Frankfurter Stadtdekan hat offenen Brief an Kardinal Marx unterschrieben

Kein Ausverkauf des Glaubens

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Der Kirche stehen riskante Veränderungen ins Haus, die der Hierarchie tief ins Fleisch schneiden werden, sagt der Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz. Deshalb hat er einen offenen Brief an Kardinal Marx mit unterzeichnet. Von Heike Kaiser.

Prominente deutsche Katholiken haben sich in einem offenen Brief mit Forderungen an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, gewandt. Drei der neun Unterzeichner kommen aus Frankfurt: Stadtdekan Johannes zu Eltz, der Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen, Jesuitenpater Ansgar Wucherpfennig, und Caritasdirektorin Gaby Hagmans. Der Zeitpunkt ist bewusst gewählt: kurz vor dem geplanten weltweiten Bischofstreffen im Vatikan zum Missbrauchsskandal in der Kirche. „Ende Februar werden die Vorsitzenden der nationalen Bischofskonferenzen mit Papst Franziskus über die Krise beraten und Vorkehrungen treffen, dass Schutzbefohlene in Zukunft geschützt werden und nicht geschädigt. Das ist dringend notwendig. Menschen dürfen nicht in der Kirche den Guten Hirten suchen und dabei unter die Wölfe kommen“, heißt es in dem Brief.

Johannes zu Eltz Foto: Archiv
Stadtdekan Johannes zu Eltz
Foto: Archiv

Zu den weiteren Unterzeichnern gehören unter anderen Jesuitenpater Klaus Mertes (St. Blasien), der Religionsphilosoph Jörg Splett und Ingrid Splett (Offenbach) sowie die Sprecherin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) für politische und ethische Grundfragen, Dagmar Mensink (Mainz).

Sie bitten darum, in Rom „freimütig den wichtigsten Ertrag der MHG-Studie zur Sprache zu bringen: Missbrauch in unserer Kirche hat auch systemische Gründe.“ Die Versuchung des Klerikalismus folge dem Klerus wie ein Schatten. „Die Aussicht auf Macht in Männerbünden zieht Menschen aus Risikogruppen an. Sexuelle Tabus blockieren notwendige Klärungs- und Reifunsgprozesse“, stellen die Autoren des Briefes fest.

Weiheamt für Frauen öffnen – Zölibat zur Wahl stellen

Die Unterzeichner appellieren an die Bischöfe: „Nehmen Sie Ihre geistliche Vollmacht für mutige Reformen in Anspruch: Binden Sie sich selbst durch echte Gewaltenteilung – das passt besser zur Demut Christi und in den Rahmen für alle geltenden Gesetze.“ Und: „Bauen Sie die Überhöhungen des Weiheamtes ab und öffnen es für Frauen.“ Sie fordern dazu auf, Diözesanpries-tern die Wahl ihrer Lebensform frei zu stellen, „damit der Zölibat wieder glaubwürdig auf das Himmelreich verweisen kann.“ Und: „Machen Sie einen Neustart mit der Sexualmoral – eine verständige und gerechte Bewertung von Homosexualität inklusive.“

„Eines meiner Motive zu diesem Brief steckt in den Antworten, die ich von Menschen bekomme, die bei uns in der Dompfarrei aus der Kirche ausgetreten sind“, begründet der Frankurter Stadtdekan Johannes zu Eltz, warum er den offenen Brief unterschrieben hat. „Der Kritik an den Einzelthemen liegen oft der Zorn oder die Enttäuschung darüber zugrunde, wie bräsig die Kirche immer noch auf den massiven Entzug des Vertrauens reagiert. Was wir schon für Reformbereitschaft halten, das sehen die Leute oft nur als Ausweichmanöver. Wir sind so fürchterlich weit auseinander in unserem Empfinden und Urteilen! Da müssen wir eine 180 Grad Bekehrung hinkriegen und der Exkulturation, dem Verlust der Zeitgenossenschaft, entschlossen entgegenwirken“, unterstreicht er. „Wenn das über schöne Worte hinausgehen soll, stehen uns riskante Veränderungen ins Haus, die der Hierarchie tief ins Fleisch schneiden werden. Das ist aber nicht der Ausverkauf des Glaubens, wie die Neokonservativen befürchten, im Gegenteil: Das ist die Voraussetzung dafür, ihn unter normalen Leuten wirksam zu verkündigen. Kardinal Marx ist gescheit genug, um das zu verstehen, und mächtig genug, um etwas in Gang zu bringen. Deshalb der Brief.“

Die Verfasser versichern Kardinal Marx und den deutschen Bischöfen: „Sie können mit uns rechnen. Wenn Sie sich an die Spitze der Reformbewegung setzen, haben Sie uns entschlossen hinter sich.“ Der offene Brief endet mit der Aufforderung: „Schlagen Sie eine neue Seite auf, schrieben Sie ,2019’ darüber, und fangen Sie an.“

Hier lesen Sie den offenen Brief im Wortlaut.