“.  
Ruth Lehnen