Der Theologe und Psychotherapeut Wunibald Müller über Hoffnung

Verzagt nicht

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Pflanze keimt auf
Nachweis

Foto: istockphoto/sarayut

Was ist der Unterschied zwischen Hoffnung und Optimismus? Wozu führt das eine wie das andere? Und was hat all das mit unserem Glauben zu tun? Wunibald Müller, Theologe und Psychotherapeut, gibt Antworten

Ach, sagen viele, das mit der Klimakrise, das wird schon wieder. Das kriegen wir hin, irgendwie. Dabei tun die meisten Regierungen nicht annähernd genug gegen die Erderhitzung – und viele Menschen haben wenig Lust, ihren Lebensstil zu verändern. Zu sagen, das mit dem Klima werde schon wieder, klingt zwar optimistisch, ist aber billig. Solch ein Optimismus ignoriert die Realität; er verschweigt das Ausmaß der Gefahr; er verkennt, was passieren muss, um ein Problem zu lösen.

Optimismus ist gerade schwer in Mode, zahllose Ratgeber empfehlen ihn als Geheimnis für ein glückliches Leben. Kein Wunder bei all den Katastrophen auf der Welt. Der Theologe und Psychotherapeut Wunibald Müller aber sagt, blinder Optimismus bringe uns nicht weiter: „Er führt am Ende nur zu Enttäuschung.“ 

Müller findet Pessimismus oft zielführender. Er lobt jene, die geerdet sind und auch mal skeptisch. Die vor etwas warnen, selbst wenn sie dann als Spielverderber gesehen werden: „Sie können ein wichtiges Korrektiv sein. Sie verdienen es, geküsst zu werden.“ 

Denn egal ob es um gesellschaftliche oder private Probleme geht, um Klimakrise, Krieg und Flucht oder um Einsamkeit, Krankheit und Streit – nie verschwinden sie von allein. Viele Pessimisten sehen das, manche Optimisten übersehen es lieber. Was menschlich verständlich ist: Negativnachrichten drücken aufs Gemüt. Doch es ist, wie Müller sagt: „Der Weg durch die Scheiße bleibt uns nicht erspart. Den müssen wir gehen.“ 

„Wir sind mehr als die Katastrophe“

Unser Glaube kann uns auf diesem Weg helfen. Er kann uns helfen, nicht dem billigen Optimismus zu verfallen, sondern echte Hoffnung zu haben. Denn Optimismus und Hoffnung sind nicht dasselbe – auch wenn die Begriffe oft synonym gebraucht werden. Müller sagt, die Hoffnung kenne die Härten des Lebens, sie wisse um unsere Trauer, Ohnmacht und Verzweiflung; sie blende die Wirklichkeit nicht aus. Sie sehe, was uns lähmt – und welche Mühen es kostet, dass Schlechtes besser wird. Echtes Hoffen verlange von uns, uns zu verabschieden von Erwartungen, die sich bei einem näheren Hinschauen als Nostalgie, als ein Festhalten an unrealistischen Zielen erweisen.

Wunnibald Müller
Wunibald Müller. Foto: privat

Beim Klima könnte Hoffnung bedeuten, sich bewusst zu machen: Die Erderhitzung gefährdet unser Überleben, und wir müssen sehr schnell und radikal umsteuern, um das Schlimmste noch zu verhindern. Funktionieren kann das nur, wenn alle diese tiefgreifende und herausfordernde Veränderung mittragen – Politikerinnen und Politiker wie Bürgerinnen und Bürger. Wir werden nicht weiterleben können wie bisher.

Natürlich schmerzt es oft, sich der Wirklichkeit zu stellen. Doch Müller sagt: „Die christlich begründete Hoffnung hat eine Kraft, die der billige Optimismus nicht hat.“ Diese Kraft kommt von Ostern, von der Botschaft der Auferstehung. Die Botschaft sagt: Verzagt nicht! Es ist nicht aus. Es geht weiter.

Wir Christen, sagt der Theologe Müller, sollten diese Hoffnung im Alltag vorleben. Wir sollten anderen Mut machen und uns gegenseitig bestärken. Und wir sollten uns von dem, was uns niederdrücken könnte, nie ganz vereinnahmen lassen, sondern uns immer mal wieder ein Stück zurückziehen – durch Gottesdienst oder Gebet. Und danach sollten wir uns wieder der Wirklichkeit stellen. In dem Glauben, der uns zeigt: „Wir sind mehr als die Katastrophe. Wir sind verankert in etwas Größerem – egal wie groß ein Problem gerade ist.“

Diese Verankerung gibt Kraft. Und sie hilft, den Blick zu weiten und zu erkennen, dass wir nicht alles allein bewältigen müssen. Wir haben nicht nur unsere menschlichen Möglichkeiten, um Lösungen für Probleme zu finden. Sondern wir dürfen immer auch auf die Möglichkeiten Gottes hoffen. Mit dieser Hoffnung im Herzen können wir tun, was wir können – und es fällt gleich ein bisschen leichter.

Zur Person: Wunibald Müller ist Theologe und Psychotherapeut. Er sagt: „Wir sind verankert in etwas Größerem – egal wie groß ein Problem gerade ist.“

Andreas Lesch