Verdrängt das Lichterfest Sankt Martin?
Ein Superheld der Solidarität
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Lange haben sich die Kinder in der katholischen Kita St. Michael in Weil am Rhein mit dem heiligen Martin beschäftigt. Die kleinsten haben in Bilderbüchern mit Textilien den Stoff des samtigen Offiziersmantels ertastet und auf der nächsten Seite die rauen Kleiderfetzen des Bettlers gefühlt. Die größeren haben Laternen gebastelt. Alle zusammen haben sie Lieder geübt: „Sankt Martin, Sankt Martin“ und „Ein armer Mann, ein armer Mann, der klopft an viele Türen an“.
Mit den Liedern und den Lichtern ziehen sie am Sankt Martinstag durch die Straßen. Eltern, Geschwister und Omas kommen mit. Auf dem Kirchhof am Feuer führen sie das Martinsspiel auf.
Gab es mal Überlegungen, statt Sankt Martin ein Lichterfest zu feiern? „Bisher war das bei uns überhaupt noch nie eine Frage“, sagt Kita-Leiterin Sabine Kolibaba. Zweifel, ob das religiöse Fest noch zeitgemäß ist, hat sie von Eltern noch nicht gehört. Ganz im Gegenteil. „Wir finden die christliche Kultur mit ihren Festen sehr wertvoll und integrieren sie bewusst“, sagt sie. „Da gibt es auch keine Überlegung, ein Fest anders zu benennen.“
Werte, die Familien wichtig sind
Eva-Maria Ertl ist Referentin für pastorale Begleitung von Kindertageseinrichtungen der Erzdiözese Freiburg. Sie sagt, sie habe „nicht den Eindruck, dass in unseren katholischen Kitas Lichterfeste Sankt Martin verdrängen“. Eher erlebe sie, „dass die Kitas sehr viel Wert auf ihr katholisches Profil legen. Und dass das auch den Eltern wichtig ist“.
Ähnlich scheint es in den allermeisten katholischen Kitas in Deutschland zu sein. Bei der Recherche fand sich keine Einrichtung, die sich entschieden hat, statt Sankt Martin ein Lichterfest zu feiern. Auch manche nichtkonfessionellen Kitas feiern Sankt Martin, obwohl die Träger sich dazu nicht verpflichtet haben. Andere aber wählen ein Lichterfest oder Sonne-Mond-und-Sterne-Fest, um religiös neutral zu sein, so viele Kinder wie möglich zu erreichen und nichtchristlichen Kindern eine christliche Tradition nicht aufzudrängen. Oft sorgte das für Schlagzeilen.
Auch in katholischen Kitas ist der Anteil katholischer Kinder oft gering, in Metropolen wie Berlin oder Hamburg, aber auch in kleineren Orten. Kita-Leiterin Kolibaba berichtet, dass in St. Michael in Weil am Rhein nur jedes fünfte Kind katholisch ist. Ein Drittel der Kinder gehört keiner Religionsgemeinschaft an. Über ein Viertel der Kinder ist muslimisch.
Wie kommt es dann, dass dort selbstverständlich mit allen Kindern Sankt Martin gefeiert wird? „Bei Sankt Martin geht es um Werte, die den Familien wichtig sind, ob sie religiös sind oder nicht“, sagt Ertl. Eltern wollten nicht, dass wir „irgendwas feiern, sondern dass ein Fest mit dem Leben zu tun hat“. Dazu gehört Solidarität mit dem Nächsten. Und dafür könne der heilige Martin ein Vorbild sein, sagt Ertl.
Bei Sankt Martin, sagt Kita-Leiterin Kolibaba, könnten die Kinder zudem „lernen, dass es nicht nur Superhelden gibt, sondern auch Menschen, die gelebt haben und eine Geschichte haben“. Da entstehe eine ganz andere emotionale Beziehung für die Kinder.
Die Eltern wüssten, „dass wir ein katholischer Kindergarten mit einem religionspädagogischen Konzept sind und dass wir die Feste des Kirchenjahres feiern“, sagt Kolibaba. Manche sagten bei der Anmeldung, dass sie nicht wollen, dass der Kindergarten ihre Kinder missioniert. Es sei klar, dass sie das nicht tun, sagt Kolibaba. Ertl erklärt, in einer katholischen Einrichtung gehe es darum zu zeigen, „wie wir feiern: Bei uns ist es so und in eurer Familie ist es vielleicht anders“.
Unterstützung für die Erzieherinnen
Ob eine Kita Sankt Martin feiert, hängt auch davon ab, wie gut Erzieherinnen und Erzieher mit dem Fest vertraut sind. Die Zahl der Fachkräfte mit enger kirchlicher Bindung nimmt ab. So komme es darauf an, „die Fachkräfte bei religiösen Themen sprachfähig zu machen und sie zu unterstützen“, erklärt Ertl.
Für die katholischen Kitas im Erzbistum Freiburg gibt es dafür pastorale Ansprechpersonen in den Kirchengemeinden und verpflichtende religionspädagogische Fortbildungen. „In den kommunalen Einrichtungen kann es schwieriger sein, ein christliches Fest wie Sankt Martin zu feiern“, sagt Ertl. Ein Lichterfest ist dann womöglich einfacher. Als katholische Kita, findet sie, „sollte man das Eigene feiern und hochhalten, aber auch respektieren, dass es andere gibt, die es anders halten“.