Einst die größte Kirche der Region

45 Meter hoch in den Himmel

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Ein Mann sitzt in einer Kapelle
Nachweis

Foto: Petra Diek-Münchow

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Kontemplation in der Klosterstätte: Sorgsam gestaltet ist der Andachtsraum neben der Dauerausstellung.

Nahe Aurich in Ostfriesland steht die Klosterstätte Ihlow: eine ungewöhnliche Installation aus Stahl und Licht.

Geruhsam spaziert das Paar durch den Ihlower Forst. Plötzlich bleiben die zwei stehen, denn die Zweige öffnen sich zu einem grünen Fenster und das erlaubt aus der Ferne den ersten Blick auf eine Kirche. Oder besser: auf die ungewöhnliche Rekonstruktion einer Kirche. 45 Meter hoch ragen rote Stahlsäulen samt Dachreiter über die Bäume hinweg und zeichnen so Silhouette und Gewölbe einer früheren Zisterzienserabtei nach.

Die Rekonstruktion einer Kirche
Künstlerisch gedacht ist die Rekonstruktion der ehemaligen Zisterzienserabtei in Ihlow nahe Aurich in Ostfriesland. Foto: Petra Diek-Münchow

„Imagination“ nennt Bernd Buttjer dieses von einem dänischen Architekten entworfene Werk. Darin steckt das aus dem Lateinischen „Imago“ übersetzte Wort „Bild“. Und darum geht es bei der Klosterstätte. Die Gäste sollen keinen historisierenden Nachbau sehen, sondern sich mit eigener Fantasie selbst ein Bild machen dürfen von jener Ordenskirche, die zu Zeiten ihrer Gründung im 13. Jahrhundert mit fast 68 Metern in der Länge gewaltig gewesen sein muss. Wer heute am Fuße der Pfeiler steht und durch sie hindurch in die Wolken und das Sonnenlicht schaut, mag ein Gefühl für die damaligen Ausmaße des Kirchenschiffs bekommen. „Für mich ist das ganze ein einzigartiges Kunstwerk“, findet Buttjer – das wie das Original den Himmel auf die Erde holt.

Bernd Buttjer leitet den Klosterverein, der die Klosterstätte ehrenamtlich betreibt.  Mit weiteren rührigen Ostfriesen hatte er jahrelang dafür geackert, dass die „Imagination“ 2009 dank vieler Förderer eröffnet werden konnte. Mittlerweile kommen bis zu 25 000 Menschen jedes Jahr hierher. Manche aus historischem Interesse, andere für einen erholsamen Spaziergang, die nächsten für eine Ausstellung, ein Konzert oder ein stilles Gebet.

Schlichtes Lichtkreuz am Buchenaltar

Gerade diese kulturelle und spirituelle Dimension ist Bernd Buttjer wichtig. Regelmäßig sind Werke ostfriesischer Künstler zu sehen und Musik verschiedener Ensembles zu hören. Letzteres vor allem im unterirdischen „Raum der Spurensuche“: eine Kombination aus Ausstellungsfläche und einer Stätte der Besinnung. Besucher können Grabungsfunde anschauen und an einem „Zeitstrahl“ zur Religionsgeschichte vorbeiwandern. Wer danach genug von Daten und Zahlen hat, mag sich in den Andachtsraum setzen – unter ein schlichtes Lichtkreuz und vor den von dem Bremer Bildhauer Günter Gerlach geschaffenen Altar aus Buchenholz. Auch Bernd Buttjer zieht sich hier gern zur kurzen Kontemplation zurück. „Ein stiller Ort, der einfach guttut.“

Genau wie der Spaziergang zurück, auf dem Besucher sich ebenfalls ein paar Minuten Zeit nehmen sollten, um auf dem Waldweg eine weitere Kunstinstallation anzuschauen. Mit Bändern, Bannern und Tüchern hat Monika Kühling die „friesische Freiheit“ zwischen die Bäume gespannt. Das Werk verweist darauf, dass Karl der Große einst den Friesen das Recht verliehen haben soll, keine anderen Herren außer dem Kaiser über sich zu haben. Und es schlägt einen Bogen zu den Mönchen von Ihlow, denn auch ihr Siegel wurde zum Symbol der freien Friesen. Da lohnt sich ein Blick nach oben.

 

Petra Diek-Münchow

Weitere Infos zum Ihlow Gebet und den nächsten Erlebnissonntagen im Internet unter: https://www.kloster-ihlow.de/  (dort auch unter Aktuelles und Klosterblatt)