Magdeburger Bistumswallfahrt 2022 zur Huysburg

„Die Sehnsucht ernst nehmen“

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„Beheimatet“ stand über der diesjährigen Bistumswallfahrt zur Huysburg. Die rund 2000 Teilnehmer waren eingeladen, im Gottesdienst und im Gespräch über diesen wichtigen Aspekt des Menschseins nachzudenken.

Susanne Wienholt-Kall von der Kommission Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung des Bistums, Schülerin Anna, Umweltbeauftragter Wendelin Bücking und Schülerin Ruth (beide Mädchen aus Quedlinburg) beim Erstellen des persönlichen ökologischen Fußabdrucks. Vorn im Blick farbige Fußsohlen mit zahlreichen Fragen.    Fotos: Eckhard Pohl

 

„Uns hat der Tag gut gefallen. Die Wallfahrt in der gegenwärtigen Zeit unter das Thema ,beheimatet‘ zu stellen, finden wir sehr passend“, stellten Margrit und Markus Müller fest. Die Familie war mit Sohn Konstantin aus Bad Lauchstädt auf die Huysburg gekommen. Gut fanden die Müllers nicht nur den Gottesdienst mit Bischof Gerhard Feige, sondern auch die Möglichkeit, danach an Gesprächsinseln aus unterschiedlicher Perspektive zwanglos über das Wallfahrtsthema nachzudenken.
Zunächst griff Bischof Gerhard Feige das Thema in seiner Predigt auf: „Heimat ist ein Sehnsuchtsort, dem wir uns emotional zugehörig fühlen, ein Ort, wo wir aufgewachsen sind oder später Wurzeln geschlagen haben, mit dem wir besondere Umstände und Erlebnisse verbinden.“ Daneben gebe es auch so etwas wie eine „,geistige Heimat‘, die man bei Menschen findet, die ähnlich denken oder gleiche Werte vertreten wie man selbst. Insofern können auch Kirchen und christliche Gemeinden Menschen, die unterwegs sind, vertraute Anknüpfungspunkte bieten. Oder sie können Flüchtlingen und Vertriebenen – wie bei uns nach dem Zweiten Weltkrieg oder auch jetzt – zu einer neuen Heimat werden.“

Margrit und Markus Müller und Sohn Konstantin aus Bad Lauchstädt mit ihren Reagenzgläsern zum Thema „beheimatet“.

Wichtigstes Bedürfnis der Seele
Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen, würden sich „oft völlig entwurzelt“ vorkommen, so Feige. Dabei sei „Verwurzelung“, wie es die Philosophin Simone Weil beschreibt, „wohl das wichtigste und am meisten verkannte Bedürfnis der menschlichen Seele“. Derzeit gebe es etliche Entwicklungen, „die verunsichern und als bedrohlich wahrgenommen werden“. Dazu gehörten nicht nur Kriege und Umweltkatastrophen, sondern auch „Globalisierung und Digitalisierung“. Feige: „Einige Gruppen nutzen solche Verunsicherungen, indem sie den Begriff der Heimat fremdenfeindlich instrumentalisieren und politisch missbrauchen.“
Wie seine Jünger fordere Jesus „uns auf, sich auf den Weg zu machen und zu erfahren, ob wir bei ihm finden, was wir suchen“, so der Bischof. Auch bei der Wallfahrt gehe es darum, „dem zu begegnen, bei dem wir bleiben und Wurzeln schlagen können“. Zugleich müsse aber bewusst bleiben, worauf Paulus im Philipper-Brief hinweist: „Unsere Heimat ist im Himmel.“ Feige: Damit hätten Christen „eine Perspektive, die auch dann noch trägt, wenn wir alles loslassen müssen, was uns bislang vertraut war und Halt und Geborgenheit gegeben hat“. Deshalb könnten Christen die Sehnsucht nach Heimat bei sich selbst und anderen „zutiefst ernst nehmen“, Hoffnung anbieten und sich entsprechend engagieren. „Heimat“, so habe es der frühere Caritas-Mann Georg Cremer formuliert, „schafft, wer im Kleinen dazu beiträgt, dass Menschen sich mit Offenheit, Vertrauen und Respekt begegnen“.

25 Lichter verbunden mit der Bitte um Frieden erinnerten beim Wallfahrtsgottesdienst an bewaffnete Konflikte und Kriege wie in der Ukraine. Die große Kerze stand für den Frieden im Alltag.


Viele Menschen weltweit, darunter in der Ukraine, leben im Krieg, verlieren ihre Heimat. In der Wallfahrtsmesse wurde darauf zum Friedensgruß hingewiesen: Erwachsene und Kinder stellten mit der Bitte um Frieden 25 Kerzen auf Landkarten mitten auf der Wallfahrtswiese auf.
Was ist, was gibt mir Heimat? Dieser Frage wurde nach der Mittagspause an acht Gesprächsinseln nachgegangen. Familie Müller hatte sich den Stand des Katholikenrates „beheimatet ... im Alltag“ ausgesucht. Hier konnte man sich feine Körner in sechs Farben in ein Reagenzglas füllen und darüber ins Gespräch kommen, in welchem Bereich man sich mehr oder weniger beheimatet fühlt: bei Gott, im Glauben/in der Kirche, in der Gemeinde/Pfarrei, in der Natur, im Verein, in der Familie/bei Freunden.
Um die Zerbrechlichkeit der Schöpfung ging es am Zelt „beheimatet ... in der Schöpfung“. Die Schülerinnen Anna und Ruth aus Quedlinburg etwa erarbeiteten sich hier mittels vieler Fragen auf farbig gestalteten Fußsohlen Erkenntnisse über ihren ökologischen Fußabdruck. Dieser gibt Auskunft, wieviel biologisch produktive Fläche die einzelne Person benötigt, um ihren Lebensstandard zu sichern. „Entscheidend dabei“, so Bernadette Albrecht von Misereor Berlin, „ist: Wie kann ich diesen Abdruck verkleinern, damit die Belastung für unseren Heimatplaneten geringer wird und mehr Klimagerechtigkeit zwischen Arm und Reich und den Generationen entsteht.“

Bischof Gerhard Feige sprach mit Migrationsberatern der Caritas und weiteren Hauptamtlichen über den Heimatbegriff.

Vielfältiges Verständnis von Heimat
Bischof Feige besuchte den Stand „beheimatet … Ankommen erleichtern“ und sprach mit Caritas-Flüchtlingsberatern und weiteren Hauptamtlichen. Dabei wurde deutlich, wie vielfältig die Aspekte rund um das Thema Heimat sind, bis hin zu Essgewohnheiten. Die Caritas konnte an ihrem Stand auch Spenden entgegennehmen.
Heimat in vertrauten Gebetstexten der Liturgie zu finden, darum ging es im Zelt der Benediktiner „beheimatet … im Glauben“. Santiago de Compostela-Pilger luden zum Gespräch „beheimatet … im Himmel – Der Mensch ist Suchender ein Leben lang“ ein. „beheimatet … im Geist Gottes“ hieß es bei der Gemeinschaft der Charismatischen Erneuerung.
An der Gesprächsinsel „beheimatet … in der Kirche. Gehen oder Bleiben“ konnten Interessierte mit Mitarbeitern der Fachakademie für Gemeindepastoral sprechen. Während etliche Interessierte trotz aller Fragen weiter mit der Kirche leben wollen, gebe es auch engagierte Christen, die einen Austritt erwägen, sagte Referentin Heidi Klimmasch. Um Leitungsteams als ein Weg des Bistums, weiter Möglichkeiten für den gemeinsamen Glauben vorzuhalten, ging es am Zelt „beheimatet … in der Pfarrei“.  Am Stand „Wir sind Familie – spielend unterwegs“ gab es Informationen zum Familienweg (www.familienweg.de).
Familie Müller bot der Tag neben all den Angeboten nicht zuletzt Gelegenheit, alten Bekannten zu begegnen und Gemeinschaft zu erfahren. Dies machte sie froh, dabei gewesen zu sein. Und das dürften wohl zahlreiche Wallfahrer empfunden haben.

Von Eckhard Pohl