Erinnerung an Pfarrer Franz Scholz

Eine moralische Instanz

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In der Europastadt Görlitz / Zgorzelec erinnerten deutsche und polnische Christen an Pfarrer Franz Scholz. Er erwarb sich in der Zeit des Zweiten Weltkriegs und danach große Verdienste.

Gemeinsam enthüllen die beiden Bischöfe und die Bürgermeister von Görlitz und Zgorzelec die Gedenktafel für Pfarrer Franz Scholz, am ehemaligen Pfarrhaus  in der Czachowskiego-Strasse 7 in Zgorzelec. | Fotos: Raphael Schmidt
Einige der Beton-Zaunsäulen stehen noch auf dem Gebiet des ehemaligen Gefangenenlagers Stalag VIII A in Zgorzelec, Ortsteil Moys. Dort befindet sich seit einigen Jahren das „Europäische Zentrum Erinnerung, Bildung, Kultur“. In dessen Räumen wurde am 7. August in einer Gedenkfeier an den ehemaligen Pfarrer von St. Bonifatius, Franz Scholz, erinnert.
Noch immer verbindet Stacheldraht die Säulen untereinander. Kriegsgefangene vieler Nationen, unter ihnen Polen, Franzosen, Belgier, Slowaken, Jugoslawen, Sowjets, Italiener, US-Amerikaner und Briten waren dahinter untergebracht. Etwa 10 000 von ihnen starben in Folge von Krankheiten, Hunger, Erschöpfung und unmenschlicher Bedingungen der Zwangsarbeit. Inmitten dieses Elends bewegte sich Pfarrer Franz Scholz. Er zelebrierte heilige Messen, hörte Beichte; er nahm sich des Elends und Leids der Gefangenen an. Mit einigen seiner Aktivitäten riskierte er, selbst in einem Lager zu landen und jung zu sterben. Doch gestorben ist der 1909 in Breslau geborene Franz Scholz erst viele Jahre später nach einem erfüllten Leben im Jahr 1998 in Dieburg bei Darmstadt, als emeritierter, promovierter und habilitierter Professor für Moraltheologie, Prälat und Monsignore.
Prälat Peter C. Birkner

1934 in Breslau zum Priester geweiht, war er von 1940 bis 1945 Kuratus in Görlitz, St. Bonifatius und Seelsorger im Kriegsgefangenenlager. Von 1945 bis 1949 war er  Flüchtlingsseelsorger, von 1946 bis 1949 Caritasdirektor in Cottbus, im westlich der Neiße gelegenen Bistumsteil des Erzbistums Breslau. Seit 1949 lebte er im Westen Deutschlands.
„Wir sind heute an einem denkwürdigen Ort zusammengekommen, um hier einen Mann zu ehren, der in schweren politischen Jahren, in der heutigen Europastadt Görlitz-Zgorzelec, darum bemüht war, Menschen in Not ungeachtet deren Herkunft, Sprache oder Volkszugehörigkeit als Mensch und Priester zur Seite zu stehen“, sagte Prälat Peter C. Birkner zu Beginn seines Vortrages über den Priester Franz Scholz. Prälat Birkner lernte ihn in Königsstein/Taunus flüchtig kennen, als er dort studierte und bei Scholz ministrierte. 1974, achtzehn Jahre später, „zog mich nach einem Gottesdienst in der St. Jakobus-Kirche in Görlitz ein Mann der Gemeinde beiseite, zeigte mir eine Broschüre, und ich las den Titel: ,Scholz Görlitzer Tagebuch 1945/46‘. Im Bewusstsein, hier staatlich verbotene Literatur in der Hand zu haben, war das Interesse am Inhalt dieses Buches umso größer, je mehr ich merkte, dass unser Dozent für Moraltheologie in Königstein der Verfasser war“, sagte Birkner. Dass das Tagebuch von Pfarrer Scholz in der DDR nicht zur Schulliteratur gehörte, zeigt folgender Auszug vom 3. Juni 1945: „Inzwischen konzentrieren sich Plünderungen durch die Soldaten auf die Flüchtlinge  in den Anlagen und auf die Massen, die vor dem Rathaus warten. Die Russen reiten mit Vorliebe schnell durch die Menge und schlagen mit Reitpeitschen. Indes werden unsere Fronleichnamsaltäre um die Kirche herum wie einst aufgebaut. Der schönste, diesmal unter unserem Kreuze, das wir Kreuzerhöhung 1943 zur Sühne für die Frevel Hitlers in Polen errichtet haben...“.
An diesem Kreuz beten die Gäste und weitere Einwohner der Europastadt, die hinzugekommen sind, nach der Feierstunde, bevor sie sich in einer Prozession an die Czachowskiego-Straße 7 begeben, dem früheren Pfarrhaus von St. Bonifatius,. Dort wird eine Gedenktafel für Pfarrer Scholz im Beisein des  Bischofs von Legnica/Liegnitz, Zbigniew Kiernikowski, Bischof Wolfgang Ipolt, den Bürgermeistern der Städte Zgorzelec und Görlitz, die Grußworte sprachen, sowie einigen hundert Priestern und Gläubigen beider Städte enthüllt.

 
Nur wer sich erinnert, kann aktiv werden
„Es ist ein sehr emotionaler Moment und ich bin überrascht und erfreut, dass sich so viele Menschen für meinen Onkel interessieren und gekommen sind“, sagt Neffe Josef Bonifatius
Scholz. Er ist dankbar, dass „so viel über das Erinnern gesprochen wurde – das halte ich für sehr wichtig. Denn nur, wenn ich mich erinnere, kann ich aktiv werden“. Seine Frau Marianna Scholz hat den Onkel ihres Mannes „noch als alten Herrn kennengelernt, kurz vor unserer Hochzeit. Er war so herzlich und ich bin heute noch bewegt von den Begegnungen mit ihm. Einmal hat er mich zu einem Bild geführt, das heißt: Kreuz in der Ostersonne. Indirektes Licht fällt auf das Kreuz und soll Auferstehung symbolisieren. Er hat mir erzählt, dass ihn dieses Bild während des Krieges als Postkarte begleitet hat. Und immer, wenn er nicht mehr gewusst hat, wo er die Kraft hernehmen soll, hat er von diesem Bild her – in der Beziehung zu Jesus Christus – Kraft erhalten und die Zuversicht, es geht weiter“. Ein besonders bewegender Moment war für sie „vor diesem Haus zu stehen, in dem er gelebt hat“.
 
Bischof Ipolt begrüßt den Neffen von Pfarrer Scholz und dessen Frau.

Michaela Brauburger ist die Großnichte von Pfarrer Scholz. Sie sagt: „Er war ein Naturliebhaber, er liebte Tiere, vor allem aber die Menschen. Besuche bei ihm waren immer etwas Außergewöhnliches. Etwas ganz Besonderes war die Taufe meiner Tochter durch Onkel Franz. Diese jüngere Spur seines Handelns finde ich hier wieder in dem Kreuz vor der Bonifatius-Kirche, einer Spur von damals. Auch der Aspekt in der Anrede: ,der Anständige in schwierigen Zeiten‘. Als Anständigen habe ich ihn immer empfunden, das passt. Es waren dann nicht mehr die schwierigen Zeiten, aber ich würde ihn so titulieren. Er war ein charismatischer Mensch, der viel Gutes für unsere Familie getan hat. Er war immer eine moralische Instanz“.

Fotos und Festvortrag von Prälat Birkner im Wortlaut auf: www.bistum-goerlitz.de

 
Meinung: Erinnern reicht nicht!
An meinen ersten Besuch als Grundschüler im Konzentrationslager Buchenwald erinnere ich mich gut. Ich gehöre zu der Generation, die Krieg – Gott sei Dank! – nur von Gedenkorten, aus Berichten meiner Eltern und Großeltern kennt – und neuerdings vermehrt aus den Nachrichten. Es hat den Anschein, als ob die Irren in der Welt, besonders die mächtigen von ihnen, die Kriege als legitime Mittel von Politik ansehen, mehr und stärker werden, weltweit. Krieg ist des Teufels! Gott, der diese Welt erschaffen hat, will, dass die Menschheit auf ihr friedlich lebt.
An Menschen wie Pfarrer Franz Scholz zu erinnern ist richtig, jedoch reicht das nicht aus. Die Vereinten Nationen sollten aus dem Tiefschlaf geweckt und an ihre Verantwortung erinnert werden. Und die Weltreligionen müssen friedlich zusammenstehen.
 
Von Raphael Schmidt

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