Dresdner Kapellknaben werben um Nachwuchs
Musik und Spiritualität
Die Knaben bei der Chorprobe: Domkapellmeister Christian Bonath spornt die Jungen spielerisch an, ihr Bestes aus ihrer Stimme zu holen. Foto: Ruth Weinhold-Heße |
Die Dresdner Kapellknaben blicken auf eine 475 Jahre lange Geschichte. Zur jüngeren gehört, dass der Chor eine Insel zu DDR-Zeiten war für die, die eine sozialistische Erziehung umgehen wollten. Oder dass die vielen Konzertreisen im neuen Jahrtausend die Jungs bis nach Kuba führten. Aber eben auch, dass der Chor unter Corona gelitten hat. Nicht nur mussten die Sänger Zuhause bleiben, konnten Chorproben nur leidlich online stattfinden, es fehlen inzwischen auch drei Jahrgänge an Nachwuchs, sagt Domkapellmeister Christian Bonath. Für das Leben als Kapellknabe soll am 22. April ein Tag der offenen Tür werben.
Exzellente Bildung und pastorale Betreuung
Bonath lobt die Bedeutung der Dresdner Kapellknaben – nicht nur die musikalische. So füllten viele Ehemalige bis heute wichtige Aufgaben im Bistum aus – als Pfarrer, Kantoren oder Ehrenamtliche beispielsweise. Und wo gäbe es sonst in den Gemeinden eine ähnlich intensive religionspädagogische Betreuung von Kindern, wie jeden Tag am Kapellknabeninstitut? An dem bekommen die Sänger außerdem eine exzellente musikalische Bildung, Hausaufgabenbetreuung, Freizeitgestaltung und Mittagsessen. Das lässt sich das Bistum auch etwas kosten. Bonath betont: „Die Lebenswege der ehemaligen Kapellknaben sind allesamt spirituell geprägt.“
Von dieser Prägung erzählt auch Joe-Elias, der gerade an der choreigenen Firmvorbereitung teilnimmt. In dem kleinen Raum im vierten Stock, der als Kapelle dient, erzählt er, dass das gemeinsame Abendgebet, das nicht mehr verpflichtend sei, ihm fehlt. Dabei kommt der 14-Jährige nicht aus einem traditionellen katholischen Haushalt. Warum er trotzdem sonntags um 10.30 Uhr in der Dresdner Kathedrale voller Hingabe singt? „Ich stehe dort, mit allem, was ich gerne mache: Ich kann singen. Und Bischof Timmerevers hält richtig coole Predigten, da steckt Ehrlichkeit drin, ich nehme immer etwas mit.“ Joe-Elias führt durch das Kapellknabeninstitut, vom Partykeller für die Großen, der gerade in Eigenregie renoviert wird, bis zu den Zimmern der Jungs, die im Voll-Internat wohnen. Das sind gerade nur acht, im Alter von neun bis 19 Jahren. Es könnten mehr sein. Manche kommen aus Dresden, andere von weiter weg. Joe-Elias verrät, wo der WLAN-Empfang gut ist und zählt auf, dass es im Haus neun Flügel, zwei Klaviere und zwei E-Pianos gibt. Dann spielt er einen Choral des neuen Chorleiters vor.
„Die Gemeinschaft ist etwas Besonderes“
Der Instrumentalunterricht einmal pro Woche gehört zum Alltag wie die fünf Chorproben und die sonntägliche musikalische Gestaltung der Messe an der Kathedrale, dazu kirchliche Hochfeste und Konzerte. Für die, die nicht wie Joe-Elias im Voll-Internat wohnen, ist das durchaus eine logistische Herausforderung. Ab der ersten Klasse können Jungs im Vorchor mitmachen. Die Eltern sollten nicht nur für die kleineren Kinder als Chauffeure zu Chorproben hinter dem Chor stehen, sondern auch dann, wenn die Jungs mal unmotiviert sind. Das gehöre dazu, bestätigt Stimmbildner Jörg Hempel beim nachmittäglichen Kaffeetrinken. „Wer das durchhält, der lernt sich zu organisieren“, sagt er, selbst ein ehemaliger Kruzianer. „Die Gemeinschaft ist etwas Besonderes“, ergänzt Stimmassistent Richard Stier, der ebenfalls eine Knabenchor-Vergangenheit hat. „Man lernt sehr schnell seine Stärken und Schwächen gut einzuschätzen.“
An diesem Dienstag im April leiten Stier und Bonath die Chorprobe für die Knaben, für Sopran und Alt. Jeden Nachmittag bei der Stange zu bleiben, fordert viel Konzentration von den Jungs. Es ist ein zeitintensives Hobby, wird manchmal sogar zur Familien- tradition. Zwei Geschwisterpaare wohnen im Internat. Von manchem Sänger war auch der Vater schon Kapellknabe.
Zum Chor gehören zur Zeit rund 50 Kinder und Jugendliche. Etwa 70 Prozent haben einen katholischen Hintergrund, der sei aber keine Voraussetzung, sagt der Chorleiter. Ein Alleinstellungsmerkmal unter den Knabenchören in Sachsen ist die freie Schulwahl. „Wir sind sehr vielfältig, weil die Jungs nicht alle aus der selben Schicht kommen. Das tut dem Chor gut“, sagt Bonath.
Dass die jungen Sänger stolz auf ihren Chor und ihr Zuhause am Kapellknabeninstitut sind, zeigt, dass sie zum Tag der offenen Tür selbst allen ihr Haus zeigen wollen.
Tag der offenen Tür ist am 22. April von 10 bis 15 Uhr.
Infos: www.kapellknaben.de
Von Ruth Weinhold-Hesse