Jahresserie 2022: Einfach mal die Welt retten

Ein unsichtbarer Schatz: Grundwasser

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Mit dem Klimawandel ist es auch hierzulande zur Frage geworden, wie wir mit dem „kostbaren Nass“ umgehen. Wie viel Wasser verbrauchen wir pro Kopf? Wie sieht es mit den Reserven beim Grundwasser aus? Von Evelyn Schwab



„Kostbares Nass“: So wird das Wasser – ob Tautropfen oder Grauwasser – aus guten Gründen genannt.


Ein Regentag im Frühling. Tropfen fallen vom Himmel. Im Schnitt mit einer Geschwindigkeit von fünf Metern pro Sekunde. Bis sie im eigenen Garten ankommen aus zwei Kilometern Höhe, dauert es einige Minuten. An diesem verregneten Tag gelangt Wasser auf den Gartenboden, das zuvor aus Meeren, Flüssen, Seen, Teichen oder Tümpeln verdunstete, in Wolken durch den Wind weitergeleitet wurde und sich auf der Erde wieder sammelt. Der Motor für diesen Kreislauf ist die Sonne. Ihre Wärme sorgt erneut für ein Verdunsten.
Etwas von diesem Regenwasser versickert auch im Boden und gelangt ins Grundwasser. Kleine und große Hohlräume unter der Erde halten es wie in einem Schwamm  fest.  Ebenso  kommt Wasser  aus  Bächen,  Flüssen  oder  Seen  durch  Spalten in den Untergrund. Das für uns unsichtbare Grundwasser ist ebenfalls wichtiger Bestandteil des Wasserkreislaufs. Und aus ihm gewinnen wir in Deutschland rund 75 Prozent unseres Trinkwassers.
Wasser ist ein Lieblingsthema von Norbert Prager. Der Biologie- und Physiklehrer, Jahrgang 1954, war bis zur Rente Umweltbeauftragter der Stadt Wächtersbach. Seit ein paar Jahren engagiert er sich im Ruhestand für Natur und Umwelt. Zum Beispiel auch beim jährlichen Schöpfungstag in Meerholz. Er ist überzeugt, dass viele kleine Schritte einiges erreichen. Für den Wasserschutz könne vor allem in den Privathaushalten etwas getan werden. Prager: „Auch unsere Gärten haben ein riesiges Potential!“
Der März 2022 hatte die Sonne mitgebracht. Wahrscheinlich geht er als viel zu trocken in die Wetterstatistik ein. Das klassische wechselhafte Aprilwetter mit vielen Regenschauern wäre nun für die durstige Natur besonders wichtig. Pflanzen genießen den regelmäßigen Niederschlag. Je besser das Regenwasser in den Gartenboden einsickert, desto eher kann es in unteren Schichten gehalten werden. Kommt Starkregen auf zu trockenen Boden, nimmt der die Feuchtigkeit nicht auf. Wasser, das neues Grundwasser bilden könnte, fließt oberflächlich ab.

Das „lange Gedächtnis“ des Grundwassers

Die Bundesanstalt für Gewässerkunde schätzt das „potentielle Wasserdargebot in Deutschland“ auf 188 Milliarden Kubikmeter. Davon seien etwa 26 Prozent Grundwasser – auch für Industrie und Landwirtschaft ein vielgenutzter Rohstoff. Im feuchten deutschen Klima kommt es in den Wintermonaten meist zu einer Grundwasserzunahme und in den Sommern eher zur Abnahme. Oft ist die Rede vom „langen Gedächtnis“ des Grundwassers. Es hat zwar die Fähigkeit, sich zu erneuern. Ist es aber einmal verschmutzt, kann die Reinigung aufwendig und teuer werden. Menge und Qualität der lebenswichtigen Ressource hängen stark von dem Einfluss des Menschen ab. Wie das Grundwasser heute aussieht, wird zum Beispiel noch durch übermäßige Düngemitteleinträge vor Jahren oder Jahrzehnten beeinträchtigt. Generell ist die Fließgeschwindigkeit von Wasser im Boden sehr langsam.
„Wir müssten alles tun, um dieses kostbare wichtige Lebensmittel zu schonen“, sagt Norbert Prager. „Dabei machen wir gerade das Gegenteil. Gekrönt damit, dass wir unsere Fäkalien mit Trinkwasser wegspülen. Das ist schon ein Affront gegenüber denen, die in anderen Regionen der Erde verdursten.“ Für das Hitzejahr 2018 gab der Bundesverband Energie- und Wasserwirtschaft den Wasserverbrauch der Deutschen mit rund 4,8 Milliarden Kubikmetern an. Pro Kopf und Tag macht das einen Verbrauch von rund 127 Litern. Zum Trinken und Kochen werden täglich nur etwa fünf Liter benötigt. Der Rest geht drauf für Körperpflege, das Waschen von Textilien und Geschirr, das Putzen und – die Toilettenspülung.
Vollständig ist diese Berechnung noch nicht. Weitaus höher als der direkte Wasserverbrauch gestaltet sich der Anteil von sogenanntem  virtuellen  Wasser  für  unsere Einkäufe: In Deutschland im Schnitt 4000 Liter pro Person und Tag! Um die Kaffeebohnen für nur eine Tasse Kaffee zu erzeugen, sind etwa 140 Liter Süßwasser bei Anbau und Gewinnung nötig. Der Baumwollstoff für eine einzige Jeans verbraucht je nach Herkunft 6000 bis 9000 Liter. Einen Spitzenplatz bei den Lebensmitteln nimmt das Rindfleisch ein. Auch da gibt es Berechnungen. Laut dem Bundesverband des gemeinnützig anerkannten Vereins „Die Verbraucher Initiative“ kommt ein Kilo Steak auf etwa 14 000 Liter Wasser.

Norbert Prager hat gute Ideen zum Thema Wasser

Ein kritisches Argument zur Relativierung: Dieses Wasser wird nicht wirklich verbraucht, sondern kommt später zum natürlichen Kreislauf wieder hinzu. Aber mit der Berechnung des „virtuellen Wassers“ lassen sich weltweit Zusammenhänge darstellen. Gerade in Regionen mit geringen Regenmengen könnte zuviel Grundwasser genutzt werden, das dort künftig für das tägliche Leben fehlt. Und wenn verschmutztes Wasser in einigen Ländern nicht gründlich gereinigt werden kann, gefährdet es ebenfalls die dortigen Trinkwasservorkommen.
Zurück vor unsere eigenen Türen. Norbert Prager erzählt von einem Einkaufszentrum mit großer Dachfläche und weiträumigem Parkplatz: „Da wird an Trinkwasser gar nicht viel verbraucht. Die Abwassergebühren sind entsprechend gering.“ Dennoch falle die Wassermenge, die über Dach und versiegelte Fläche an die Kläranlage geschickt werde, riesig aus. Das alles fehle ständig für die Erneuerung von Grundwasser.
Das Regenwasser von seinem eigenen Hausdach schickt Prager nicht an die Kläranlage, sondern lässt es seitlich im Boden versickern: „Da ist es im Grundwasser gut aufgehoben.“ Im Garten der Pragers gibt es durchlässigen Sandboden. Man könne auch einen temporären Teich anlegen, der sich mal mit Wasser fülle und dann wieder trocken liege. Oder das Regenwasser der Dachflächen mit einer Zisterne auffangen. „Seit Jahren gibt es auch die Möglichkeit, das sogenannte Grauwasser für die Toilettenspülung zu nutzen“, sagt Norbert Prager. Wer neu baut, könne die Leitungen gleich so legen, dass dafür das genutzte Wasser aus Dusche und Badewanne in einen Extra-Behälter gehe.

Keine Speisereste in der Toilette entsorgen

Für den Wasserschutz kann man im Privathaushalt einiges tun. Speisereste, Öle oder Fette nicht in der Toilette entsorgen. Alte Medikamente nicht der Klospülung übergeben. Keine aggressiven Reinigungsmittel verwenden. Keinesfalls das Auto auf dem eigenen Grundstück waschen, da Öl- und Benzinreste oder chemische Reiniger mit dem Putzwasser in den Boden gelangen.
Auch im Garten beim Düngen und Unkrautbekämpfen auf Chemie verzichten. In einer Regentonne Gießwasser sammeln. Und den Boden auf dem eigenen Grundstück mit wasserdurchlässigem Material gestalten oder bedecken.
Mit Vertretern örtlicher Kirchengemeinden, der Natur- und Vogelschutzgruppe Meerholz-Hailer und dem Weltladen Gelnhausen-Hailer richtet Prager jährlich in Meerholz die ökumenischen Schöpfungstage aus. Dabei ziehe sich für ihn der Gedanke von dem „kleinen bisschen von mir“ stets durch alle Bereiche: „Der halbe Liter Lösungsmittel, den ich in den Abguss kippe, statt ihn zur Sammlung zu bringen – naja, das ist nur ein bisschen von mir.“ Nähmen sich alle Nachbarn das gleiche Recht heraus, verursachten diese „Kleinigkeiten“ in der Summe eine ganze Menge Schaden. „Wir sind viele“, hält Norbert Prager fest. Als Christ solle man Dinge tun, die gut für die Schöpfung sind – und alles nicht Förderliche lassen.

Von Evelyn Schwab