Pflege des Domschatzes

Glänzend ist nicht immer gut

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Uwe Schuchardt pflegt und restauriert den Osnabrücker Domschatz. Er braucht Fingerspitzengefühl und viel Geduld. Ob seine Arbeit erfolgreich war, zeigt sich aber nicht unbedingt daran, dass der Schatz wieder glänzt.


Mit Handschuhen und Lupenbrille ausgestattet, geht Restaurator
Uwe Schuchardt an die Arbeit. Foto: Hermann Pentermann,
Copyright: Diözesanmuseum Osnabrück

Wenn Uwe Schuchardt in seiner Werkstatt einen neuen Arbeitstag beginnt, zieht er sich zuerst Handschuhe an. Dann setzt er seine Lupenbrille auf. Denn die winzigen Verschmutzungen, mit denen sich der Restaurator Tag für Tag beschäftigt, lassen sich nur stark vergrößert erkennen. Skalpelle, kleine Nadeln oder Schaschlikspieße braucht er, um sie zu entfernen. Schuchardt stammt gebürtig aus Hildesheim und kümmert sich seit einigen Jahren um die Pflege des Osnabrücker Domschatzes.

Einmal im Jahr wird er damit beauftragt, alle Objekte, die im Diözesanmuseum aufbewahrt werden, zu reinigen. Schuchardt sitzt dann oft stundenlang vor den Gegenständen und sucht konzentriert nach Verschmutzungen. „Die einfachere Methode wäre, eine Bürste zu nehmen und drüberzurubbeln“, sagt er. Dann würden die wertvollen Objekte allerdings nicht mehr lange existieren. Denn Metalle wie Gold und Silber reagieren mit den Stoffen, die sie umgeben. Das heißt, dass sie bei jeder falschen Berührung einen Teil ihrer Originalsubstanz verlieren könnten.

Damit das nicht passiert, muss Uwe Schuchardt bei seiner Arbeit sehr vorsichtig vorgehen – und braucht für die Reinigung eines Objekts oft mehrere Tage oder sogar Wochen. Noch länger kann es dauern, einen Gegenstand, der beschädigt worden ist, zu restaurieren. „Viele unserer Objekte sind Leihgaben, da fällt manchmal Farbe ab oder man muss ein Stück wieder ankleben“, sagt Friederike Dorner, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Diözesanmuseums. Dass Objekte aus Unachtsamkeit oder bei einem Unfall beschädigt werden, hat auch Uwe Schuchardt schon oft erlebt.

Eine Restaurierung kann Tage oder auch Jahre dauern

Zum Beispiel, als er vor ein paar Jahren das Kapitelkreuz repariert hat. Einem Mitarbeiter des Diözesanmuseums war aufgefallen, dass das Kreuz auf beiden Seiten die Arme hängen ließ. Nachforschungen ergaben, dass es einem Küster in der Sakristei heruntergefallen war. Schuchardt setzte auf der Rückseite ein Stück Stahl ein – und seitdem hängt das Kreuz wieder gerade. Diese Restaurierung habe sich insgesamt über mehrere Monate hingezogen, sagt Schuchardt. Die Arbeit an einem Radleuchter im Hildesheimer Dom habe ihn sogar vier Jahre beschäftigt. „Das war  damals wirklich sehr kompliziert.“

Wenn er danach gefragt wird, was seine Arbeit als Pfleger des Domschatzes so besonders macht, erzählt der Restaurator von einen Familienausflug, bei dem er eine Autosammlung in Mulhouse, Frankreich, besichtigt hat. Die Fahrzeuge, die dort gezeigt werden, sind teilweise mehr als hundert Jahre alt – sehen aber aus, als wären sie gerade eben erst vom Fließband gerollt. Und genau das sei im Vergleich zum Domschatz der große Unterschied: Die Autos in Mulhouse werden zwar ausgestellt, aber nicht mehr bewegt.

Gefäße wie der 700 Jahre alte Kehlemann-Kelch werden hingegen regelmäßig bei Gottesdiensten im Dom verwendet. Bevor Schuchardt einen Auftrag annimmt, stellt er sich deshalb jedes Mal eine Frage: „Was ist der Sinn und Zweck der Restaurierung?“ Ein undichter Kelch muss zum Beispiel abgedeckt werden, wenn er noch verwendet und nicht einfach in die Vitrine gestellt werden soll. Oft werde er hingegen gebeten, ein Objekt „einfach wieder schön zu machen“.  „Ich will es nicht besser als neu machen – es muss funktionieren“, sagt Schuchardt. Aber wie viel Pflege und Aufpolieren muss sein? „Neu und glänzend ist nicht immer gut“, findet der Restaurator. „Man darf den Objekten ruhig ansehen, dass sie viele Jahre hinter sich haben.“


Der Kehlemann-Kelch wird immer noch in
Gottesdiensten verwendet. Foto: Stephan Kube,
Copyright: Diözesanmuseum Osnabrück
 

Deshalb setzt Uwe Schuchardt bei der Pflege des Domschatzes vor allem auf präventive Restaurierung. Sprich: Er will im Voraus dafür sorgen, dass der Originalzustand der Objekte nicht verändert wird. Weil diese sehr empfindlich sind, sei es wichtig, sie bei den richtigen Lichtverhältnissen und klimatischen Bedingungen aufzubewahren. „In der Schatzkammer in Osnabrück herrschen dafür ideale Bedingungen.“ Wenn Objekte an andere Museen verliehen werden, müsse hingegen schon beim Transport darauf geachtet werden, Hitze, Kälte und schnelle Temperaturwechsel zu vermeiden. Außerdem sei es wichtig, immer Handschuhe zu benutzen und geeignete Lager- und Abstellorte zu suchen, damit nichts passieren kann, betont Schuchardt.

Jedes Bauteil wird einzeln kategorisiert und benannt

Wenn doch einmal ein Objekt beschädigt werde, könne man bei dessen Restaurierung aber viel lernen. Denn das Arbeitsgebiet eines Restaurators sei heute breiter gefächert als noch vor 30 Jahren. Moderne Restauratoren betrachten jedes Bauteil eines zusammengesetzten Objekts wie ein Einzelobjekt. Was das bedeutet, erklärt Schuchardt am Beispiel des Crispinianus-Schreins aus Osnabrück. Vor dessen Restaurierung habe er jedes Bauteil einzeln benannt und untersucht.

Doch wozu dient der ganze Aufwand?  „Das Spannende an einer Restaurierung ist, immer wieder neue Details zu entdecken“, sagt Schuchardt. Deshalb sei es wichtig, systematisch vorzugehen, um noch mehr über die Objekte zu erfahren. „Wir neigen dazu, einen Gegenstand einfach so hinzunehmen, wie er ist.“ Anstatt mit dem auffälligsten Teil zu beginnen, müsse er deshalb von vorne nach hinten für jedes noch so kleine Bauteil ein Datenblatt anlegen. Darauf hält er Länge, Breite, Dicke, Gewicht und Material fest.

Wenn er damit fertig ist, kann der Restaurator für jedes Objekt einen Altersplan erstellen und so herausfinden, ob einzelne Teile nachträglich hinzugefügt wurden oder vielleicht sogar aus einer anderen Zeitepoche stammen. „Es macht richtig Spaß, Fehler an jahrhundertealten Werken zu entdecken“, sagt er und lacht.

Sandra Röseler