Winterakademie im Bistum Dresden-Meißen
„Christen al dente“ sind gefragt
Die Veranstalter der Winterakademie: Sebastian Kieslich (oben rechts) und Ansgar Hoffmann (unten rechts) vom Bildungsgut Schmochtitz St. Benno, Thomas Arnold von der Katholischen Akademie des Bistums (unten links) und Michael Ziesch vom Sächsischen Ausbildungs- und Erprobungskanal (SAEK) Bautzen, der die Online-Veranstaltung technisch unterstützte. Foto: Screenshot |
Der Augsburger Bischof Betram Meier bemühte einen Vergleich aus der Kochkunst: Gefragt seien heute „Christen al dente“. „Wir brauchen Christen mit Biss, die Profil zeigen durch ein glaubwürdiges Leben“, sagte der Bischof bei der traditionellen Winterakademie, die in diesem Jahr als Online-Veranstaltung stattfand. Ein Teil der viertägigen Veranstaltung, die die Wiederbegründung des Bistums Meißen vor 100 Jahren zum Thema hatte, fragte nach den Möglichkeiten des christlich-kirchlichen Zeugnisses unter den gegenwärtigen Bedingungen Ostdeutschlands.
Kirche befindet sich in einer Zeitenwende
Für Bischof Meier befindet sich die Kirche momentan in einer Zeitenwende. Grund seien die großen kirchlichen Skandale der vergangenen Jahre. Diese Situation biete aber auch eine Chance für Umkehr, Reue und Neubeginn. Der Bischof rief dazu auf, angesichts dieser Situation nicht zu verzagen. Die Kirche habe die Aufgabe, das Evangelium in die Welt zu bringen. „Wenn Kirche eine Zukunft haben soll, muss sie den Himmel offenhalten.“
Dass dabei der Ökumene eine besondere Bedeutung zukommt, zeigte ein Gespräch zwischen Bischof Meier und seinem evangelischen Kollegen Bischof Christian Stäblein (Berlin). Um die Bedeutung der Ökumene deutlich zu machen, zitierte Stäblein Alt-Bundespräsident Joachim Gauck: „Die Zukunft der christlichen Kirchen wird ökumenisch sein oder sie wird nicht sein.“ Beide Bischöfe verwiesen auf die in den letzten Jahren erreichten ökumenischen Fortschritte. Allerdings, so Stäblein, verlaufe die Ökumene in Wellenbewegungen. Trotz mancher Rückschläge bleibe er „unverzagt ökumenisch“. Es gelte „nicht im Galopp, sondern Schritt für Schritt weiter in der Ökumene voranzuschreiten und die notwendigen Themenfelder zu beackern“. Dabei dürfe der Blick nicht nur auf die Abendmahlsfrage verengt werden. Es gebe schon heute sehr viele Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zwischen den Kirchen, vor allem im seelsorglichen Bereich, betonten beide Bischöfe und nannten als Beispiele die Krankenhaus- und Gefängnisseelsorge oder den konfessionell kooperativen Religionsunterricht.
Thema des Gesprächs zwischen den beiden Bischöfen war auch das von einem Arbeitskreis katholischer und evangelischer Theologen erarbeitete Votum „Gemeinsam am Tisch des Herrn“. Darin wird auf die Möglichkeit einer individuellen Gewissensentscheidung einzelner Gläubiger hingewiesen, wechselseitig an Eucharistie oder am Abendmahl teilzunehmen. Das Votum war von der vatikanischen Glaubenskongregation zurückgewiesen worden.
Er empfinde es nicht so, „dass uns der Vatikan da zurückge- pfiffen hat“, sagte Bischof Meier. Der Vatikan habe „nicht auf die Bremse getreten, sondern eher auf die Kupplung.“ Das sei eine Aufforderung, weiter zu überlegen und zusammen mit den Verantwortlichen im Vatikan zu schauen, wohin der Weg führt. Bischof Stäblein gefiel das Bild mit der Kupplung gut, aber: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu lange im Leerlauf verharren.“
Vor der Diskussion mit den beiden Bischöfen hatte der Leipziger Religionsphilosoph Gert Pickel einen statistischen Blick auf die Situation der Kirchen in (Ost-)Deutschland geworfen. Dass die Zahl der Christen und der Kirchenmitglieder rückläufig ist, ist ein seit Jahrzehnten anhaltender Trend. Bis zum Jahr 2060 – so sagen es aktuelle Prognosen – werde sich die Zahl der Kirchenmitglieder in Deutschland nahezu halbieren. Die Gründe dafür seien nicht zuerst in der allgemeinen Bevölkerungsentwicklung zu suchen, sondern im Tauf- und Kirchenaustrittsverhalten der Menschen. Glaube und Kirchenzugehörigkeit würden immer mehr zu einer Frage der individuellen Entscheidung.
Wichtige Rolle im sozialen Bereich
Damit verbunden ist die Folge, dass Religion in der Öffentlichkeit immer weniger vorkommt. Es entstehe eine Schweigespirale, die dazu führe, dass auch diejenigen, die sich für Gott und den Glauben interessieren, aus Angst, sich lächerlich zu machen, in der Öffentlichkeit darüber nicht reden. Allerdings spielten Religion und Kirche für viele Menschen heute nach wie vor aber im sozialen Bereich eine wichtige Rolle.
Von Matthias Holluba