Treffen ehemaliger Seminaristen in Neuzelle

Ein Tag voller Erinnerungen

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Im 750. Jubliäumsjahr der Klostergründung des Zisterzienserklosters Neuzelle lud Bischof Wolfgang Ipolt ehemalige Seminaristen ein – 122 kamen.

Vor dem ehemaligen Priesterseminar Neuzelle. | Fotos: Raphael Schmidt
 

Zu einem besonderen Priestertag hatte Bischof Wolfgang Ipolt die Absolventen des Priesterseminars Neuzelle aus Anlass des Festjahres 750 Jahre der Klostergündung für den 6. Juni eingeladen. 122 Priester waren der Einladung gefolgt, unter ihnen der ehemalige Bischof des Bistums Dresden-Meißen, Joachim Reinelt, und der emeritierte Weihbischof von Berlin, Wolfgang Weider.
Der Tag begann mit einem Pontifikalamt in der Stiftskirche Neuzelle. Bischof Ipolt, der den Gottesdienst leitete, erinnerte in seiner Predigt an die Zeit im Priesterseminar Neuzelle. „Es war für jeden von uns die Zeit vor dem Empfang der heiligen Weihen, eine Zeit, in der das Ziel bereits ganz nahe und in Sicht war. Ganz sicher war die Zeit hier im Pastoralseminar auch eine Zeit des letzten Überlegens und Zweifelns: Ist es die richtige Entscheidung? Werde ich in dieser Berufung mit meinen kleinen Kräften der Kirche fruchtbar dienen? Was wird die Zukunft bringen, welche Veränderungen, welche Herausforderungen werde ich meistern müssen? Will ich wirklich alles auf die eine Karte Gott setzen?“
 
Über 800 Priester waren im Priesterseminar
Diejenigen Priester, die gekommen waren, haben alles auf Gottes Karte gesetzt. Viel Zeit ist seitdem vergangen. Der älteste Priester, der an dem Treffen teilnahm, ist 95 Jahre alt, davon 70 Jahre Priester. 1948 wurde das Priesterseminar in Neuzelle eröffnet, im Mai 1949 wurden die ersten Diakone, die in diesem Seminar waren, zu Priestern geweiht. Über 800 Priester waren es insgesamt, bis das Seminar 1993 nach Erfurt verlegt wurde und sich die Türen in Neuzelle geschlossen haben.
Nach der Eucharistiefeier wollte Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz den Festvortrag halten zum Thema: „Romano Guardini – Vom Geist der Liturgie“ (Am 16. 12. 2017 wurde der Seligsprechungsprozess für R. Guardini eröffnet – das Buch „Vom Geist der Liturgie“ ist vor genau 100 Jahren im Jahre 1918 erschienen.) Aus wichtigem familiären Grund fiel die Professorin aus und es sprang kurzfristig Zisterzienserpater Johannes Paul Chavanne aus dem Kloster Stift Heiligenkreuz bei Wien ein, aus dem die Neuzeller Mönche kommen. Sein Vortrag, dessen Inhalt keinesfalls nur Priester betrifft, wird demnächst, in Auszügen, im Tag des Herrn vorgestellt.
 
Ehemalige Seminaristen mit Subregens Kresák in der früheren Kapelle des Priesterseminars.

 

Nach dem Festvortrag konnte die Klosteranlage besichtigt werden – und es öffneten sich nochmals die Türen des ehemaligen Priesterseminars. Dabei kamen viele Erinnerungen und auch Emotionen hervor. 1987 bis 1993 war Wolfgang Kresák der letzte Subregens im Priesterseminar und zur gleichen Zeit Arnold Schwarz Regens. Er sagt: „Es war eine gute Zeit und ein guter Weg, der den alles Irdischen gegangen ist, indem er endete.“ Inzwischen strömen immer mehr ehemalige Seminaristen in das Haus: „Sind die Fresken noch drin? Wo ist die Orgel hingekommen? Hier haben die Schwestern die Westpäckchen ausgepackt! Das war die Sakristei! Die Probepredigten, nein, die wurden in der Stiftskirche gehalten“, war zu hören. Ja, das Pfingstrelief: Maria versammelt mit den zwölf Aposteln und dem Heiligen Geist, ist noch da. „Hier habe ich gelegen“, zeigt Pfarrer Bernhard Walter auf eine Stelle in der Kapelle, in der er 1959 zum Priester geweiht wurde. Pfarrer Christian Pabel klärt darüber auf, dass der Tabernakel nicht gestohlen wurde: „Er ist in Erfurt, bei den lieben Schwestern. Die Orgel, die hier stand, ist jetzt in Hoyerswerda-Kühnicht. Und die von dort ist jetzt im St. Johannes-Haus in Cottbus“, sagt Pabel. Einige Türen sind verschlossen: „Wo ist der Hausmeister?“ fragt Pfarrer Wolfgang Kresák, der das Haus komplett inspizieren möchte und feststellt: „Außer den Fluchtwege-Schildern und den Brandschutztüren ist hier alles noch aus DDR-Zeiten.“ Der Hausmeister Jörg Noack erscheint, mit einem großen Schlüsselbund. Dem Klappern hinterher geht es zu bisher verschlossenen Räumen. Einige sind relativ leer, andere dienen als Lager, weitere werden von einer Musikschule genutzt. „Hier war die Wohnung von Matthias Kühn. Das war mein Wohnzimmer. Eigene Nasszellen in den Zimmern gab es nicht“, sagt der ehemalige Subregens Kresák. Auf den Dachboden kommt man des Brandschutzes wegen nicht mehr; es gibt nur noch einen Aufgang an anderer Stelle. Offizial Heinz Gunkel aus Erfurt erinnert sich an seine Zeit  in diesen Räumen. „Ich war ab 1976 hier, 1978 wurde ich geweiht. Ich habe durchweg gute Erinnerungen an diesen Ort und das Studentenleben, das wir gut gestaltet haben.“ Er nennt: Ausflüge zu Predigten nach Eisenhüttenstadt, Spaziergänge an der Oder und dass er die Bibliothek geordnet hat, als er  hier ankam. Genau vor 30 Jahren wohnte in Zimmer 209 Herbert Meyer. „Wir haben die Wende hier erlebt, waren Tag und Nacht vor dem Fernseher“, sagt er. Der Hausmeister hat eine weitere Tür aufgeschlossen. „Das hier war der Schwesterntrakt. Könnt ihr euch noch an Schwester Longesa erinnern? Sie war Oberin hier“, fragt Pfarrer Kresák und nennt weitere Namen von Borromäerinnen, die im Seminar gewirkt haben. Über 16 Stufen geht es runter in den Keller. „Pro Tag haben wir fünf bis sieben Tonnen Kohle verfeuert“ erinnert sich Wolfgang Kresák – und dass er ein Förderband besorgt hat, um die Arbeit zu erleichtern.
Mit der Schlussandacht und dem Gebet für die Wiederbesiedelung durch die Zisterzienser endete dieser besondere Tag.

 
Meinung: Ein beeindruckender Tag
Als ob das volle Programm im 750. Jubiläumsjahr der Klostergründung nicht schon reichen würden, lädt Bischof Wolfgang Ipolt auch noch die ehemaligen Seminaristen des Neuzeller Priesterseminars in diesen Ort ein. Über 120 Priester kamen, sprachen über alte Zeiten, auch die in ihrem Zuhause auf Zeit. Immerhin haben sie hier für ihre Leben weitreichende Entscheidungen gefällt. Am Nachmittag öffneten sich die Türen nochmals, nach vielen Jahren. Hier war dies, dort das. Die Kapelle war am meisten frequentiert. Namen wurden genannt, Erlebnisse ausgetauscht. Der Rummel um das Jubiläum als Anlass für das Treffen, stand nicht im Vordergrund dieses Tages. Eher, dass sie damals alles, ohne Wenn und Aber, auf „die Unbekannte“, auf „Gott“ gesetzt haben, auf eigene Familien und Kinder verzichtet und für Seelen gesorgt haben, über insgesamt etwa 6000 Priesterjahre hindurch. Es war beeindruckend und „dem Himmel nahe“.
 
Von Raphael Schmidt