Paulus' Tipps für moderne Gemeinden
Handbuch in Bierdeckelgröße
Eine Neugründung, wie die Gemeinde in Thessalonich, braucht klare Ansagen, was es heißt, christlich zu leben. Die liefert Paulus. Und man ahnt: Seine Tipps könnten auch für heute gelten. Ein Gemeindehandbuch in Bierdeckelgröße.
Von Susanne Haverkamp
Wie soll unsere Gemeinde sein, um wirklich christlich zu leben? Darüber gibt es ganze Bücher und viele Sitzungsprotokolle. Paulus braucht nur sieben Sätze.
Freut euch zu jeder Zeit!
„Christen sind die mit dem Strahlen im Gesicht.“ Das wäre was, wenn das über uns gesagt würde. Wobei Paulus sicher nicht ein seliges Dauergrinsen meint, das alle Sorgen und Probleme weglächelt. Schließlich hat er selber Angriffe, Verhaftungen und Verleumdungen erlebt.
In der Kunst ist Paulus – wie alle Heiligen – immer mit ernster Miene dargestellt. Offenbar stehen für Künstler die Christen eher für die „O Mensch, bewein dein Sünde groß“ als für „Freut euch zu jeder Zeit“. Und ich fürchte: für viele Nichtchristen auch.
Dabei könnten wir uns freuen. Dass wir trotz Corona in die Kirche gehen können und nachher auf dem Kirchplatz mit Abstand und Maske nette Worte wechseln. Dass Gemeinden mit viel Einsatz Advents- und Weihnachtsaktionen planen. Dass Menschen den Adventsbasar und das Krippenspiel vermissen, denn das zeigt, dass es ihnen wichtig ist. Und selbst wenn es Ärger gibt: Mit freundlichem Gesichtausdruck lassen sich Konflikte besser lösen als grimmig oder zornesrot.
Betet ohne Unterlass!
Wie beim Dauergrinsen geht es Paulus sicher nicht darum, dass die Christen ständig auf Knien sind. Es geht ihm eher um die Idee, dass alles mit Gott zu tun hat. Unser Alltag, unsere Sorgen, unsere Freuden, unsere Familien, die Politik, die Pandemie ... Und dass es für Christen typisch sein sollte, zwischendurch kurz innezuhalten, ein Stoßgebet zu sprechen, einen Dank, eine Bitte. Und Gott so teilhaben zu lassen am Leben.
Früher war das selbstverständlicher: Morgen- und Abendgebet, um zwölf der Engel des Herrn, ein Vaterunser, wenn die Totenglocke läutet, das Tischgebet und sonntags die Messe. Vielleicht ist das heute so nicht mehr machbar, aber das Ziel muss bleiben: Christen sind die, die ihr ganzes Leben im Gebet vor Gott bringen. In dem Glauben und der Hoffnung, dass er uns auch in den Niedrigkeiten des Alltags beisteht.
Dankt für alles!
Das ist zugegebenermaßen superschwer. Viele Dinge sind so selbstverständlich, dass wir kaum darauf kommen, dafür zu danken. Dass die Ehe funktioniert und die Kinder gut geraten sind; dass das tägliche Brot auf dem Tisch steht und sogar die Urlaubsreise drinsitzt; dass wir weder hungern noch frieren; dass wir Freunde haben – alles zu normal, um dauernd dafür zu danken.
Zumal das Beschweren uns ja oft näher liegt. Der Blick auf das, was fehlt, was schlecht läuft, auf das halbleere Glas. Der Protest gegen all das, was uns nicht gefällt, privat und gesellschaftlich, das leise und laute Schimpfen passt einfach besser in die Zeit als das Danken. Leider. Denn Nörgeln, Mosern und Schimpfen macht selten besonders glücklich und löst auch nur begrenzt Probleme. Nicht, dass wir alles hinnehmen müssen, aber es kommt auf die Perspektive an. In der christlichen Gemeinde, sagt Paulus, soll zuerst gedankt werden, von allen für alles. Erst danach kommt das Meckern.
Löscht den Geist nicht aus!
Es ist ja eigentlich unfassbar: Christen glauben, jedenfalls theoretisch, dass der Heilige Geist in jedem Getauften lebt. In Ihnen und in mir. Und dass er uns antreibt, Gutes zu tun, Neues auszuprobieren, uns zu bewegen, unseren Kopf und unsere Gewohnheit durchwehen zu lassen. Theoretisch, weil praktisch Neues und Ungewohntes doch eher abgebügelt wird. Haben wir schon immer so gemacht, war noch nie, und: geht nicht! Nicht wenige Ideen werden erstickt, bevor sie richtig zünden. Und nicht wenige Ideengeber werden ausgebremst, bevor sie richtig durchstarten können.
Wie schön wäre das, wenn christliche Gemeinden die sind, in denen Menschen sich und ihre Ideen zunächst einmal ausprobieren können. Zu Schritt 2 kommen wir im übernächsten Abschnitt.
Verachtet prophetisches Reden nicht!
Prophetisches Reden, das ist uns eher fremd. Gemeint sind wohl Menschen, die weiterblicken als bis zum nächsten Pfarrfest oder bis zum nächsten Finanzausschuss. Menschen, die das große Ganze im Blick behalten und unbequeme Fragen stellen. Zum Beispiel: Haben wir die Armen im Blick? Sind in unserer Gemeinde Menschen willkommen, die der bürgerlichen Mehrheit nicht entsprechen? Fragen wir nach Gottes Willen oder nur nach unseren Wünschen? Solche Leute stören – verachten sollte man ihre Fragen aber nicht.
Prüft alles und behaltet das Gute!
Erst mal ausprobieren – die Sache mit dem Geist und dem Auslöschen, Sie erinnern sich. Und dann, wenn es ausprobiert ist, prüfen: Hat es geklappt? Hat es den Glauben gefördert? Hat es unsere Gemeinde oder Einzelne daraus weitergebracht? Ist es bezahl- und organisierbar? Nutzt es oder schadet es?
Nein, nicht jede neue Idee ist eine gute Idee. Aber nicht jede Idee, die mir nicht gefällt, ist deshalb schlecht. Den einen hilft ein Orgelkonzert, den anderen Rockmusik, so ist das eben. Deshalb gilt beides: Das Recht aufs Ausprobieren und das Recht aufs Prüfen – wobei man noch darüber diskutieren müsste, wer der Prüfer ist und wie die Prüfung funktioniert.
Meidet das Böse in jeder Gestalt!
Interessant, dass von sieben Ratschlägen nur einer negativ formuliert ist. Das Tun scheint Paulus wichtiger zu sein als das Unterlassen. Aber das Böse zu unterlassen, gehört natürlich auch dazu.
Was das Böse ist? Auch da scheint Paulus den frischbekehrten Christen viel Selbstverantwortung zuzutrauen. Neid und Missgunst gehören vermutlich dazu, Lüge und Untreue. Aber vor allem, den alten Göttern nachzutrauern; bei alten Riten mitzumachen, weil es gesellschaftlich hilfreich ist. Aber wenn die eigene Gemeinde wirklich einladend ist, dann klappt das schon ...