Reaktion auf Missbrauchsbericht für das Bistum Fulda

Katholikenrat: Kirche hat versagt

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Verschwommen zu erkennen: Ein Mann in schwarz gekleidet vor einem Fenster
Nachweis

Foto: kna/Harald Oppitz

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Symbolbild: Ein Pfarrer in Talar steht in der Sakristei einer Kirche.

Der Katholikenrat im Bistum Fulda kritisiert die Kirche nach einem neuen Bericht zu sexuellem Missbrauch. Die Laienvertretung spricht von Doppelmoral und systematischem Versagen. Betroffene seien allein gelassen worden.

Nach Bekanntwerden neuer Zahlen über sexuellen Missbrauch im Bistum Fulda hat der dortige Katholikenrat der Kirche Versagen vorgeworfen. "Der Fokus lag nicht auf den betroffenen Personen, sondern darauf, den Täter zu schützen. Dieses Vorgehen zeigt deutlich das Versagen der Kirche", erklärte die Katholikenratsvorsitzende Stefanie Klee am Dienstag in Fulda. Die mutmaßlichen Taten Geistlicher offenbarten eine Doppelmoral. "Nächstenliebe zu predigen, in der Beichte Sünden loszusprechen und selbst unschuldige Menschen sexuell zu missbrauchen, ist einfach scheußlich."

Zahlreiche Taten seien der früheren Bistumsleitung bekannt gewesen, ohne dass strafrechtliche Schritte eingeleitet worden seien. "Das Vertuschen der Straftaten durch Führungspersonen hat dazu geführt, dass weitere Taten in Kauf genommen wurden", betonte Klee. Betroffene seien mit ihrem Leid alleine gelassen worden. Auch Teile der Gesellschaft hätten nicht reagiert, obwohl sie von Missbrauchsfällen gewusst hätten. Der Katholikenrat ist ein gewähltes Laiengremium, das die Katholiken im Bistum vertritt.

Man war blind für das Leid der Betroffenen

Nahaufnahme des Berichts, im Hintergrund die Pressekonferenz
Abschlussbericht der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Bistum Fulda, Foto: kna/Karin Wollschläger

Eine Kommission zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Bistum Fulda hat zuvor einen 319-seitigen Abschlussbericht vorgestellt. Demnach gab es seit 1945 mindestens 120 mutmaßlich Betroffene. Zudem konnten 37 Beschuldigte ausgemacht werden, bei denen das Gremium keine begründeten Zweifel an einer Täterschaft sieht. "Missbrauchsopfer wurden in ihren Nöten und ihrem Leid bis zum Jahr 2010 nicht beachtet. Man war blind für das Leid der Betroffenen", sagte der Kommissionssprecher und ehemalige CDU-Oberbürgermeister von Fulda, Gerhard Möller. Die Kommission geht von einer hohen Dunkelziffer aus.

Beschuldigte seien bis zur Jahrtausendwende regelmäßig mit Nachsicht behandelt worden. "Das Ansehen der Kirche sollte nicht beschädigt werden", so Möller. Es habe "möglichst unauffällig" Versetzungen ohne Angabe von Gründen gegeben. In Pfarreien hätten sich zuweilen große Teile hinter die Beschuldigten gestellt, während Betroffene gemieden worden seien.

Bischof Michael Gerber, der das Bistum seit 2019 leitet und auch stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist, zeigte sich erschüttert, als ihm der Bericht übergeben wurde. "Wir haben als Bistum Schuld auf uns geladen, und ich bitte um Entschuldigung - und ich weiß, dass eine Bitte nicht genügt." 

Das Bistum stehe in der Verantwortung. Gerber versprach, die Aufarbeitung fortzuführen und die Prävention weiter auszubauen. Er will sich nach Lektüre des Berichts am 26. Juni ausführlich dazu äußern.

Rolle von Erzbischof Dyba und Altbischof Algermissen

Mit Blick auf Erzbischof Johannes Dyba, der das Bistum von 1983 bis zu seinem Tod im Jahr 2000 leitete, bilanzierte die Kommission, dass es zwar Hinweise, aber keine "manifesten Belege" dafür gebe, dass er etwa an der Versetzung von Missbrauchsbeschuldigten aktiv beteiligt gewesen sei. Vielmehr hätten die jeweiligen Bischöfe von 1977 bis 2003 die gesamte Personalverantwortung in die Hände von Weihbischof Johannes Kapp gegeben, der während dieser Zeit Personalchef des Bistums war.

Es habe sich bei der Analyse der Akten der Eindruck aufgedrängt, dass "alle Beteiligten froh waren, dass sie mit der Sache nichts zu tun hatten", so Möller.

Kommissionsmitglied und Betroffenenvertreter Stephan Auth erklärte, eine rein strafrechtliche Beurteilung der Verantwortlichkeiten der Bistumsleitungen sei nicht ausreichend - gerade mit Blick auf Erzbischof Dyba, "der die Republik ja mit seinen moralischen Vorstellungen geradezu geflutet hat".

Die Kommission prüfte auch das persönliche Handeln von Altbischof Heinz Josef Algermissen (82). Allerdings habe auch dieser nicht persönlich die Personalverantwortung für das Bistum wahrgenommen. Es sei nicht erkennbar gewesen, dass Algermissen zumindest vor 2010 Konsequenzen aus Missbrauchsfällen gezogen habe. Der Altbischof sei offenbar nicht aktiv in solche Vorgänge involviert gewesen und habe diese den Generalvikaren als Verwaltungschefs überlassen.

239 Mal kam es zu strafbaren sexuellen Handlungen

Die Aufarbeitungskommission sichtete in den vergangenen vier Jahren unabhängig und systematisch 2.124 Personalakten von 1945 bis Dezember 2024. Demnach kam es 239 Mal zu strafbaren sexuellen Handlungen. An 37 Betroffene wurden finanzielle Leistungen in Anerkennung des Leids geleistet.

Ähnliche Kommissionen gibt es in allen katholischen Bistümern in Deutschland. Sie gehen auf eine Vereinbarung der Bischöfe aus dem Jahr 2020 mit dem damaligen Bundesbeauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs zurück. Nach Angaben der aktuellen Bundesbeauftragten ist die Kommission in Fulda die erste, die einen Abschlussbericht vorlegt.

kna