Kirchengemeinden und steigende Energiekosten
Erkältet oder pleite
Die Heizperiode neigt sich dem Ende zu. Angesichts rasant steigender Energiekosten war sie mit großer Sorge erwartet worden. Die Kirchengemeinden haben unterschiedlich auf die Kälte reagiert.
Die St. Petri-Kirche in Magdeburg verfügt wie viele ältere Kirchen im TAG DES HERRN-Verbreitungsgebiet über Heizstrahler, die unter den Bänken installiert sind – eine Technik, die in der Regel viel Strom verbraucht. Foto: imago images/Heike Lyding |
„In der nur noch selten genutzten St.-Konrad-Kirche haben wir sehr von der Sitzheizung profitiert, die wir bereits im Dezember 2020 in Betrieb genommen hatten“, sagt Thomas Papenfuß, Kirchenvorstandsmitglied der Berliner Pfarrei St. Matthias in Berlin-Schöneberg.
Hätte man die reparaturbedürftige gasbetriebene Luftheizung in St. Konrad weiterhin genutzt, lägen die Heizkosten bei einer dauerhaften Temperatur von 13 bis 14 Grad jetzt bei über 30 000 Euro pro Jahr – und das in einer Kirche, die nur sonntags genutzt wird, von etwa 40 bis 50 Gottesdienstbesuchern. Das gleichmäßige Heizen sei unvermeidbar, da Orgeln bei abrupten Schwankungen der Temperatur- und Luftfeuchtigkeit Schaden nehmen, erläutert Thomas Papenfuß.
Nur die genutzten Sitzflächen werden beheizt
Der Vorteil der Sitzheizung, die im vorletzten Winter in St. Konrad installiert wurde: Es werden nur die genutzten Sitzflächen beheizt, nicht die gesamte Kirche. Kauf und elektrische Installation haben die Pfarrei so viel gekostet wie sie sonst für die Reparatur ihrer Luftheizung bezahlt hätte. Die entstandenen Heizkosten kann Thomas Papenfuß aus der Steigerung des Stromverbrauchs nur schätzen. Er geht von 300 bis 400 Euro aus, das wäre ein Prozent der Kosten, die mit der Luftheizung zu erwarten waren. „Wirtschaftlich und ökologisch hat sich die Investition ohne Zweifel gelohnt“, sagt er.
Auch für die werktags genutzte Taufkapelle St. Norbert hat die Pfarrei 2022 nach Schäden an Rohren und Heizkörpern eine Sitzheizung angeschafft. Da die Kapelle klein sei, brauche es keine komplexe elektronische Steuerung. Die Installation war deshalb erheblich preiswerter.
Für die Taufkapelle gebe es noch keine aussagekräftigen Erfahrungswerte. Über St. Konrad berichtet Thomas Papenfuß: „Bis Weihnachten waren die Temperaturen für alle erträglich.“ Von Januar bis Anfang März sei die Kirche dann aber so ausgekühlt gewesen, dass zeitweise Wasser eingefroren wäre und dass besonders die Priester und die syrische Gemeinde, die im Gottesdienst nur einen geringen „Sitzanteil“ haben, die Temperatur als unangenehm empfanden.
Manche Organisten hätten in dieser Zeit über kalte Hände geklagt. Die Sitzheizungsfirma biete zwar auch beheizbare Altardecken und Lösungen für frierende Organisten an, diese in Anspruch zu nehmen habe die Pfarrei St. Matthias bisher aber nicht geplant. Wahrscheinlicher sei, dass man in künftigen Wintern in St Konrad in den besonders kalten Phasen und für kleine Gruppen wieder die „Winterkirche“ im Pfarrsaal einbeziehe. Da er für die vorgeschriebenen Corona-Abstände zu klein ist, war er in den letzten Jahren für Gottesdienste nicht genutzt worden.
Auch in der Heilig-Geist-Pfarrei in Neu-Westend, die von Steyler Missionaren betreut wird, gibt es inzwischen eine Sitzkissen-Heizung. In anderen Regionen Ostdeutschlands haben Gemeinden unterschiedliche Lösungen gefunden, um Heizkosten einzusparen: Im Cottbuser Stadtgebiet etwa haben sich die Katholiken in diesem Winter für ihre Gottesdienste auf nur eine ihrer drei Kirchen beschränkt, um Kosten zu sparen.
In unbeheizten Kirchen warm bleiben durch mehr Bewegung? Das Bild zeigt den Tänzer Shaw Coleman, der bei einer Berliner Auftaktveranstaltung zum Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt das Kirchentagsmotto „Komm und sieh“ tanzt. Foto: imago images/Christian Ditsch |
Alte, kranke und südländische Menschen litten am meisten
Viele Kirchen blieben im zu Ende gehenden Winter – einer Empfehlung folgend, auf die sich die Bauabteilungen mehrerer deutscher (Erz-)Bistümer im Herbst geeinigt hatten – unbeheizt. In Zittau beispielsweise hat man sich entschlossen, die Gotteshäuser auf einer Grundtemperatur von acht Grad zu halten. Andernfalls würden die Heizkosten für alle Gebäude der Pfarrei bei 82 000 Euro liegen, ist im Winter-Pfarrbrief aufgeschlüsselt.
Kranke, Hochbetagte und Gläubige aus wärmeren Ländern haben in den spärlich oder gar nicht beheizten Kirchen am meisten gelitten.
„In Deutschland ist es so furchtbar kalt“, beklagte sich etwa der Katholik Etienne Kezie aus Togo, der an der TU Berlin in Agrarwissenschaften promoviert hat und zeitweilig bei einer katholischen Studentenverbindung in Lichterfelde-West untergekommen war. In seinem kleinen 16 Quadratmeter messenden Zimmer mit Gartenblick war es dank inbegriffener Heizkostenpauschale immer schön warm, berichtet er; und schließlich könne man ja auch von daheim aus beten.
Nach dem Gottesdienst im Kirchenkaffee aufwärmen
In Afrika und Lateinamerika sind Christen es gewohnt, dass im Gottesdienst getanzt wird, dass also vor und nach der Eucharistie mehr „Bewegung“ im Spiel ist. Diese Möglichkeit, sich aufzuwärmen, ist den Katholiken hierzulande eher fremd.
In der evangelischen Gemeinde Geithain wärmt man sich nach dem Gottesdienst noch bei einer Tasse Tee oder Kaffee auf. Einer der örtlichen Initiatoren ist André Vogel aus Südafrika, Waldorfschullehrer und Vater von vier Kindern. Immer mehr Menschen aus verschiedenen Nationen kommen nach dem Gottesdienst in ihre großräumige Küche oder in den beheizten Luthersaal unweit der Kirche; darunter auch solche, die mit Kirche und Gott, wie sie sagen, eigentlich „wenig am Hut“ haben.
Manche wollten nur die Kirche besichtigen und waren dann umso erstaunter, wie herzlich und offen es dort zugeht. Sie finden es angenehm, wenn die Liturgie in einem kalten Kirchenraum bei Gebäck und klassischer Musik vor einem warmen Kachelofen ihre freundliche Fortsetzung findet.
Der Handlungsleitfaden „Verantwortungsvolles Temperieren von Kirchen im Winter 2022/2023“ findet sich auf den Internetseiten der meisten Bistümer (zum Beispiel beim Bistum Magdeburg) und enthält zahlreiche Tipps zum Heizen und der Regulierung der Luftfeuchtigkeit.
Von Benedikt Vallendar und Dorothee Wanzek