Weimarer Wohnprojekt stellt sich breiter auf

Glockenhof öffnet Tore

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Das Wohnprojekt Glockenhof in Weimar weitet sich aus. Zurzeit leben hier ukrainische Flüchtlinge. Zu den Klosterzellen des ehemaligen Karmels sind geräumigere Wohnungen gekommen und es gibt eine Ausstellung.

Gruppenfoto der aktuellen Glockenhof-Bewohner vor der Hauskapelle.    Foto: Holger Jakobi

 

„Es freut mich, dass wir uns als Gemeinschaft am Abend zum Gebet versammeln. Inzwischen kommt niemand mehr nur dazu, um unsere Erwartungen zu erfüllen oder um höflich zu sein. Das gemeinsame Gebet in aller Freiheit wurde für uns zu einem Herzensanliegen.“ So Nikolaus Huhn, der zusammen mit seiner Frau Ursula im Herbst 2020 in den ehemaligen Karmel in Weimar-Schöndorf einzog. „Es war durchaus ein Wagnis, aber wir hatten beide den Wunsch, es mit dem Leben in einer christlichen Gemeinschaft zu versuchen.“ Inzwischen hat der Glockenhof seine Startphase hinter sich. Mit den Eheleuten Huhn leben hier derzeit zwei Studentinnen. Dazu kommen immer wieder Gäste. Mit Beginn des Krieges in der Ukraine nahm man Kontakt zu den Behörden auf, die Unterkünfte für Geflüchtete suchten. „Dann ging alles sehr schnell“, berichtet Huhn, „eine vorherige Besichtigung sei nicht nötig, wurde mir gesagt, sie haben die Zimmer sofort genommen.“ Seither leben Ludmilla, Natascha und Lisa mit im Glockenhof. „Die beiden jüngeren werden wohl nach Ende des Krieges in die Ukraine zurückkehren. Wie es mit der 73-jährigen Ludmilla weitergeht, müssen wir mal sehen“, sagt Nikolaus Huhn. Sie hat in Mariupol alles verloren. Ihr Sohn und seine zweite Ehefrau starben bei Angriffen auf ihr Wohngebiet.

Abendlob wird Friedensgebet
Seit dem Beginn des Krieges firmiert das Abendlob der Gemeinschaft als Friedensgebet. Mitbeter sind täglich um 20 Uhr willkommen. Die Kapelle ist tagsüber immer geöffnet. Nikolaus Huhn: „Unser Leben als Gemeinschaft soll kein Selbstzweck sein. Wir wollen für die Menschen um uns herum offen und erreichbar sein.“
In Zusammenarbeit mit Niklas Wagner vom Katholischen Forum im Bistum Thüringen entstand eine kleine Reihe „Literatur und Musik“, die einmal im Monat stattfindet. Vorgestellt wurden unter anderem Texte der Lyrikerin Mascha Kaléko, der Französin Madeleine Delbrêl und des evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer. Geplant sind auch Bibelarbeiten und Glaubensgespräche. „Diese Abende sind durchaus missionarisch gedacht, ohne dabei aufdringlich zu sein.“
Dankbar ist Nikolaus Huhn auch dafür, dass sich die Kontakte zwischen der Kirchengemeinde und dem Glockenhof gut entwickelt haben. Am 10. Juli waren die Katholiken und alle Einwohner von Weimar-Schöndorf zu einem Sommerfest in den Glockenhof eingeladen.
Bis Ende August zeigt Hans Christoph Schilling aus Tannroda Bilder einer Wüstendurchquerung im Kreuzgang des Glockenhofs. 2010 ritt er auf einem Kamel durch die Wüste Sinai und sammelte Einblicke und Ausblicke in das Leben der Wüste. Der faszinierenden Schönheit des Kargen, auf den ersten Blick Lebensfeindlichen, stellt er kurze Zitate aus aller Welt, aus verschiedenen Zeitepochen und aus der Bibel zur Seite. „Die Bilder dieser Reise“, so Schilling, „haben mich inspiriert, den tieferen Wahrheiten des Lebens nachzugehen“. Offen ist der Glockenhof nach wie vor für Christen, die sich der Gemeinschaft anschließen wollen. Manche Interessenten können sich jedoch nur schwer vorstellen, dauerhaft in einer kleinen Klosterzelle zu leben. Dabei ist das Kloster mit allen Gemeinschaftsräumen und dem Garten geräumig und weitläufig.
Für Christen, die in der Gemeinschaft mitleben, aber mehr Wohnraum und Privatsphäre brauchen, haben Huhns ihr bisheriges Wohnhaus bei Jena verkauft und ein Haus in der Nachbarschaft des Glockenhofs erworben. Dort stehen Mietwohnungen bereit.

Informationen: www.glockenhof-weimar.de; Ausstellungsbesichtigung: 01 75 / 2 44 17 82

Von Holger Jakobi