Betroffenenbeirat von drei (Erz-)Bistümern und der Militärseelsorge

Auf Augenhöhe mitarbeiten

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Verantwortliche der Kirche konstruktiv und kritisch in ihrem Umgang mit sexualisierter Gewalt zu begleiten, ist das Anliegen des Betroffenenbeirats dreier ostdeutscher (Erz-)Bistümer und der Katholischen Militärseelsorge.

Sabine Otto vergleicht die Arbeit des aktuellen Betroffenenbeirats mit dem Spuren einer Loipe, von der erst die Nachfolgenden profitieren.    Foto: imago images/Westend61

 

„Der Betroffenenbeirat der (Erz-)Bistümer Berlin, Dresden-Meißen und Görlitz und der Katholischen Militärseelsorge arbeitet bereits seit einem halben Jahr“, teilen die beiden Sprecher Michael Köst und Sabine Otto mit. Entsprechend der Ordnung der Deutschen Bischofskonferenz sollen die Bistümer nicht über die Köpfe von Betroffenen sexualisierter Gewalt hinweg an dem Thema weiterarbeiten. Sie haben sich deshalb verpflichtet, Betroffenenbeiräte ins Leben zu rufen und sie in Aufarbeitung und Weiterentwicklung der Präventionsmaßnahmen einzubeziehen.
Im vergangenen Dezember haben die beteiligten vier Bischöfe den ersten Beiratsmitgliedern ihre Beauftragung zugestellt, Ende April hat sich das Gremium konstituiert. Unterdessen hat der Beirat zwei seiner Mitglieder in die Aufarbeitungskommission entsandt, die von der gleichen Bistümer-Dreiergruppe plus Militärseelsorge einberufen, allerdings noch nicht konstituiert worden ist. „Es wäre hilfreich, jetzt nicht länger weitere Betroffene öffentlich zur Mitarbeit aufzurufen“, wünscht sich das Sprecherteam von den Bistumsleitungen. Ein Stopp der Werbeaktion könnte dazu beitragen, dass ihre Arbeit in den Gemeinden stärker wahrgenommen wird, hoffen die Beiratsmitglieder.
„Fast ein Drittel unserer Beauftragungszeit ist bereits verstrichen. Jetzt noch neue Mitglieder einzuarbeiten, bindet Kräfte, dient aber der Arbeit nicht“, erläutert Sabine Otto und verweist darauf, dass schon in einem Jahr die Ausschreibungen für die folgende „Amtszeit“ beginnen.
Zu den Anliegen des Beirats gehöre, dass auch für die Bistümer Dresden-Meißen und Görlitz Missbrauchsstudien erstellt werden, in denen alle Fälle dokumentiert und den Missbrauch begünstigende Strukturen erfasst werden und dass es im Erzbistum Berlin ein Anschlussgutachten gibt, dass in Folge des bereits veröffentlichten Gutachtens die Dienstpflichtverletzungen Verantwortlicher untersucht.
Achten wollen die Betroffenen insbesondere darauf, dass jeder einzelne Betroffene, der dies wünscht, angehört wird und dadurch erfährt, dass Verantwortliche im Bistum würdigen, was ihm widerfahren ist. Die Bistümer sollten zudem nicht nur Missbrauchsfälle anerkennen, bei denen die Täter Kleriker oder hauptamtlich bei der Kirche Beschäftigte sind. Sie sollten auch dann Verantwortung übernehmen, wenn Betroffene zur Tatzeit bereits volljährig waren.
Vieles, was die Betroffenen des neu konstituierten Beirats in den vergangenen Monaten geleistet haben, sehen sie als Pionierarbeit, die ihren Nachfolgern zugute kommen könnte. Sabine Otto drückt es bildhaft aus: „Wir spuren die Loipen und hoffen, dass die nächsten Beiräte darauf durch den Schnee fahren können.“
Für zukunftsweisend hält das Sprecherteam, dass sich der Beirat vor seiner Konstituierung entschlossen hat, von seinem Recht Gebrauch zu machen, zusätzliche Mitglieder zu berufen. Grund dafür war, dass unter denen, die das bischöfliche Auswahlverfahren durchlaufen hatten, niemand war, der mit anderen Betroffenen vernetzt ist. „Es ist sinnvoll, dass in einem solchen Gremium Menschen mitarbeiten, die nicht nur für sich selbst sprechen“, begründet Michael Köst die Entscheidung. Zudem gebe es Betroffene, die konstruktiv mitarbeiten könnten, sich aber dem als demütigend empfundenen Auswahlverfahren nicht aussetzen wollten.
„Nach guter anfänglicher Unterstützung durch die Justiziarin der Malteser haben wir unsere Arbeitsfähigkeit von Grund auf allein hergestellt“, erläutert Köst. Angefangen beim Einrichten einer E-Mailadresse bis hin zur Beschaffung von Informationen, die für die Arbeit wesentlich sind, sei alles auf Eigeninitiative und ehrenamtlich erfolgt.
In seinen Augen übersteigen die Verwaltungsaufgaben das, was Berufstätige im Ehrenamt leisten können. Die Sprecher verweisen auf das Nachbarbistum Magdeburg, das für seine Aufarbeitungskommission und den noch nicht installierten Betroffenenbeirat eine halbe Sekretariatsstelle eingerichtet und ein Büro angemietet hat. Dies biete unter anderem die Möglichkeit, Dokumente, die Persönlichkeitsrechte von Betroffenen und Beschuldigten berühren, sicher aufzubewahren.
Nachdenken sollte man ihrer  Ansicht nach auch darüber, ob für die deutschlandweit und darüber hinaus in Auslandseinsätzen agierende Katholische Militärseelsorge nicht eigene Strukturen zur Prävention und Aufarbeitung sinnvoll wären.
Schon die drei Bistümer stellen mit ihrem großen Territorium, von Rügen bis ins Vogtland, eine Herausforderung für gemeinsame Strukturen dar. Trotzdem ist den Beiräten der unmittelbare Kontakt zu den Gemeinden wichtig. Gerne lassen sie sich einladen zu Fachtagungen und Gemeindeveranstaltungen, bei denen ihre Erfahrung und Fachkompetenz gefragt ist. Auf Bitten des Katholikenrats im  Bistum Dresden-Meißen entsenden sie einen Vertreter als ständiges Mitglied.
Am 15. Oktober gibt es erstmals ein Treffen des Beirats mit den Bischöfen aller drei Diözesen und dem Militärbischof. „Wir möchten gerne auf Augenhöhe mitarbeiten und hoffen, dass uns dieses Gespräch in unserem gemeinsamen Anliegen weiterbringt, in der Kirche ein Klima der Transparenz und des Neuanfangs zu schaffen“, sagen die Beirats-Sprecher.

Kontakt: bb-region-ost@posteo.de

(dw)