Sankt Ulrichs Lesekapelle in Geinsheim
Tausende Bücher, eine Kapelle und sehr viel Hoffnung

Foto: Stephanie Prieß
Elke Strosche leitet das Büchereiprojekt. Zusammen mit weiteren Ehrenamtlern hofft sie auf eine Zukunft für die St. Ulrichs Lesekapelle.
Vor rund zwei Jahrhunderten wurde die St. Ulrichs-kirche im hessischen Trebur-Geinsheim errichtet. Man kann sich ein reges Pfarrleben rund um das Gotteshaus vorstellen. Nach einigen Jahren wurde der Platz gar zu eng und man errichtete ein paar Straßen weiter, eine größere katholische Kirche. Aus der ursprünglichen Pfarrkirche wurde eine Kapelle. Elke Strosche kennt als gebürtige Geinsheimerin diese Kirche schon ihr ganzes Leben. Die 59-Jährige erfüllt es mit Stolz, wenn sie heute vor der St. Ulrichskapelle steht und Besucher willkommen heißt. Was ist aus dem Gotteshaus geworden? Davon erzählt sie.
Ora et labora – Ehrenamtlich aktivfür das Gemeindewohl

Schlicht, fast etwas unscheinbar, lugt die St. Ulrichs-kapelle aus der Häuserreihe der Oppenheimer Straße hervor. Ein freier Platz mit riesiger Eiche bietet An-kömmlingen die Möglichkeit, das „Schmuckstück“, wie Elke Strosche die Kapelle liebevoll nennt, in Gänze betrachten zu können. Über dem Eingang des einschiffigen, weiß verputzten Backsteinbaus steht in Großbuchstaben „Ora et labora!“, „Bete und arbeite!“. Hier arbeitet ein Team aus elf Ehrenamtlichen für das Gemeindewohl: Sie kategorisieren, binden ein und halten die Ausleihe bereit, damit Jedermann die „Katholische Öffentliche Bücherei St. Ulrichs Lesekapelle Geinsheim“ nutzen kann. „Ja, aus der kleinen Kirche ist eine große Lesekapelle geworden“, unterstreicht Strosche, die das Projekt Lesekapelle leitet.
In den 1960er Jahren wurde die Ulrichskapelle ausgesegnet. Die Inneneinrichtung entfernte man, es fand eine komplette Umgestaltung statt, erzählt die Geinsheimerin weiter. Zuerst wurde die Kapelle als Künstleratelier verpachtet, später als Lagerraum genutzt – bis sie schließlich einige Zeit leer stand. Das tat dem Haus natürlich nicht gut, der bauliche Zustand des denkmalgeschützten Gebäudes verschlechterte sich. „Im Jahr 2004 kam dann der Lichtblick“, erinnert sich Elke Strosche. Ein Dorferneuerungsprogramm machte es möglich, neues Gemeindeleben den alten Mauern einzuhauchen. „Wir als Bewohner waren damals angesprochen worden, ein Dorfentwicklungskonzept mitaufzustellen. Dabei haben wir es geschafft, unser Projekt zur Lesekapelle ganz weit noch vorne zu bringen. Und schließlich, dank finanzieller und tatkräftiger Unterstützung, 2006 auf die Beine zu stellen“, so Strosche. Das Projekt trug den Titel „Erhalt der Katholischen Kapelle mit Zuführung einer würdevollen Nutzung zur kulturellen Bereicherung“.
Im kommenden Jahr, am 13. Mai 2026, kann die Lesekapelle also ihren 20. Geburtstag feiern. Und wie sehen die nächsten 20 Jahre für das Kultprojekt aus? „Das ist leider noch ungewiss“, sagt die Ehrenamtlerin mit Blick auf den kommenden Umstrukturierungsprozess. Die Pfarrgruppe Astheim-Trebur-Geinsheim ist Teil des Pastoralraums Groß-Gerau Mitte. Der Pastoralraum ist ein Zusammenschluss aus mehreren Pfarrgemeinden beziehungsweise Pfarrgruppen, aus dem die neue Pfarrgemeinde 2028 gegründet wird. „Die Büchereiarbeit soll weitergehen“, erklärt Strosche. „Das wird auch im neuen pastoralen Raum unterstützt. Unklar ist, welche Räumlichkeiten die Bücherei nutzen kann, denn das Gebäude soll nach den Entwürfen der ‚Projektgruppe Gebäude im Pastoralraum‘ nicht weiter finanziert werden.“ Der Wunsch des Büchereiteams ist es, passende Räume für Büchereiarbeit zu haben, um das Angebot für die Bürger der Gemeinde aufrechterhalten und vielleicht sogar ausweiten zu können. „Es wäre schön, wenn das Gebäude dafür weiter genutzt werden könnte“, hofft sie.

Ort der Begegnung über Alterund Konfession hinaus
„Unsere Lesekapelle ist ein Ort der Begegnung – für alle Altersstufen und Konfessionen. Wir arbeiten eng mit der evangelischen Kirche zusammen, tragen gemeinsam die Kosten für die Unterhaltung“, sagt Strosche. Natürlich sei es nicht immer einfach, ehrenamtliche Helfer zu finden. Aber die Aktiven seien mit Herzblut dabei – und neue Gesichter immer willkommen. Zudem bildet sich das Team regelmäßig weiter, um dem breiten Publikum stets die aktuellsten Bestseller anbieten zu können oder damit die Ausleihe reibungslos funktioniert.
Apropos – die Geinsheimer Lesekapelle beinhaltet als Schatz eine Auswahl von über 3000 Büchern und eine Vielzahl an Tonies (Hörspiele für Kinder). Auf zwei Stockwerken kann in der 128 Quadratmeter großenSt. Ulrichs Kapelle nach der Lieblingslektüre gesucht werden. Der ehemalige Altarraum dient heute dem gemütlichen Schmökern. Unter den Licht durchströmenden Kapellenfenstern stehen einladende Sessel bereit. Liebevoll schmücken die Ehrenamtlichen den offen Raum, wenn Feste wie Ostern und Weihnachen anstehen oder zur populären Halloween-Lesenacht.