Berliner Symposium „Gott – mitten im Leben“

Gott hatte seine Chance bei mir

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Katholiken diskutieren beim Symposium „Gott – mitten im Leben“ mit Kirchenskeptikern aller Schattierungen über Gott. Es war ein erster Versuch, einen Gesprächsfaden zu knüpfen.

Verdichtete Inhalte auf dem Podium (von links): „lebensnah“-Bestatter Eric Wrede, Ethik-Professor Andreas Lob-Hüdepohl, Hospizdienst-Leiterin Kerstin Kurzke und Philosoph Wilhelm Schmid diskutieren unter Moderation von Dominikaner-Pater Max Cappabianca. | Fotos: Cornelia Klaebe

 

Von welchem Interesse das Thema für die Gläubigen des Erzbistums war, zeigte schon die Teilnahmequote: Trotz sommerlichen Temperaturen von mehr als 30 Grad am Tag des ausgebuchten Symposiums „Gott – mitten im Leben“ war der Saal voll. Gelockt hatte vor allem die Besetzung der Podien: So waren tatsächlich verschiedenste inner- und außerkirchliche Akteure erschienen, um auf Einladung von Erzbischof Heiner Koch ihre Meinung über Glauben, Kirche und die Notwendigkeiten der Gesellschaft zu sagen. Denn ihn treibe, so schrieb Koch in der Einladung, schon seit langem die Frage um: „Heute zu den Menschen von Gott reden – aber wie?“ Das war der Anlass, mit kirchennahen Menschen ebenso ins Gespräch zu kommen wie mit vom Glauben Unberührten.

Graphic Recording: Christoph J. Kellner hielt das in den Diskussionen Gesagte in einem visuellen Protokoll fest.

„Wird die Veranstaltung gestreamt?“
Das fiel ganz unterschiedlich aus. So mussten schon beim Auftakt-Gespräch zum Thema „Findet Gott noch Stadt?“ die Veranstalter in den Spiegel blicken, den Musikproduzent Joe Chialo ihnen vorhielt: Auf seine Frage an das Publikum, wer im Raum unter 20 sei – unter 25? unter 30? – meldeten sich nur verschwindend wenige unter den Zuhörern. Daraufhin erklärte Chialo, das sei kein Wunder: Schließlich kommuniziere diese Generation in ganz anderer Weise und vornehmlich über die Sozialen Medien im Internet. Auf seine Frage: „Wird diese tolle Veranstaltung gestreamt?“, erntete er Lachen aus dem Publikum: Eine Videoübertragung ins Internet von einem katholischen Symposium? Eher unwahrscheinlich. Immerhin, als Erzbischof Koch von seinem Besuch bei der Bahnhofsmission berichtete und Chialo entgegnete: „Finde ich toll. Gab es davon ein Foto bei Instagram?“, konnte kurz darauf Pressesprecher Stefan Förner einen Tablet-Computer mit dem gewünschten Bild an Moderatorin Claudia Nothelle reichen. Und Chialo? Der stellte die Rückfrage, welche Reichweite es denn gehabt habe: „Kann sowas nicht mal die Kelly Family teilen?“
Die Podien, bei denen Kirchenkritiker mit entschiedenen Katholiken sprachen, machten deutlich: Kirchenkritik ist facettenreich. So äußerte beim Podium „Man lebt nicht, wenn man nicht für etwas lebt“ der Philosoph Wilhelm Schmid, die Kirche habe den schon lange vor Christus durch Sokrates geprägten Begriff „Seelsorge“ übernommen und verändert. „Ich wundere mich, dass manche Leute hier im Raum von Gott sprechen, als ob es klar wäre, wer oder was das ist“, konstatierte er. Er sei in keiner Weise gegen Gott, „ich weiß nur nicht, was das sein soll“.
Der Pädagoge und Autor Philipp Möller sagte von sich: „Gott hatte seine Chance bei mir“, habe er als Sohn eines Kirchenmusikers doch etliche Gottesdienste von der Empore aus verfolgt. Bei seiner Erstkommunion habe er gewartet, dass im Augenblick des Empfangs der Hostie etwas geschieht – aber es sei nichts geschehen. Vielmehr als über die Gottesfrage wolle er über Politik sprechen, darüber, wie man eine Trennung von Staat und Kirche erreichen könne. Und Sven Thale, Bildungsreferent beim Humanistischen Verband und „entschiedener Agnostiker“, antwortete auf die Gretchenfrage: „Ich glaube nicht an Gott, weil das Konzept für mich keine Rolle spielt.“

„Kirche, steh für was! Sei nicht beliebig!“
Erschrocken, wie viele Kunden ihn „als Seelsorger wahrnehmen“ äußerte sich der Bestatter Eric Wrede: „Ich arbeite in Berlin wunderbar mit der Kirche zusammen“, stellte er klar, lobte die humanen Bestattungspreise auf katholischen Friedhöfen und fragte: „Warum holt ihr die Menschen nicht früher ab?“ Unverständnis über die Art, wie die Kirche sich präsentiert, sprach bei ihm aus nahezu jedem Satz: „Religiösität ist die Kernkompetenz der Kirche, und die wird ihr von irgendwelchen Yoga-Leuten aus der Hand gerissen.“ Wichtig sei, Profil zu zeigen: „Kirche, steh für was! Sei nicht beliebig und nicht austauschbar“, rief er ins Publikum.

 

Mittagspausenfreude: Die Besucher des Symposiums konnten vom „ChefKoch“ (laut Schürze) ein Eis entgegennehmen.

 

Den eng getakteten Podien hörte das Publikum mit Spannung zu und nutzte teilweise auch die Gelegenheit, Fragen und Anmerkungen auf bereitliegende Zettel zu schreiben. Zur Aufrechterhaltung des Spannungsbogens trug auch das Improvisationstheater „die Gorillas“ bei, dessen Schauspieler in einer Pause auf Zuruf des Publikums etwa das Aufeinandertreffen eines Mitarbeiters der Kirchensteuerverwaltung mit einer Dame vom Seelsorgeamt spielte und herzliche Lacher erntete.
Gelegenheit, mit den Diskutanten ins Gespräch zu kommen, hatten die Teilnehmer in Gruppendiskussionen nach der Mittagspause. Einig waren sich am Ende die meisten, dass der liebevoll vorbereitete Tag gelungen war. Einig waren sie sich aber auch mit dem Erzbischof, dessen Fazit lautete: „Das war eine gute Auftaktveranstaltung.“

Von Cornelia Klaebe
 

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