Notfallseelsorge
In den Einsatzplan integriert
Seit einem Jahr ist Pastoralreferentin Manuela Kutschke die Diözesanbeauftragte für die Notfallseelsorge im Bistum Hildesheim. Gleichzeitig ist sie auch zuständig für die Feuerwehr- und Notfallseelsorge in der Stadt Hannover.
Was sind die Aufgaben der Diözesanbeauftragten für die Notfallseelsorge? Was war von besonderer Bedeutung im ersten Jahr?
Im Februar 2020 startete ich meine neue Aufgabe als Koordinatorin der Notfall- und Feuerwehrseelsorge in Hannover und Diözesanbeauftragte der Notfallseelsorge (NFS) für unser Bistum. Mein erster Schritt war die fachliche Fortbildung und Einarbeitung ins Thema in ökumenischer Zusammenarbeit mit meinem evangelischen Kollegen Pastor Stalmann in Hannover.
Bekannt und präsent zu sein ist in der Notfallseelsorge außerordentlich wichtig, um vertrauensvoll auf unterschiedlichen Ebenen zusammenarbeiten zu können. Hospitationen im Rettungsdienst der Berufsfeuerwehr Hannover, Rufbereitschaften, Kennenlernen des ehrenamtlichen Teams, vernetzende Gespräche zum Beispiel waren deshalb unerlässlich, um in der Stadt Hannover im Notfall unterstützen zu können.
Die Coronapandemie hat diesen Prozess erschwert, aber inzwischen ist die Zusammenarbeit eingespielt und effektiv.
Auf der Ebene des Bistums stehen aktuell Kontakte in die Dekanate und Landkreise an. Die katholische Mitarbeit in der Notfallseelsorge ist vor Ort stark zurückgegangen. Aber gerade in der unmittelbaren Hilfe und der persönlichen Seelsorge in Notfällen wird Kirche als kompetenter und verlässlicher Partner wahrgenommen. Hier wünsche ich mir mehr Sichtbarkeit und Engagement. Lokale Kirchenentwicklung eröffnet hier viele Möglichkeiten.
Im Januar gab es einen Großeinsatz der Rettungskräfte bei einer Bombensprengung in Göttingen. Welche Aufgaben hatte dabei die Notfallseelsorge?
Die NFS-Szene vor Ort ist sehr gut aufgestellt und organisiert gewesen. Mein Kollege Torsten Thiel war in seiner Funktion als Polizeiseelsorger in die Vernetzung gut integriert und hielt mich schon Wochen vorher auf dem Laufenden. Im Falle eines ähnlich schrecklichen Unglücks wie 2010, bei dem Mitarbeiter des Kampfmittelräumdienstes ums Leben kamen, hätte ich mich um weitere Unterstützungssysteme bemühen können.
Gleichzeitig agiere ich für die Öffentlichkeitsarbeit an der Schnittstelle relevantes Ereignis vs. Bistum. Es besteht für diese Ereignisse ein Strategieplan, der die Verantwortlichen in Hildesheim zuverlässig miteinander verbindet.
Wie wird Notfallseelsorge bei Einsatzkräften und bei Betroffenen wahrgenommen?
Der „Dreisatz“ lautet: „Stabilisieren – Orientieren – Ressourcen aktivieren!“ und somit liegt im Entlasten der Beteiligten und Entdramatisieren des Geschehenen die Hauptaufgabe der NFS. Unsere unvoreingenommene, neutrale, zugewandte Präsenz ist im Umgang mit den Betroffenen eine große Hilfe, um sich dem Schrecken des Erlebten zu stellen. Wir bauen durch unsere Intervention eine Brücke, wieder im eigenen Handlungsspielraum anzukommen. Dabei entlasten wir gleichzeitig die Einsatzkräfte vor Ort, die ihrer originären Aufgabe nachkommen können. Zu einem späteren Zeitpunkt und vor allem nach sehr belastenden Ereignissen, begleiten wir bei Bedarf auch die Nachsorge der Einsatzkräfte, bieten Möglichkeiten der persönlichen Verarbeitung und präventiv Methoden der Selbstfürsorge an.
Abseits spektakulärer Einsätze: Wie sieht der alltägliche Dienst einer Notfallseelsorgerin aus?
Unser Dienst in der Notfallseelsorge ist nach außen hin zu circa 80 Prozent nicht „spektakulär“, für die Betroffenen natürlich immer! Die drei häufigsten Einsatzindikationen sind Betreuung von Angehörigen nach einem plötzlichen Todesfall, das Überbringen einer Todesnachricht und Betreuung nach Suizid oder Suizidandrohung. Meist spielt sich unsere Unterstützung innerhäuslich ab. Und am allermeisten sind wir zwar rufbereit, werden aber nicht gerufen. Im Einsatzgeschehen selbst heißt es, sich gut mit den bereits beteiligten Systemen von Rettungsdienst/Notarzt, Feuerwehr und/oder Polizei auszutauschen, um sich hilfreich zu integrieren und den Betroffenen einordnende, orientierende Informationen geben zu können. Im weiteren Verlauf sind Ruhe, Geduld und fokussierte Präsenz erforderlich, um die nächsten angemessenen Schritte miteinander zu finden. Der NFS-Einsatz liegt ausschließlich in der Akutintervention. Es schließt sich keine mittelfristige Begleitung an.
Im Bereich des Bistums Hildesheim befinden sich mehr als 20 Rettungs-Leitstellen, die die Einsätze koordinieren. Wie ist die Notfallseelsorge eingebunden?
In den meisten Alarmierungsplänen der Einsatzleitstellen unseres Bistums ist die ökumenische NFS eingebunden. Rufbereitschaften sind in den Teams verschiedentlich verteilt, es gibt wochen- und tageweise Dienstmodelle, die versuchen 24/7 an allen Tagen des Jahres erreichbar zu sein.
Wie können sich Interessierte engagieren?
Mit zunehmender Übersicht habe ich den Eindruck, dass die Notfallseelsorge ein einladendes Feld ist, in dem sich Menschen aus sehr unterschiedlichen Arbeits- und Lebenskontexten einbringen können. Interessierte sollten mit den örtlichen Zuständigen oder mir Kontakt aufnehmen. Ein erstes Gespräch prüft miteinander, ob die Grundvoraussetzungen einer Mitarbeit gegeben sind. Je nach Vorbildung sind fachliche Schulungen nötig, um dann in die Teams aufgenommen zu werden.
Was müssen Interessierte mitbringen? Welche Unterstützung erhalten sie?
Für die konkrete fachliche Zurüstung stehen unterschiedliche Module bereit. Es hängt davon ab, mit welchen Vorerfahrungen die- und derjenige zu uns kommt. Vor Ort wird es in der Anfangszeit eine erfahrene Begleitung geben, um Fragen zum eigenen Handeln sowie Einsatzerlebnisse zu besprechen und aufzuarbeiten.
Fragen: Edmund Deppe
Kontakt: manuela.kutschke@bistum-hildesheim.net