Interview mit Wolfgang Meurer über Wort-Gottes-Feiern

„Die Wort-Gottes-Feier ist keine Antwort auf den Priestermangel“

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Frauengottesdienst im Frankfurter Dom
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kna/Harald Oppitz

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Frauengottesdienst im Frankfurter Dom im Rahmen einer Wort-Gottes-Feier

Wolfgang Meurer
Wolfgang Meurer, Foto: privat

Wolfgang Meurer hat in seinem Ruhestand an der Universität Bonn eine Dissertation über die Wort-Gottes-Feier geschrieben. Sein Anliegen: die Feier stärken – aber nicht als kleine Sonntagsmesse.

 

Herr Meurer, warum haben Sie sich so intensiv mit der Wort-Gottes-Feier beschäftigt?
Beruflich war ich im Bistum Aachen eine Zeit lang im Liturgiereferat, habe unzählige Kurse für Leiterinnen und Leiter von Wort-Gottes-Feiern abgehalten, Arbeitshilfen erstellt und war dann viele Jahre verantwortlich für die Ausbildung der Laien im pastoralen Dienst – und habe immer wieder gemerkt, dass es Unzufriedenheiten gibt und Klärungsbedarf.

Welche Art Unzufriedenheit?
Es war und ist vieles einfach ungeregelt. Von Bistum zu Bistum, aber auch von Pfarrer zu Pfarrer läuft es unterschiedlich. Was bei dem einen geht, geht bei dem anderen nicht. Die Kommunionspendung zum Beispiel. Da werden viele Engagierte auch verprellt. Aber diese Konflikte sind nicht lösbar, wenn man nicht mal gründlich darauf schaut: Was ist mit Wort-Gottes-Feier gemeint? Wie ist sie ursprünglich gedacht? Wozu braucht man sie? Wo liegen ihre Chancen und wo nicht?

Dann blicken wir mal zurück zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Dort wurden sie eingeführt.
Eher wiedereingeführt, denn es gab sie schon früher. Aber im Laufe der Zeit gingen sie in der Praxis verloren. Übrig blieben noch Andachten, aber die galten eben nicht als Liturgie, sondern nur als „fromme Übungen“.

Wie kam es zu dieser Wiederentdeckung?
Einerseits war es ein persönliches Anliegen von Papst Johannes XXIII., die Wortverkündigung zu stärken: theologisch klarzumachen, dass Christus nicht nur in Brot und Wein gegenwärtig ist, sondern auch in seinem Wort, wie es dann in Artikel 7 der Liturgiekonstitution heißt. Gleichzeitig kam das Anliegen aber auch aus den Missionsgebieten, wo es damals schon Priestermangel gab: klarzumachen, dass Wortgottesdienste, die von Laien geleitet werden, auch kirchliche Liturgie sind, auch heilige Feier der Kirche, nicht nur fromme Übung von Einzelnen. 

War damals auch die Kommunionspendung schon im Blick?
Nein, überhaupt nicht. Das Konzil wollte zusätzliche Gottesdienste fördern, in denen das Wort Gottes im Mittelpunkt steht, und sprach von der „sacra verbi Dei celebratio“, der „heiligen Feier des Wortes Gottes“ – schlecht übersetzt mit „Wortgottesdienst“. Gerade für besondere Zeiten oder auch am Vorabend von Feiertagen sollten diese Feiern ein neues und ergänzendes Angebot sein. Es gab damals ja noch keine Vorabendmessen und die Gestaltungsmöglichkeiten bei Messen waren sehr eingeschränkt.

Wie wurde diese Neuerung angenommen?
Zunächst gut. Zum Beispiel gab es 1964 einen Deutschen Liturgischen Kongress und einen Katholikentag. Und beides wurde durch eine Wort-Gottes-Feier unter bischöflicher Leitung eröffnet. Allerdings entwickelte sich relativ bald alles in eine andere Richtung. 

Wie meinen Sie das?
Das Konzil hatte zusätzliche Feiern an Werktagen, Vorabenden und Sonntagen gewünscht und nur für den Notfall, wenn Priester fehlen, sollte eine Wort-Gottes-Feier an die Stelle der Sonntagsmesse rücken. Spätestens nach der Würzburger Synode wurde der Notfall aber zum Regelfall. Auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gab es die Stationsgottesdienste mit Kommunionspendung. Im Gotteslob von 1975 stand ausdrücklich eine Kommunionfeier für den Fall, dass keine Eucharistie gefeiert werden kann. Diese Kommunionfeier war vom Ablauf her praktisch wie eine Messe ohne Wandlung. Und so ist es jetzt in vielen Köpfen verankert: die Wort-Gottes-Feier als Ersatz für die Messe.

Und das sehen Sie kritisch?
Ja, schon deshalb, weil man die Messe nicht ersetzen kann.

Was wäre denn die Alternative?
Da muss man unterscheiden, ob die Feier tatsächlich ein sonntäglicher Hauptgottesdienst ist oder ob es um zusätzliche Angebote geht.

Bleiben wir erst mal beim sonntäglichen Hauptgottesdienst, der es ja zunehmend ist.
Grundsätzlich finde ich es wichtig, dass es eine Möglichkeit gibt, als Gemeinde den Sonntag zu heiligen. Aber eine Wort-Gottes-Feier sollte erkennbar anders gestaltet sein als die Messfeier. Diesem Anliegen entspricht das Feierbuch der deutschsprachigen Schweiz für die Wort-Gottes-Feier am Sonntag von 2014. Dieses Modell ist wirklich als ganz eigene Feierform erkennbar und orientiert sich nicht am Wortgottesdienst der Messfeier.

Nennen Sie mal ein paar Unterschiede?
Zunächst natürlich, größeres Gewicht auf die Lesungen zu legen: drei Lesungen vorzutragen, die Langfassungen der Evangelien zu nehmen oder auch den weiteren Kontext miteinzubeziehen. Im Schweizer Buch betont schon die Eröffnung die Gegenwart Gottes im Wort und auf die Verkündigung folgt in einem zweiten Hauptteil die „Antwort auf das Wort“ mit einer Zeichenhandlung, etwa Prozession, Taufgedächtnis oder Segnung und mit einem Lobpreisgebet oder einer Litanei.

Und die Kommunionspendung?
Ich weiß, dass die Kommunion vielen wichtig ist, gerade am Sonntag, und auch, dass gesagt wird: „Ohne Kommunion kommen die Leute nicht!“ Aber erstens ist der Sonntag nicht allein durch die Eucharistie definiert und zweitens darf der Eigenwert der Wort-Gottes-Feier nicht dadurch abgewertet werden. Und selbst wenn sie ausgeteilt wird, muss man einen Unterschied zur Messe merken. Zum Beispiel gibt es die Idee, die Kommunion nicht aus dem Tabernakel zu holen, sondern sie aus einer Nachbarkirche mit Eucharistiefeier bringen zu lassen. 

Der zweite Punkt waren die Feiern als Zusatzangebote, also so, wie es vom Konzil ursprünglich gemeint war.
Da gibt es sehr viele Möglichkeiten, die ja auch teilweise schon genutzt werden, zum Beispiel bei öffentlichen Anlässen, die ja oft auch ökumenisch gestaltet werden. Aber auch in den Gemeinden vor Ort gibt es solche Anlässe und solche Feiern. Zum Beispiel besondere Gottesdienste in der Advents- und Fastenzeit. Oder zum Valentinstag, zum Erntedankfest, zur Einschulung. Da bieten Wort-Gottes-Feiern viele Chancen auch für die Menschen, denen die Eucharistiefeier fremd geworden und eigentlich zu viel ist.

Man hat ja auch viel größere Gestaltungsmöglichkeiten.
Eben. Man könnte zum Beispiel an Feiern mit einem musikalischen Schwerpunkt denken. An thematische Schwerpunkte, etwa Friedensgottesdienste. Zudem könnten die Mitfeiernden – Jugendliche, Frauen, Familien mit Kindern – viel intensiver einbezogen werden und so wirklich „voll und tätig“ am Gottesdienst teilnehmen, wie das Konzil es gesagt hat. Aus meiner Sicht ist die Wort-Gottes-Feier deshalb kein Notnagel und schon gar keine Antwort auf den Priestermangel, sondern vielmehr eine wichtige Chance für eine heutige missionarische Kirche.

Zur Sache: Das Konzil schreibt:

Im Abschnitt 35,4 sagt die Liturgiekonstitution „Sacrosanctum concilium“ des Zweiten Vatikanischen Konzils:

„Zu fördern sind eigene Wortgottesdienste („sacra verbi Dei celebratio“) an den Vor-
abenden der höheren Festen, an Wochentagen im Advent oder in der Quadragesima (Fastenzeit) sowie an den Sonn- und Feiertagen, besonders da, wo kein Priester zur Verfügung steht. In diesem Fall soll ein Diakon oder ein anderer Beauftragter des Bischofs die Feier leiten.“ 

Susanne Haverkamp