Bechers Provokationen
Ernstfall fürs Volk Gottes

Unsere Provokationen suchen nach der Glut unter der Asche. Heute geht’s um Gemeindeleitung durch Laien. Für die einen der wünschenswerte Ernstfall einer Kirche des Volkes Gottes, für andere dagegen ein katholischer Offenbarungseid. Von Johannes Becher.

Kann das gutgehen? Pfarreien neuen Zuschnitts mit einem Kirchenbild alten Typs? Konkret: Braucht auch künftig jede Pfarreiengemeinschaft – so groß sie auch sein mag – einen omnipotenten geweihten Manager an der Spitze?
Für Kardinal Josef Cordes gibt es da gar keine Alternative. Er hält nichts von Experimenten mit Laien in der Leitung von Gemeinden. Er setzt deshalb aufs Kirchenrecht: „Diese Festlegungen der Kirche begrenzen mögliche Innovationsfreude von Ordinarien.“ Cordes pocht vor allem auf den besonderen Auftrag der geweihten Priester. „Die drei Hauptaufgaben, das heißt die Sakramentenspendung, die Verkündigung und das Zusammenführen der Gemeinde, lassen sich nicht funktional voneinander trennen.“ Lehren, Heiligen, Leiten …

Johannes Becher
Foto: privat
Cordes zum Trotz gibt es allerdings längst Modelle mit Laien in der Leitung. Weltweit sind es nach Aussagen des Kirchenrechtlers Thomas Schüller „3500 bis 4000 Pfarreien, die von einem Laien geleitet werden. Die meisten davon in Lateinamerika, Afrika oder auch in Russland.“ Auch in deutschen Diözesen wird auf die veränderten „Eckdaten kirchlichen Lebens“ reagiert. So schreibt die Bischofskonferenz 2011: „Laien bekommen mehr Verantwortung. Die Rechte und Pflichten der Gemeinde, bei der Verkündigung des Glaubens mitzuwirken, werden betont und andere Träger kirchlichen Lebens, wie etwa geistliche Gemeinschaften, Orden, Vereine und kirchliche Schulen, mehr in den Alltag der Pfarreien einbezogen.“
Erste Erfahrungen mit alternativen Leitungsmodellen in Pfarreien gibt es ja bereits seit Anfang der 80er Jahre im Bistum Aachen. Und im Bistum Limburg wurden zwischen 1995 und 2009 einige Pfarreien von Pfarrbeauftragten geleitet, die nicht Priester waren. Eine Ausnahmeregelung des Kirchenrechts diente als Erlaubnis: Paragraph 517,2.
Im Bistum Osnabrück und im Erzbistum München wird gerade mit Leitungsteams von Laien experimentiert. Die „Chefs“ können auch Frauen sein. Kardinal Reinhard Marx betonte zum Start, es komme ihm auf eine „Erweiterung des Priesterbilds“ an. Der Priester solle als „geistlicher Leiter“ gesehen werden und „weniger als der, der sagt, welche Ziegel aufs Dach kommen“.
Wie sich kirchliches Leben rechtlich organisiert, ist doch höchstens zweitrangig. Deshalb lässt sich ganz nüchtern fragen, was denn „Pfarrei“ überhaupt sein sollte – und was ein Priester tun und können muss. Entscheidend ist, wie es eine „Pfarrer-Initiative Deutschland“ fordert, „dass Kirche im unmittelbaren Lebensumfeld der Menschen erlebt und gestaltet werden kann.“ Experimente müssen erlaubt sein, Fehler sind Lernfortschritte. An verschiedenen pastoralen Orten mag es verschiedene Antworten geben, wie kirchliches Leben gerade dort gefeiert und begleitet wird. Phantasie ist gefragt und der Mut, stärker auf die Talente der Getauften zu setzen als auf den Buchstaben der Paragraphen.
Zitiert: „Nach Maßgabe des Rechts“
„Can. 517 – § 2. Wenn der Diözesanbischof wegen Priestermangels glaubt, einen Diakon oder eine andere Person, die nicht die Priesterweihe empfangen hat, oder eine Gemeinschaft von Personen an der Wahrnehmung der Seelsorgsaufgaben einer Pfarrei beteiligen zu müssen, hat er einen Priester zu bestimmen, der, mit den Vollmachten und Befugnissen eines Pfarrers ausgestattet, die Seelsorge leitet.
Can. 519 — Der Pfarrer ist der eigene Hirte der ihm übertragenen Pfarrei; er nimmt die Seelsorge für die ihm anvertraute Gemeinschaft unter der Autorität des Diözesanbischofs wahr, zu dessen Teilhabe am Amt Christi er berufen ist, um für diese Gemeinschaft die Dienste des Lehrens, des Heiligens und des Leitens auszuüben, wobei auch andere Priester oder Diakone mitwirken sowie Laien nach Maßgabe des Rechts mithelfen.“
Codex Iuris Canonici – Das Kirchenrechtsbuch von 1983