Der Beruf des Bestatters

Ausbildung mit gutem Gefühl

Bestatter kleidet einen Sarg aus

Foto: epd-bild/Detlef Heese

Einer von tausend: Mathis Puschmann aus Osnabrück lernt den Beruf des Bestatters.

Wer Bestatter werden will, kann seit 2007 eine dreijährige Ausbildung absolvieren. Mathis Puschmann aus Osnabrück hat sich dafür entschieden. Er bereitet die Beerdigung vor und steht den Angehörigen in der schwierigen Phase der Trauer bei.

Mit ruhigen Handgriffen breitet Mathis Puschmann die rotbraun gemusterte Decke über den Körper des Toten. An den Sargrändern faltet er die überhängenden Enden ein, wirft einen prüfenden Blick auf den Leichnam: „Der Mann ist 58 Jahre alt geworden und gestern im Krankenhaus gestorben“, erklärt der 20-Jährige, der die Ausbildung zum Bestatter macht. Dann streicht er mit der Hand noch einmal über die Decke. „Gut so – oder?“, sagt er und blickt seinen Kollegen fragend an.

Georg Puschmann (34) nickt. „Der Sarg kann in den Kühlraum und später in die Kapelle gerollt werden. Dort können die Angehörigen sich von dem Verstorbenen verabschieden.“ Die beiden Puschmanns, die weder verwandt noch verschwägert sind, arbeiten im Osnabrücker Bestattungshaus Schulte. Mathis ist einer von derzeit etwa tausend Frauen und Männern in Deutschland, die eine dreijährige Ausbildung zur Bestattungsfachkraft absolvieren. „Ich hatte auch Elektrotechnik oder Mechatronik überlegt“, erzählt der Abiturient.

Doch Erfahrungen aus einem Schulpraktikum und einige Tage Probearbeit bei einem Bestatter hätten dann den Ausschlag gegeben. Der Beruf sei sehr vielseitig, findet er. „Außerdem gibt es einem ein gutes Gefühl, Menschen in einer solch schwierigen Situation der Trauer beistehen zu können.“

Der Umgang mit toten Menschen schreckt Mathis nicht. Im geübten Zusammenspiel haben er und Georg dem verstorbenen Mann das Hemd über den Kopf gestreift, es glatt gezogen und die obersten Knöpfe geschlossen. Behutsam ist Georg ihm mit dem Kamm durch die grau-melierten Haare gefahren, hat den Drei-Tage-Bart getrimmt. „Sterben gehört zum Leben genauso dazu wie geboren werden“, sagt Mathis und fügt hinzu: „Leider ist der Tod noch immer ein Tabu-Thema.“

Erst seit 2007 ist Bestattungsfachkraft nach einer vierjährigen Erprobungsphase ein bundesweit einheitlich geregelter Ausbildungsberuf. „Das war dringend notwendig, weil er seit Jahrzehnten immer neue Anforderungen mit sich bringt“, sagt Stephan Neuser, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Bestatter mit Sitz in Düsseldorf. Allein zwischen 2013 und 2023 hat sich die Zahl der Auszubildenden mehr als verdoppelt, mehr als die Hälfte davon sind Frauen.

Sterben gehört zum Leben genauso dazu wie geboren werden.

Noch immer könne man allerdings auch ohne Ausbildung oder Prüfung als Bestatter arbeiten, kritisiert Neuser. Aus Sicht des Verbandes ein Manko: „Wir fordern die Politik auf, die Meisterpflicht einzuführen, um den Beruf zu professionalisieren.“

Das Berufsbild sei vielschichtiger geworden, vor allem weil Trauerfeiern immer individueller gestaltet würden: „Da sind zum Teil schon Eventmanagement-Fähigkeiten gefragt“, sagt Neuser. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass auch die hygienische Totenversorgung viel Spezialwissen erfordere. Ein Bestatter benötigt außerdem handwerkliches und kaufmännisches Wissen und muss sich mit rechtlichen Fragen etwa bei Überführungen auskennen. Wichtig sind zudem Gesprächsführung und Trauerpsychologie.

Bestatter richtet Urne aus
Eine Trauerhalle schmücken: auch das gehört zu den Aufgaben eines Bestatters. Foto: epd-bild/Detlef Heese

Für den theoretischen Teil der Ausbildung sind in Deutschland drei Berufsschulen zuständig: in Wermelskirchen in Nordrhein-Westfalen, in Springe bei Hannover und in Bad Kissingen in Bayern. Dort wird ausschließlich mehrwöchiger Blockunterricht angeboten. „Auf dem Stundenplan stehen vor allem kaufmännische Fächer. Wir lernen aber auch Bestattungsriten anderer Religionen oder die Bestattungsgesetze der Bundesländer“, erzählt Mathis. Alle Azubis müssen zudem drei überbetriebliche Lehrgänge im einzigen Bundesausbildungszentrum für Bestatter im fränkischen Münnerstadt absolvieren. Sie heben dort auf einem Lehrfriedhof Gräber aus, arrangieren Blumen, kleiden Särge aus, schmücken eine Übungstrauerhalle. Für Mathis steht bald der erste Lehrgang an.

Aus Sicht seiner Chefin Andrea Schulte ist die noch junge Ausbildung zur Bestattungsfachkraft ein Gewinn. Allerdings hält sie die Rahmenbedingungen für verbesserungsbedürftig. „Der Blockunterricht ist weder für die Azubis noch für uns Betriebe attraktiv“, sagt die 42-Jährige.

Wenn Mathis Puschmann erzählt, dass er Bestattungsfachkraft lernt, erntet er oft erst einmal erstaunte Blicke. Doch trotz aller Besonderheit sei der Beruf für ihn inzwischen zu einem normalen Job geworden. „Wir lachen hier auch oder hören Musik“, sagt der Heavy-Metal-Fan, während er Lappen und Desinfektionsmittel zur Hand nimmt. Dann macht er sich daran, die metallene Bahre zu reinigen, auf der der Verstorbene kurz zuvor gelegen hat. Zu Beginn sei er allerdings unsicher gewesen, ob ihn die Arbeit innerlich auch in seiner Freizeit nicht loslassen würde, „ob ich am Feierabend die Toten quasi mit nach Hause nehme“, sagt Mathis. In der Regel könne er den Berufsalltag aber gut hinter sich lassen. „Und wenn mich ein Fall doch mal länger beschäftigt, ist es nach wenigen Tagen auch wieder gut.“

Martina Schwager