Gute Kindertagesstätten
Flexibel und fröhlich
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Möchtest du in der Kita, in der du beschäftigt bist, selbst Kind sein? Gute Frage. Wer sie mit Ja beantwortet, arbeitet in einem Umfeld, das sich positiv auswirkt und trägt wahrscheinlich selbst dazu bei. Erzieherinnen, die hier mit Nein antworten, können das zum Anlass nehmen, über ihren Arbeitsalltag nachzudenken. Das Buch „Kita(r)evolution“ stellt einige solcher Fragen und gibt noch weitere Gedankenanstöße. Ziel: Die Fachkräfte sollen ihr Selbstverständnis reflektieren und sich überlegen, welche Werte sie den Kindern vermitteln wollen und wie sie dies tun.
Die Ausstattung
Die Autorinnen und Autoren geben zu, dass die Arbeit in einer Kindertagesstätte einfacher ist, wenn sie gut ausgestattet ist, und das umfasst nicht nur Bewegungsräume, Wasserrutsche oder den Snoezelraum für die Kleinen, sondern auch einen ausreichend großen Personalraum mit Teeküche für die Beschäftigten – einen Raum, der nicht gleichzeitig Besprechungszimmer für Elterngespräche ist, sondern in dem Pausen entspannt verbracht werden können.
Eine gute Kita braucht außerdem Zimmer in der Nähe der Gruppenräume, in denen Material gelagert wird, praktische Sanitärräume und ausreichend Platz auf dem Außengelände. Hier rechnen Planer heutzutage mit 15 Quadratmetern pro Kind im Außengelände, wie es in dem Buch „Die gute Kita“ heißt.
Interne Abläufe prüfen
Doch die räumliche Ausstattung ist nicht alles. Wichtig sind auch Faktoren wie Gewohnheiten im Tagesablauf und von der Kita selbst festgelegte Zeitpläne. Neue Kinder werden immer ab 10 Uhr eingewöhnt, obwohl das eigentlich ein schlechter Zeitpunkt ist? Legen Sie es auf 9 oder 11 Uhr, wenn in Ihrer Einrichtung dann weniger Stress ist, empfehlen die Experten. Der Morgenkreis muss stattfinden, sobald das allerletzte Gruppenkind eingetroffen ist, und alle sollen daran teilnehmen? Das muss nicht so sein, die Kinder lassen sich auch in Kleingruppen aufteilen. „Man sollte nicht an Strukturen festhalten, bloß weil sie da sind“, meint Autorin Christin Füchtenschneider.
Fördern und lockerlassen
Von den Kindertagesstätten wird viel erwartet, sie sollen einen Bildungsauftrag erfüllen und laut Elternwunsch gleichzeitig ein angenehmer Ort sein. Die Anforderungen an das Personal sind vielfältig. Die Erzieherinnen sollen für eine sichere Bindung sorgen, jeden individuell fördern, auf motorische und sprachliche Defizite achten und die Vorschulkinder dahin bringen, dass alle sicher einen Stift halten können.
So wird manches Mal etwas Bestimmtes gespielt oder gebastelt, um Kinder gezielt zu fördern. Hier sollte man mehr Gelassenheit entwickeln, rät Hannah Vasiliadis im Buch „Kitarevolution“: „Du bist keine bessere Fachkraft, wenn du jeden Tag die tollsten und kreativsten Angebote bereitstellst, wenn Kinder gedrängt werden, daran teilzuhaben, und du im schlimmsten Fall enttäuscht bist, wenn sie sich mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen wehren.“ Wer die Kinder aufs Leben vorbereiten will, ermögliche genügend Freispiel.
Keine Bewertungen treffen
Die Autoren des Buchs „Kita(r)evolution“ lassen anklingen, dass ungute Situationen entstehen können, wenn Aktivitäten zum Wettbewerb führen. Es gilt, auszuhalten, wenn ein Kind etwas nicht perfekt kann. „Du kannst auch außerhalb der Linien malen“, wäre ein Satz, der Kinder entlastet. Die Kinder sollten nicht angeschrieen, sondern mit Wohlwollen behandelt werden: „Entwicklungen werden nicht bewertet.“
Diversität beachten
Unter dem Stichwort Diversität geht es für das Kita-Fachpersonal darum, die Unterschiede zwischen den Kindern zu respektieren. Das betrifft zum Beispiel das Alter der Jungen und Mädchen im Kindergarten. An die Bastelfähigkeiten eines Dreijährigen müssen andere Maßstäbe gelegt werden als an die eines Sechsjährigen. Im Gruppenraum soll darauf geachtet werden, dass die älteren Kinder nicht von den Kleinen gestört werden, indem diese den Jenga-Turm einfach umhauen. Im Außenbereich kann es sinnvoll sein, die Bobby-Car-Rennstrecke zeitweise für größere zu sperren, damit auch jüngere Kinder einmal ungestört fahren können.
Diversität bedeutet auch, die unterschiedlichen Herkunftssprachen der Kinder zu respektieren. Elternzettel und Info-Aushänge sollten möglichst in allen Sprachen der Familien verfasst sein, zusätzlich barrierefrei in Leichter Sprache. In Bilderbüchern sollten sich alle Kinder wiederfinden können, nicht nur die hellhäutigen. Wenn ein Fest gefeiert oder mit Eltern gemeinsam gefrühstückt wird, sollten alle Speisen vertreten sein; die Kinder lernen, dass verschiedene Kulturen die Gesellschaft bereichern.
Selbstfürsorge und Grenzen
„Du bist der Fels in der Brandung“ heißt es in dem Buch Kita(r)evolution: „Jede Fachkraft bringt ihre eigene Persönlichkeit mit und begleitet die Kinder auf die ihr eigene Weise.“ Dabei sei es auch wichtig, dass die Erzieherinnen und Erzieher ihre Grenzen kennen, sich rechtzeitig Unterstützung holen können (zum Beispiel durch Vertretungskräfte) oder Zusatzaufgaben ablehnen (Muttertagsgeschenk basteln), für die keine Zeit ist.
Vorbild sein
Als Adultismus bezeichnen Experten es, wenn im Kindergarten alles nur nach den Bedürfnissen und Regeln der Erwachsenen läuft und die Erzieher und Erzieherinnen ihre Machtposition ausnutzen. Oder wenn mit zweierlei Maß gemessen wird: Kinder sollen Respekt lernen und sich bedanken? Dann wäre es gut, als Vorbild voranzugehen und ebenfalls Danke zu sagen, wenn ein Kind etwas für die Erwachsenen tut. Es soll nicht so laut geschrieen werden? Dann sollte man selbst nicht quer über den Flur nach der Kollegin rufen. Die Kinder sollen in der stillen Stunde nicht laut reden? Dann dürfen auch die Erzieherinnen nicht miteinander quasseln.
Draußen spielen
Zu einer guten Kita gehört ein Außengelände, in dem die Kinder lernen, über unebene Böden zu laufen, Steigungen zu bewältigen, einen Hügel hinunterzulaufen, aufzupassen, weil es draußen matschig ist und vieles mehr. Das Gelände sollte mit Naturmaterialien ausgestattet sein und auch Ecken zum Verstecken bieten. Die Kinder sollten nicht nur kurz „zum Lüften“ ins Freie gehen. Kinder, die bei jedem Wetter draußen sind, erleben, wie es ist, wenn Wind und Regen ihnen ins Gesicht wehen oder wenn es so heiß ist, dass sie den Schatten unter dem Sonnensegel aufsuchen müssen. Auch das Draußenspielen sollte man flexibel betrachten. In dem Buch „Die gute Kita“ heißt es: „Die Kinder können, müssen aber nicht rausgehen – und schon gar nicht alle zur gleichen Zeit!“ Wenn ein Kind noch ein Projekt zu Ende basteln will, sollte es nachkommen können.
Buchtipps: Kathrin Hohmann u.a., Kita(r)evolution, Zeit für Veränderung, Herder, 15 Euro.
Ilse Wehrmann u.a., Die gute Kita, Handlungsempfehlungen für die Frühpädagogik. Herder, 22 Euro.
Was will ich tun?
Um herauszufinden, ob im Arbeitsalltag Änderungsbedarf besteht, können sich Erzieherinnen und Erzieher Folgendes fragen:
Bist du die Fachkraft, die du für Kinder sein willst?
Woran wird sich ein Kind später erinnern und welches Gefühl in sich tragen, wenn es an seine Zeit in der Kita zurückdenkt?
Stärkst du durch deine Begleitung ihr Selbstbild, wissend, dass deine Worte zu ihrer inneren Stimme werden?
Was kann ich in meiner Arbeitszeit leisten? Wo komme ich an meine Grenzen? An wen kann ich mich wenden, wenn ich Hilfe brauche?
Was habe ich heute durch mein Handeln erreicht, auf das ich stolz bin? Wofür bin ich heute dankbar?
Was hilft mir, wenn ich gestresst bin?
Womit können dich die Kinder begeistern? Wie wichtig ist euch Lachen in der Kita?