Personal- und Materialmangel wirkt sich auf Bistumstage und -wallfahrten aus

Erst schwitzen, dann feiern

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Der aktuelle Mangel an Personal und Materialien wirkt sich auch auf die Organisation von Bistumstagen und -wallfahrten aus. Wer mit seiner Großveranstaltung eingefahrene Wege verlässt, hat es besonders schwer.

So wird es nach dem Bistumstag wohl kaum in der Potsdamer Innenstadt aussehen. Das zuständige Ordnungsamt macht bei der Berechnung der anfallenden Reinigungskosten allerdings erst einmal keinen Unterschied zwischen einem Christentreffen und Großveranstaltungen, bei denen ein höheres Müllaufkommen zu erwarten ist.    Foto: imago images/A. Friedrichs

 

Am 4. September veranstaltet das Erzbistum Berlin erstmals einen Bistumstag in Potsdam. Christoph Kießig, der für die Vorbereitungen die Fäden in der Hand hält, sah seine fröhliche Gelassenheit in den vergangenen Wochen gehörig auf die Probe gestellt. Vieles, was bei früheren Wallfahrten fast ein Selbstläufer war, ist diesmal herausfordernd.  
Pappbecher für den Eistruck des Erzbistums sind gerade kaum zu bekommen. Ein Schiff aus China sei nicht eingetroffen, sagt der bisherige Lieferant. Für technisches Zubehör, das sonst innerhalb einer Woche lieferbar war, haben sich die Wartezeiten auf zwei Monate erhöht. Da gerade viele Großveranstaltungen aus Lockdown-Zeiten nachgeholt werden, ist es schwierig, Veranstaltungstechnik, Zelte oder Toilettenhäuschen zu leihen.
Manchmal sind die gewünschten Gegenstände zu haben, aber das zugehörige Personal ist in der langen veranstaltungsfreien Zeit abhanden gekommen und kann nicht so schnell ersetzt werden. Von mehreren Toiletten-Servicefirmen zum Beispiel gab es die Auskunft, sie arbeiten nicht am Wochenende. Das große Zelt, das Sonntag auf dem Potsdamer Bassinplatz zum Einsatz kommt, stellt die Verleihfirma bereits am Donnerstag auf, da später keine Zeltbauer mehr verfügbar sind. In der Zwischenzeit muss das Zelt natürlich bewacht werden. Den ursprünglichen Gedanken, das mit Ehrenamtlichen zu bewerkstelligen, haben die Bistumstags-Organisatoren schnell wieder verworfen. Dem Versicherungsschutz zuliebe werden sie für drei Tage und Nächte einen professionellen Wachdienst bezahlen.
Für viele andere Dienste setzen die Veranstalter weiterhin auf Ehrenamtliche. Die zu rekrutieren, ist ebenfalls aufwendiger geworden. „Vor zwanzig Jahren konnte der Berliner Kolpingverband bei unseren großen Wallfahrten viele Aufgaben übernehmen“, erinnert sich Christoph Kießig. Inzwischen ist der Anteil der Jüngeren, Einsatzfähigen, dort stark gesunken. Andere Gruppen und Gemeinschaften müssen ihre einsatzbereiten Mitglieder nach langer Pause erst einmal wieder sammeln.
Zu schaffen macht dem Vorbereitungsteam auch die wachsende Zahl von Vorschriften – detaillierte Hygieneregeln, die seit der Pandemie hinzugekommen sind, zum Beispiel oder finanzielle Auflagen. So ist es nicht erlaubt, die Teilnehmer durch aufgestellte Spendenboxen um eine freiwillige Beteiligung an den Organisationskosten zu bitten.  

„Zusammenarbeiten ist anstrengender, aber zukunftsweisend“
Die Zusammenarbeit mit den Behörden, die im etwas beschaulicheren Potsdam wegen der flacheren Hierarchien aber noch vergleichsweise unkompliziert funktioniere, sei in Berlin viel schwieriger, weiß Christoph Kießig. Für die Fronleichnamsprozessionen auf dem Bebelplatz neben der Sankt Hedwigs-Kathedrale müsse das Erzbistum seit geraumer Zeit Jahr für Jahr dieselben Hürden überwinden. „Manche Auflagen erscheinen uns willkürlich und erwecken den Eindruck, dass Kirchen schlechter behandelt werden als finanzstarke Wirtschaftsunternehmen“, bedauert Kießig. An Fronleichnam müssten bestimmte Flächen beispielsweise unverstellt bleiben, weil der Bebelplatz als Gedenk- ort an die Bücherverbrennung sonst beeinträchtigt wäre. Bei kommerziellen Veranstaltungen seien dieselben Flächen zugestellt. „Das ist die Zukunft der Kirche. Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir immer weniger als gesellschaftlich relevante Gruppierung wahrgenommen werden“, meint der katholische Eventmanager. Sich deshalb aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen und sich im Verborgenen zu treffen, hält er für eine schlechte Alternative. „Wir sind als Christen bewusst auf öffentlichen Plätzen präsent und nehmen dafür in Kauf, dass wir uns akribisch an die Regeln halten müssen.“
Zu höherem Organisations- und Kommunikationsaufwand habe in Potsdam auch die Entscheidung beigetragen, dass Bistumsverwaltung und katholische Ortsgemeinde bei der Festorganisation zusammenarbeiten. „Es ist anstrengender, eine größere Vielfalt an Ideen und Interessen unter einen Hut zu bekommen“, konstatiert Christoph Kießig. Trotzdem hält er es für richtig, den Tag gemeinsam zu stemmen. Für das Überleben der Kirche sei es entscheidend, dass sie lernt zu kooperieren. Das gelte für unterschiedliche Gruppierungen innerhalb der Kirche, aber auch für das Zusammenwirken mit anderen Kräften in der Gesellschaft.  
Norman Reitner, Referent für Veranstaltungsmanagement im Bistum Dresden-Meißen, hat seinen großen Einsatz des Jahres bereits hinter sich. Mit einem Bistumsumwelttag an der Mülldeponie Cröbern hat sich das Bistum im Juni auf unbekanntes Terrain gewagt. Anders als Christoph Kießig, dessen Team sich erst im Laufe der Corona-Zeit formiert hatte und bisher wenig  praktische Erfahrung bei der Organisation kirchlicher Großereignisse sammeln konnte, profitierte Norman Reitner von seiner langen Erfahrung im Eventmanagement. Auch ihm machte zu schaffen, dass viele Unternehmen der Branche in den vergangenen Monaten aufgegeben haben, dass Personal und Material aufwendiger zu beschaffen waren, Hygiene-Auflagen gestiegen sind.
„Wir haben zwar alles zusammenbekommen, aber deutlich teurer als bisher üblich“, fasst der frühere Kulturamtsleiter der Stadt Bischofswerda zusammen. Auch wenn er nicht jedem Anbieter nachtrauert, der während der Pandemie vom Markt verschand, können die Verbleibenden jetzt höhere Preise verlangen. Besonders herausfordernd sei es beim Bistumsumwelttag gewesen, die Anreise zum Gelände in nachhaltiger Weise zu organisieren. Dafür mussten Radwege ausgeschildert, Bushaltestellen eingerichtet und ein Shuttledienst installiert werden.
Ein breites Angebot an Verpflegungsangeboten mit regionalen Bioprodukten bereitzustellen, sei ebenfalls nicht einfach gewesen. Etliche Händler hätten andere Veranstaltungen bevorzugt, weil ihnen im Vorfeld niemand sicher sagen konnte, wie viele Besucher beim Bistumsumwelttag zu erwarten seien.

Die Neuzeller Wallfahrtsmesse findet – einfacher zu organisieren – in der Kirche statt.    Foto: Raphael Schmidt

 

Digital kostet weniger, lässt aber manche Älteren außen vor
Im kleinen Bistum Görlitz, das am 4. September seine traditionelle Bistumswallfahrt in Neuzelle veranstaltet, läuft dagegen alles nach bewährter Routine. Von Material- oder Personalengpässen war hier bei den Vorbereitungen nichts zu spüren. Auch im Bistum Erfurt, das zwei Wochen später zur Wallfahrt lädt, sind bisher keine nennenswerten Schwierigkeiten zu verzeichnen. Allerdings habe man in Erfurt – ähnlich wie auch im Bistum Magdeburg auf der Huysburg – ein kleinteiliges Angebot mit Ständen auf dem Markt der Möglichkeiten, gibt Seelsorgeamtsleiterin Anne Rademacher zu bedenken. Allenfalls meldeten Grafikfirmen und Druckereien an, dass  sie lange Vorlauffristen für Werbeflyer und Programmhefte benötigen und beim Preis nur ungefähre Schätzangebote machen können. „Da hilft uns unsere Langfristigkeit und  am Ende auch das Überlegen, wie viel Papier sein muss“, meint Anne Rademacher. Der Trend gehe ja eher zum Digitalen, aber generationendurchmischt gebe es immer auch Teilnehmer, die etwas „Richtiges“ in der Hand haben wollen.
„Wir können über Probleme  wie in Potsdam nicht klagen; wofür wir sehr dankbar sind“, lässt Seelsorgeamts-Referentin Maria Schermann wissen. „Möglicherweise sind uns diese Hürden bis dato erspart geblieben, weil das Bistum stets um eine langfristige Planung bemüht ist“, fügt sie hinzu.
Trotz oder gerade wegen vieler überwundender Hürden erwartet man im Erzbistum Berlin den kommmenden Sonntag nicht weniger zuversichtlich: „Ich bin mir sicher: Das wird gut!“, sagt Christoph Kießig.

Von Dorothee Wanzek