Bechers Provokationen

Ökumenische Wortglauberei?

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Unsere Provokationen suchen nach der Glut unter der Asche. Heute geht es um die Ökumene. Interessant. Irgendwie gibt es selbst hier nochmal eine Spaltung: hier eine Experten-Ökumene und dort jene praktische im Kirchenvolk. Von Johannes Becher.

„Beides“ – Mehr als ein humoristischer Beitrag zur Zukunft der Kirche?! | Foto: AdobeStock
„Beides“ – Mehr als ein humoristischer Beitrag zur Zukunft der Kirche?!
Foto: AdobeStock

Um die Ökumene ist es in diesen Tagen nicht gut bestellt. Schon der tiefen Gräben wegen, die sich innerhalb der einzelnen Konfessionen selbst auftun. Die orthodoxe Weltgemeinschaft droht am Konflikt zwischen Moskau und Konstantinopel zu zerbrechen. Und auch innerhalb der katholischen Welt fällt es so manchen Akteuren schwer, sich die Hand zum Friedensgruß zu reichen.

Erschwerend kommt hinzu, dass offensichtlich das Ökumene-Feuer in so manchem Theologen erloschen ist. Einige Vordenker – wie Wolfhart Pannenberg, Kardinal Karl Lehmann, Frère Max Thurian – sind inzwischen gestorben. Andere dringen mit ihrem Rufen nicht mehr aus ihren Instituten in die Öffentlichkeit. Waren das Hochzeiten für die Ökumene, als 1982 in der „Lima-Erklärung“ über „Das Zusammenwachsen in Taufe, Eucharistie und Amt“ mehr das Gemeinsame gefeiert wurde als das Trennende. Oder 1999: als die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ einen Schlussstrich zog unter Jahrhunderte missverstehenden Gegeneinanders.

Festgebissen haben sich die Vordenker danach an der Ämterfrage. Demonstration der Macht. Stichwort Apostolische Sukzession. Dabei beharrt die katholische Seite darauf, ihre Bischöfe seien in ununterbrochener Folge auf Apostel zurückzuführen. Und machen das zum ideologischen Flaschenhals. Obgleich ja angesichts all der Missbrauchsskandale der Gedanke an eine apos-tolische Sukzession ganz andere Hirnrisse bekommt …

Johannes Becher, Redaktionsleiter; Foto: privat
Johannes Becher,
Redaktionsleiter.
Foto: privat

Und „im Volk“? Interessiert dieses intellektuelle Ringen dort überhaupt jemanden? Wird nicht vielmehr ein theologischer Disput unter Getauften als Wortglauberei verstanden? Und ist es nicht längst so, dass viele dort längst ihre eigene Ökumene praktizieren? Beispiel: Kommunionempfang. Nicht nur bei konfessionsverbindenden Paaren hat sich vielfach die Denk- und Handlungsweise durchgesetzt, dass nicht die Kirche, sondern Jesus zum Mahl an seinem Tisch einlädt. Und dass keine Kirche das erlauben muss oder verbieten kann. Ähnlich handeln viele Gemeinden, wenn sie am Sonntagvormittag oder am Pfingstmontag bereits vormittags einen ökumenischen Gottesdienst feiern.

Bei allem Streit um den rechten Weg zur Einheit in Vielfalt bleibt die Sorge darum, dass genau dieses Ringen zu neuen Spaltungen führen könnte. Was würde passieren, wenn in der katholischen Kirche Frauen geweiht werden? Was geschieht, wenn wegen einer größeren Nähe zu den orthodoxen Geschwistern eher traditionelle Liturgie gefördert würde?

Dabei sind ja nicht nur innerkirchliche Fragen wesentlich. Mindestens so not-wendend ist eine gemeinsame christliche Stimme, die werte-voll und friedensstiftend im gesellschaftlichen Getöse und Gehetze mitklingt. Es braucht dringend wieder eine stärkere gesellschaftspolitische Ökumene für die Armen und Bedrängten. Um Gottes willen.

 

Zitiert: Eine Taufe

„Während sie im christlichen Glaubensleben wachsen, bezeugen die getauften Glaubenden, dass die Menschheit erneuert und befreit werden kann. Sie haben hier und jetzt eine gemeinsame Verantwortung, zusammen Zeugnis abzulegen vom Evangelium Christi, vom Befreier aller Menschen. Den Kontext dieses gemeinsamen Zeugnisses bilden die Kirche und die Welt. In einer Gemeinschaft des Zeugnisses und Dienstes erkennen Christen die volle Bedeutung der einen Taufe als der Gabe Gottes für sein ganzes Volk. Ebenso erkennen sie an, dass die Taufe, als eine Taufe in Christi Tod, ethische Folgen hat, die nicht nur nach persönlicher Heiligung rufen, sondern die Christen motivieren, sich um die Verwirklichung des Willens Gottes in allen Bereichen des Lebens zu bemühen.“
aus dem „Lima-Papier“, 1982