Osterlachen

Osterfreude mit Körpereinsatz verkünden

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Die Angst vor dem Sterben weglachen – das ist der Sinn des Osterlachens im Ostergottesdienst. Doch der alte Brauch ist fast in Vergessenheit geraten. Jürgen Engel, Clownlehrer aus Bremen und Experte für Humor, möchte das ändern.


Wo gelacht wird, gibt es keine Furcht. Foto: fotolia

Wer geht schon zum Lachen in die Kirche? Das klingt unangebracht. Ein lautes Lachen stört in diesem ruhigen sakralen Raum, sollte man meinen. Und überhaupt: „Lachen – dieses unkontrollierte und ansteckende Zucken des ganzen Körpers, das Ausstoßen von kehligen, rhythmischen Lauten, erscheint alles andere als christlich“, schreibt die evangelische Theologin Gisela Matthiae, Autorin des Buches „Wo der Glaube ist, da ist auch das Lachen“. In einigen Mönchsregeln wird das Lachen als sündhaft dargestellt. Mindestens zur Mäßigung wird aufgerufen. Keinesfalls darf ausgelassen gelacht werden.

Doch genauso muss man es sich vorstellen, das Osterlachen, etwa in Basel zur Zeit der Reformation. Am Ostersonntag des Jahres 1518, so ist es überliefert, entstieg der Geistliche im vollbesetzten Baseler Münster seiner Kanzel und rannte, wie ein Schwein quiekend, auf allen Vieren durch das Mittelschiff. Nach siebenwöchiger Fastenzeit und der Trauer des Karfreitags sollten die Gläubigen mit solcher Narretei zu einem befreienden Lachen finden. Die Gläubigen sollten die Angst vor dem Sterben regelrecht weglachen. Schließlich hat Jesus den Tod besiegt.

Freilich trieben es die Prediger im Mittelalter manchmal recht bunt im Ostergottesdienst. Sie erzählten nicht nur harmlose Scherze und Schmunzelgeschichten, sondern machten die Kanzel oft zur Bühne, wo sie ihr komödiantisches Talent auslebten. Grimassen schneidend, Haare raufend, Zunge zeigend, mit Händen und Füßen gestikulierend gaben sie den Sieg Christi über Hölle, Tod und Teufel wie einen Bauernschwank zum Besten. Das Kirchenvolk brüllte auf, klopfte sich auf die Schenkel und rief nach Zugabe.

Welch ein Gegröle und Gekreische im Gotteshaus! Das rief dann auch Kritiker auf den Plan. Strenge Protestanten und Aufklärer bekämpften vermeintliche Auswüchse des frommen Spaßes. Allmählich wich die Derbheit österlicher Obszönitäten der Erzählung komischer Schnurren, „Ostermärlein“ genannt. Heute ist vom Osterlachen nicht mehr viel übrig. Der frühere Brauch klingt allenfalls an, wenn am Ostersonntag von der Kanzel ein Witz ertönt.

Fröhlichkeit und Glaube – das passt gut zusammen

Dabei sei der Grundgedanke, die Osterfreude offen und auch mit Körpereinsatz zu verkünden, durchaus eine Überlegung wert, findet Jürgen Engel. Der Clownlehrer aus Bremen ist ein Experte für Humor. Als (Kirchen-)Clown Anjol tritt er auch selbst auf: in Gottesdiensten, auf Pfarrfesten, in der Justizvollzugsanstalt (JVA) oder in der „Mittwochsgruppe“ vor erwachsenen Menschen mit Behinderung und ehrenamtlichen Betreuern. Das Osterlachen sieht Engel als ganzheitliche Glaubenserfahrung. Fröhlichkeit, Lebenslust und Glaube – das passe wunderbar zusammen, sagt er. Man müsse sich nur den oft herzhaft lachenden Papst Franziskus anschauen. Wo gelacht wird, da gibt es keine Furcht. Wo gelacht wird, da siegt das Leben über den Tod.

Jürgen Engel, der vor drei Jahren zum katholischen Glauben konvertierte, möchte das Osterlachen wieder ins Gespräch bringen. Ein entsprechendes Kapitel im Buch „Homo ridens – eine phänomenale Studie über Wesen, Formen und Funktionen des Lachens“ (Lenz Prütting) machte ihn neugierig. So hat der Bremer jetzt eine kleine Projektgruppe gegründet, ökumenisch besetzt, die für den alten Brauch in neuer Form wirbt.


Jürgen Engel, Clownlehrer aus Bremen.
Foto: Anja Sabel

Eine erste Aktion gibt es beim Osterfrühstück in der Gemeinde St. Elisabeth. „Wir werden als Überraschungsclowns die Leute zum Lachen bringen.“ Und wie? Er schmunzelt. „Das wird sich aus der Situation ergeben.“

Auch für Gottesdienste in der JVA ist das Osterlachen ein Impulsgeber. Mit Diakon Richard Goritzka ist bereits vereinbart, dass eine Theatergruppe ins Leben gerufen werden soll. Jürgen Engel will dafür kleine humorvolle Szenenspiele schreiben – „ohne die Liturgie zu beschädigen“, wie er betont. Bei einem ersten Auftritt der Bremer Clowns im Gefängnis war er überrascht, wie groß das Interesse der Inhaftierten war, mit den bunt gekleideten Gesellen zu sprechen. Viele der Männer sitzen wegen verschiedener Drogendelikte ein. „Aber sie machten auf mich auch einen intelligenten, witzigen Eindruck“, sagt Engel. „Warum also nicht versuchen, kriminelle Energie in zulässige Energie umzuwandeln und Theater zu spielen?“

Hat eigentlich Jesus gelacht?

Das berühmteste Lachen der Bibel steht übrigens im gemeinsamen Glaubensbuch von Juden und Christen, dem Alten Testament. Als Abraham und Sara, beide hochbetagt, von Saras Schwangerschaft erfahren, lacht Sara Gott aus. Aber der Allmächtige zeigt Nachsicht. Die fast Hundertjährige bringt einen Sohn zur Welt und nennt ihn Isaak – auf Deutsch: „Gott lacht“. Das gesamte jüdische Volk basiert also auf einem Lachen Gottes, denn aus Isaak entwickelten sich die Nachfahren.

Hat eigentlich der bedeutendste Nachfahre, Jesus, gelacht? „In der Bibel findet sich dazu keine einzige Stelle“, sagt Jürgen Engel. Doch die Tatsache, dass Jesus etwa die Hochzeit zu Kana mitgefeiert hat, lässt auf einen geselligen, wohl auch lachenden Gottessohn schließen. Der heute vielleicht auch über einen Lieblingswitz von Clown Anjol alias Jürgen Engel lachen würde:

Drei Pfarrer unterhalten sich über die störenden Dohlen auf ihrem Pfarrgelände. Sagt der eine: „Ich habe extra eine Vogelscheuche aufgestellt. Nichts hat es genützt.“ Sagt der zweite: „Ich habe es sogar mit einem Signalgerät versucht. Ohne Erfolg.“ Der dritte Pfarrer, ganz gelassen: „Also ich habe keine Last mehr mit den Dohlen. Ich habe sie alle getauft und gefirmt, danach habe ich keine mehr gesehen.“

Anja Sabel

 

Literaturtipps:
Friedemann Richert, „Kleine Geistesgeschichte des Lachens“
Gisela Mattiae, „Wo der Glaube ist, da ist auch das Lachen“
Gisbert Kranz, „Das göttliche Lachen“