„Wort des Bischofs" von Mainz, Peter Kohlgraf
Engel führen Menschen zu Gott
Das Interesse an Engeln ist groß. Doch was versteht die biblische Tradition und die Kirche unter diesen Wesen? Zum Schutzengelfest am 2. Oktober deutet Bischof Peter Kohlgraf im „Wort des Bischofs“ sie im Licht des Glaubens.
Zwar lässt die Kirchenbindung nach, aber Religion in einem ganz weiten Sinn spielt in unserer Gesellschaft eine wichtige Rolle. Neben den traditionellen Religionen gibt es eine große Vielfalt religiöser Praktiken und Bedürfnisse. Es muss nicht despektierlich gemeint sein, wenn man manchmal auch von einer „Patchwork-Religiosität“ bei manchen Menschen spricht. Menschen bedienen sich religiöser Elemente aus vielen Angeboten, die ihrem Lebensgefühl entsprechen. „Patchwork-Religiosität“ ist offen für Elemente ganz unterschiedlicher Kulturen und Traditionen. Meditationspraktiken und Gebetsformen helfen, den Alltag zu vergessen, ein wenig Geborgenheit und Geheimnis in einer immer technischer werdenden Welt zu erfahren.
In diesem Feld der Religionen gibt es ein großes Interesse an Engeln. Engel bieten sich an als Gehilfen zu einem guten und glücklichen Leben. Engel sind Schutzgeister, gute Mächte, sie sorgen sich um den Menschen, sie helfen in Angst und Schmerzen. Sie schenken Geborgenheit und Wärme. Vordergründig klingt das christlich. Spricht nicht auch die Bibel von Engeln, von Begleitern des Menschen, von ganzen Scharen, die dem Menschen zur Seite gestellt sind? Ja, und doch gibt es einen gravierenden Unterschied. Die biblischen Engel führen den Menschen zu Gott hin, sie zeigen sich nicht, um selbst verehrt oder bestaunt zu werden. Sie sind Boten Gottes, die dem Menschen die Augen öffnen für Gott selbst. Am 29. September feiern katholische Christinnen und Christen die sogenannten Erzengel: Michael, Gabriel und Rafael. Sie sind Erzengel in der christlichen Tradition, weil sie für eine besondere Botschaft stehen. Michael zeigt, dass Gott der Herr über die Geschichte und das Böse ist, er steht für den Sieg des Guten. Gabriel verkündet die wichtige Botschaft, dass der Sohn Gottes Mensch wird, und unsere Geschichte verwandelt, wenn Menschen wie Maria Ja zum Willen Gottes sagen. Rafael ist der Bote für die Gesundheit und das Heil des Menschen an Leib und Seele. Diese Engel sind Hoffnungsboten, gesandt in eine oft heillose Welt. Gott besiegt das Böse und den Tod, auch wenn unsere Welt keine heile ist. Gott kommt in unsere Geschichte und braucht Menschen, die ihr Ja sagen. Gott will das Heil des Menschen.
Am 2. Oktober feiert die Kirche dann die heiligen Schutzengel. Dahinter steht das Wort Jesu, dass jedes Kind und jeder Schwache einen Engel hat, der vor Gott steht (Matthäus 18,10). Sie stehen für die Nähe Gottes zu jedem Menschen. „Nie sind wir allein, stets sind wir die Deinen“, singen wir in einem Kirchenlied (Gotteslob 451). Der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer hat in bedrängten Zeiten sein Glaubensbekenntnis formuliert: „Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar.“ (Gotteslob 430). Wir sind umhüllt von Gottes Gegenwart, dafür stehen die Schutzengel. Gerade in diesen Zeiten ist es gut, an diese guten Mächte glauben zu können, die uns Menschen behüten und umgeben. Aber: So groß die Engel auch sind, viel größer ist unsere Berufung. So mächtig die Engel sind, zu keinem hat Gott je gesprochen: Du bist mein Sohn, du bist meine Tochter (vergleiche Brief an die Hebräer 1,5). Das aber ist unsere Berufung als Getaufte und Gefirmte. Dieses christliche Selbstvertrauen wünsche ich Ihnen, und die Erfahrung, in Gott geborgen zu sein.
Ihr Bischof Peter Kohlgraf