Anstoß 22/2025
Eisenbahner
Und sie reden nicht schlecht von ihnen. Mir, der ich daneben sitze und das höre, gibt das ein gutes Gefühl. Weil sie auf die einzelnen Menschen schauen und nicht verallgemeinern. Dann kommen sie auf das Thema „Ausländer und Deutsche“ zu sprechen. Kein Wunder, alle fahren Bahn, ob in Görlitz geboren oder in Nairobi. „Es sind nicht alle gleich, es gibt die Netten und die Chaoten“ sagt der eine. „Und es gibt ganz viele Ausländer, die wirklich arbeiten. Bei Hermes, bei Amazon – da möchte ich nicht arbeiten. Die machen das für uns“, sagt der nächste.
Ich bin überrascht. Viel häufiger höre ich derzeit doch, wie schlimm alles sein soll. Oft von Leuten, denen es alles andere als schlecht geht. Aber hier, im Zug, der spätabends durch Sachsen-Anhalt braust, sitzen Eisenbahner, die unaufgeregt Klartext reden.
Nach einer Weile fängt die Schaffnerin an, ein Erlebnis der letzten Woche zu erzählen: Da steigt spät abends eine deutsche Frau mit einem kleinen Kind ein, nur mit ihren Kleidern, sie hat keine Tasche, keine Jacke, kein Portemonnaie, nichts. Sie ist sichtlich froh als der Zug abfährt. Sie hat keine Fahrkarte und weiß nicht, was sie machen soll. Sie ist vor ihrem Mann geflohen. Mitreisende hören das, als sie es der Schaffnerin erzählt. Ein Türke kauft ihnen ein Ticket, eine Ausländerin gibt ihnen etwas zu essen, ein Deutscher hat eine Idee, wo sie Hilfe bekommen können und zückt sein Handy. „Das erlebst du in der Bahn“, sagt die Schaffnerin, nicht ohne Stolz.
Es sind viele Geschichten, die Tag für Tag in unserem schönen Land passieren. Viele gute und auch ein paar schlechte. Leider werden die guten viel zu selten erzählt.