Tagung zum 150. Geburtstag von Bischof Christian Schreiber
Der moderne Bischof
Eine Postkarte aus New York, unterschrieben mit „Christian, Bischof von Meißen“ vom 22. März 1928. Foto: Zusammenstellung von Katholischer Akademie Berlin |
Christian Schreiber (1872 – 1933) war der erste Bischof des wiedererrichteten Bistums Meißen, das später in Dresden-Meißen umbenannt wurde. Ab 1929 war er bis zu seinem Tod erster Bischof des neu gegründeten Bistums Berlin. Er galt in seiner Zeit als talentierter Theologe und Wissenschaftler, lehrte bereits mit 27 Jahren als Professor am Priesterseminar in Fulda.
So steht es auf einer Tafel neben der neu geweihten Christian-Schreiber-Stube im Bildungsgut Schmochtitz Sankt Benno. Am 1. September, Schreibers Todestag, weihte Bischof Heinrich Timmerevers – Schreibers neunter Nachfolger im neuen Bistum Dresden-Meißen – den Raum im Andenken an ihn.
Denn Schreiber hat seine Spuren hinterlassen in den beiden Bistümern, die ihm anbefohlen waren. So zeigte es die Tagung anlässlich seines 150. Geburtstages in Schmochtitz. Schreiber war aber auch auf der Höhe seiner Zeit und erkannte Möglichkeiten, von denen heutige Katholiken lernen können. Der ehemalige Reichskanzler Wilhelm Marx attestierte ihm einen „Scharfblick für die Bedürfnisse der Zeit“.
Die Parallelen zum Heute sind vielleicht stärker als man es noch vor Kurzem gedacht hätte: Das Kriegsende und die Revolution 1918 stellten „einen Zeitenumbruch“ dar, so formulierte es Sönke Friedrich vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde. Die ökonomische Krise mit Inflation, Armut und schließlich politischer Gewalt führten zu Instabilität und einem ständigen Spannungszustand in der Gesellschaft. Sachsen, so zeigte es Friedrich, war besonders gespalten und zudem hatten es Katholiken in der Diaspora schwerer als im Rest des Landes. Auch unterlagen die Kirchen schon Anfang der 1920er einem anhaltenden Säkularisierungstrend.
Bild: Bistum Dresden-Meißen |
Zeitung und neue Kirchen stiften katholische Identität in Diaspora
Christian Schreiber trat in Sachsen außerdem das Erbe zweier Bistumsteile an, nämlich des Apostolischen Vikariats der Sächsischen Erblande und der Apostolischen Administratur der Oberlausitz. Allein die Organisation der Verwaltung der zwei Bistums- teile zusammenzuführen, kostete Schreiber einiges an Kraft und Überzeugungsarbeit, betonte Birgit Mitzscherlich vom Bistumsarchiv in Bautzen. Schreiber modernisierte dabei bestehende traditionelle Verwaltungsformen und passte sie dem größer gewordenen Bistum so an, dass noch künftige Bischöfe davon zehren konnten.
Christian Schreiber nutzte dafür auch – und da entsteht die zweite Parallele in die heutige Zeit – neue Medien und moderne Kunst. So führte er 1927 das „St. Benno Blatt“ ein – „Das katholische Sonntagsblatt für das Bistum Meißen“, um für die Katholiken im zweigeteilten Bistum eine gemeinsame Identität zu stiften.
Er war der erste „Radiobischof“, der selbst Radioansprachen hielt, und positionierte sich in der Weltwirtschaftskrise gerne vor Berliner Suppenküchen in katholischen Gemeinden – für Zeitungsfotografen. In seinem Vortrag „Ein moderner Bischof – Christian Schreiber und die zeitgenössische Kunst und Architektur“ zeigte Konstantin Manthey von der Katholischen Akademie Berlin, dass auch Kirchenneubauten ein großes Anliegen Schreibers waren, um katholische Identität in der Diaspora zu stiften.
In seiner Meißener Zeit setzte er sich beispielsweise besonders für den Bau der Leipziger St. Bonifatius Kirche ein, die im Stil des Art déco 1929 und 1930 gebaut wurde. Sie wurde finanziert vom Katholischen Kaufmännischen Verein als Gedächtniskirche für die 1500 katholischen deutschen Kaufleute, die im Ersten Weltkrieg gefallen waren. Der Bau gilt als einer der wichtigsten katholischen Kirchenbauten in Deutschland zwischen den Weltkriegen und zeigt, dass Schreiber nicht vor moderner Architektur und Kunst zurückschreckte, wie andere Amtskollegen.
Vielmehr, berichtete Manthey, unterstützte er Künstler mit Aufträgen, die von der Wirtschaftskrise stark betroffen waren. Er pflegte Kontakte zum „Kreis katholischer Künstler“ (KKK) und nahm moderne Einflüsse des Bauhauses auf.
Auch der Umbau von St. Hedwig zur Kathedrale erfolgte in seiner Amtszeit. Nicht nur brauchte das neue Bistum Berlin eine Kathedrale und einen Bischofsitz. Schreiber hatte auch verstanden, welche symbolische Wirkung davon ausging, wenn Katholiken auf der Straße Unter den Linden zu St. Hedwig prozessierten. Zudem schaffte es der Berliner Bischof, dass der preußische Staat „nahezu alle Umbaukosten“ von St. Hedwig übernahm, führte Manthey auf.
Bischof Timmerevers und Altbischof Reinelt bei der Einweihung der Christian Schreiber-Stube in Schmochtitz. Foto: Ruth Weinhold-Heße |
Schreiber sieht Nöte der Zeit während der Wirtschaftskrise
Einen sparsamen Umgang mit den Geldern der Katholiken und sogleich eine eigene Freigiebigkeit bescheinigte Bistumsarchivarin Mitzscherlich Christian Schreiber. So gab es größere Zuwendungen für caritative Zwecke ohne Quittungen – wohl aus Schreibers Privatvermögen. Ebenfalls zahlte er an Weihnachten 1932, kurz vor seinem Tod, kinderreichen Familien 1 000 Reichsmark und finanzierte Arbeitslosen Exerzitien. Ungewöhnlich waren seine Wege, Theologie-Studenten im Bistum Dresden-Meißen finanziell zu helfen: 1927 trat er eine sechsmonatige „Bettelreise“ nach Amerika dazu an.
Bei alledem – so fasste es auch sein Nachfolger Heinrich Timmerevers bei einer feierlichen heiligen Messe zusammen – verwarf Schreiber niemals sein Katholisch-Sein. Vielmehr stieg Schreiber in das „Denken und Empfinden seiner Zeit ein“, war aber gleichzeitig „standhaft in seinem Glauben“, so der Bischof. Das widerspreche sich nicht. Und Timmerevers rief dazu auf, wie Christian Schreiber den Mut zu haben, Neues zu wagen – auch in schwierigen Zeiten – und dabei eng mit Christus verbunden zu sein.
Von Ruth Weinhold-Heße