Magdeburgs Caritasdirektorin Cornelia Piekarski wird Vorstand in Berlin
Harte Probe für Zusammenhalt
Wie kann die Caritas Bedürftige auch in künftigen Krisen gut unterstützen? Dazu befragte der Tag des Herrn die bisherige Magdeburger Caritasdirektorin Cornelia Piekarski, die im Dezember nach Berlin wechselt.
Bestehende Nöte wahrnehmen und neue Lösungen entwickeln möchte Cornelia Piekarski, die künftig für die Caritas im Erzbistum Berlin arbeitet. Foto: Caritasverband |
Frau Piekarski, Sie haben Ende September Ihre bisherige Tätigkeit in Magdeburg beendet. Was wird Ihre Aufgabe in Berlin sein?
Ich werde ab Dezember im Caritasverband für das Erzbistum Berlin Vorständin mit dem Schwerpunkt Fachpolitik und Innovation sein. Ich bin dort Teil des dreiköpfigen Vorstandsteams. Gemeinsam verantworten wir die Steuerung des Caritasverbandes für das Erzbistum Berlin und seiner Tochtergesellschaften. Ich bin insbesondere für die Fach-, Qualitäts- und Innovationspolitik zuständig. Da geht es unter anderem um die Angebote der Beratung, insbesondere in der Stadt Berlin. Dazu kommt in der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Eingliederungshilfe die Frage, welche Konzepte die Hilfe für Kinder und Familien in Zukunft braucht. Innovation heißt auch, gute Ideen, die schon vorhanden sind, umzusetzen. Der Caritasverband im Erzbistum Berlin hat gute Strukturen. Ich sehe die Herausforderung jetzt darin, wie man Angebote für die Menschen, die unsere Hilfe brauchen, zukunftsfähig gestalten und da auch neue Ideen entwickeln kann.
Sie waren knapp drei Jahre Caritasdirektorin in Magdeburg. Was waren hier die herausragenden Themen?
Kurz nachdem ich angefangen hatte, begann die Corona-Pandemie. Das hat natürlich meine Tätigkeit sehr geprägt. Es galt, die Herausforderungen der Pandemie zu bewältigen, beispielsweise in den stationären Betreuungsangeboten der Altenhilfe. Es ging darum, Vorsichtsmaßnahmen zu installieren, gleichzeitig aber auch mit Sterben und Tod umzugehen, unsere Mitarbeiter, die Angehörigen und die Bewohner gut zu begleiten. Bei den Beratungsdiensten mussten wir schauen – und das ist eine Verbindung zur Innovation – wie wir trotz Homeoffice gute Beratung fortführen. Wir boten Telefonberatung an, aber auch Beratungsspaziergänge. Auch unser Online-Beratungsportal hat dadurch einen großen Schub bekommen. Leute können sich im Online-Chat beraten lassen, mittlerweile auch datenschutzkonform. Im Bistum Magdeburg, aber auch anderswo in der Diaspora schaut die Caritas gerade, wie sie im ländlichen Raum durch Zusammenarbeit mit Gemeinden und anderen Kooperationspartnern weiterhin für die Menschen da sein kann.
Wir versuchen auch, ambulante und stationäre Angebote noch weiter zusammenzuführen. Im Bistum Magdeburg gibt es einen Caritas-Diözesanverband, einen Regionalverband, eine Trägergesellschaft – jeder operiert ein wenig für sich selbst. In Halberstadt zum Beispiel gibt es gute Voraussetzungen für ein neues Quartierszentrum. Wir sind mit unseren Beratungsdiensten im ehemaligen Franziskanerkloster. Um die Ecke ist die Kita, ebenso Einrichtungen für Kinder- und Jugendhilfe und für behinderte Menschen. Sich im Landkreis Harz als eine Caritas-Organisationseinheit zu verstehen und zusammenzuarbeiten, ist das erklärte Ziel. Ich glaube, da sind wir im Bistum Magdeburg auf einem guten Weg.
In der Pandemie-Zeit durften die Bewohner von Pflegeheimen oder von Wohnstätten lange Zeit keinen Besuch von Angehörigen empfangen. Manche mussten einsam, ohne die Begleitung ihrer Angehörigen sterben. Wie sind Sie damit umgegangen?
Indem wir trotzdem versucht haben, mit den Angehörigen in Kontakt zu bleiben. Da haben wir ihre Nachricht weitergegeben, oder wir haben den Telefonhörer ans Ohr gehalten, um trotzdem tröstend und begleitend eine Verbindung herzustellen. Angehörige konnten manchmal ans Fenster kommen. Aber wir müssen ehrlich sein: Das ist nicht das Gleiche. Und das war ganz schwierig. Das war für alle eine harte Zeit, auch für die Mitarbeiter. Sie mussten für die Einhaltung der Regeln Sorge tragen und haben dabei das Unverständnis abbekommen oder mussten den Schmerz auffangen. Das war psychisch für alle eine Belastung. Die Pandemie haben wir jetzt besser im Griff, aber mit den Folgen haben wir noch zu kämpfen. Es hat viel Kraft gekostet.
Kaum war es mit der Corona-Pandemie einigermaßen vorbei, begann der Ukraine-Krieg. Es kamen Flüchtlinge. Wie gelingt die Integration?
Insgesamt haben wir das im Bistum Magdeburg mit den ankommenden Flüchtlingen gut hinbekommen, auch im Zusammenspiel mit anderen Organisationen wie den Maltesern. Seit 2015 haben wir eine sehr gute Infrastruktur von Beratungsdiensten für die Integration. Die haben direkt in den Aufnahmestellen unterstützt, haben Menschen an Ehrenamtliche weitergeleitet, die bei der Wohnungssuche und -einrichtung halfen.
In Halberstadt beispielsweise haben wir einen unglaublich starken Zustrom von Ehrenamtshelfern gehabt. Dank der dortigen Ehrenamtskoordinatorin konnten wir den Familien individuelle Unterstützung an die Hand geben. Die Integration läuft inzwischen gut. Viele Ukrainer fragen sich, wann sie zurückgehen können. Für diejenigen, die länger hierbleiben, ist es wichtig, ihre Kinder in den Kitas und Schulen zu integrieren. Es gibt zu wenig Kitaplätze. In unserem offenen Kinder- und Jugendtreff in Weißenfels machen wir deshalb Angebote, damit Kinder die Sprache lernen und bei sozialen Kontakten begleitet werden.
Wie werden sich die Flüchtlingszahlen in den kommenden Monaten entwickeln?
Jetzt kommt der Winter, und das wird sicherlich dazu führen, dass mehr Ukrainer Zuflucht bei uns suchen. Das wird uns im Erzbistum Berlin noch viel stärker treffen, denn viele kommen erstmal in größeren Städten an. Und auch hier bemüht sich die Caritas schon, ihre Aufnahmekapazitäten zu halten und zu erweitern.
Der Winter ist auch im Blick auf die explodierernden Energiekosten ein Problem. Manche Menschen werden womöglich ihre Gas- oder Stromrechnung nicht mehr bezahlen können.
Wie bereiten Sie sich darauf vor?
Zu den Aufgaben der Caritas gehört, Sozialpolitik mit zu gestalten. Da geht es um die Frage, wie auch soziale Einrichtungen in den Entlastungspaketen der Bundesregierung berücksichtigt werden, insbesondere im Blick auf die Energiekosten. Wir erhalten ja einen Sachkostenanteil für unsere Einrichtungen, und der muss entsprechend den Energiepreisen verhandelt werden. Wir sind mit der Bundes- und den Landesregierungen im Gespräch, damit die soziale Infrastruktur nicht wegbricht und damit die Last nicht auf die Bewohner abgewälzt wird. Wir merken bereits, dass es in den Wärmestuben deutlich erhöhten Zulauf gibt. Auch in unsere Beratungsstellen kommen jetzt schon Menschen mit horrenden Strom- oder Gaskostenforderungen. Es zeichnet sich ab, dass das noch härter werden wird. Da sind wir mehr auf Spenden angewiesen. Es ist nicht so, dass der Staat in all diesen Notlagen einspringt.
Wenn Sie das Thema Spenden ansprechen: Auch die Tafeln beklagen ja, dass weniger Lebensmittelspenden ankommen, zugleich ist der Zulauf größer geworden. Beobachten Sie das auch in Caritas-Einrichtungen?
Ja, das kann ich unterstreichen. Wir müssen Lebensmittel dazukaufen, und das kostet wieder Geld. Man muss dann eventuell weniger Lebensmittel ausreichen, aber wir wollen ja möglichst vielen Menschen etwas anbieten können. Gerade Familien mit Kindern möchten wir ausreichenden Grundbedarf bieten. Die Spenden gehen definitiv zurück. Ich kann nur hoffen, dass über Spenden oder private Zuwendungen die Solidarität in der Gesellschaft aufrecht erhalten wird. Ich glaube, die nächste Krise, die jetzt kommt, stellt die Gesellschaft und die Solidargemeinschaft auf eine harte Probe. Und ich denke, dass wir als katholische Organisation unbedingt darauf achten sollten, dass solidarisches füreinander Einstehen, die christliche Nächstenliebe, sich bei uns zeigt.
Interview: Oliver Gierens