Köln stoppt Missbrauchs-Gutachten

Image
K%C3%B6lner_Dom.jpg

Überraschende Wende im Streit um die Kölner Missbrauchs-Studie. Das Erzbistum Köln hat der Münchner Anwaltskanzlei, die die Verantwortlichkeit im Umgang mit sexuellem Missbrauch untersuchen sollte, den Auftrag entzogen. 

Kölner Dom bei Nacht
Der Kölner Dom, die größte Kirche Deutschlands.Im Schatten der alten Kathedrale wird derzeit um eine eigene Missbrauchsstudie gerungen. Foto: Thomas Wolf, www.foto-tw.de

Nun soll eine andere Anwaltsgruppe die Studie überarbeiten. Eine öffentliche Präsentation ist für den 18. März 2021 geplant. Das geht aus einer Mitteilung des Erzbistums Köln vom 30. Oktober hervor. „Eine vollständige Neufassung der Untersuchung verantwortet ab sofort der Kölner Strafrechtsexperte Prof. Dr. Björn Gercke. Die Zusammenarbeit mit der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl wird beendet. Das Gutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl wird nicht veröffentlicht“, heißt es in der Erklärung 

Zweifel an der Qualität der Münchner Studie waren schon Anfang 2019 geltend gemacht worden. Unter anderem aus Hamburg. Der ehemalige Personalchef und heutige Erzbischof von Hamburg Stefan Heße hatte auf Mängel in der Studie hingewiesen, genauer: auf Probleme des Datenschutzes und der rechtlichen Belastbarkeit der Aussagen. Tatsächlich scheint die Arbeit der Münchner Juristen eher die Züge einer moralischen Anklage zu haben als eine Aufklärung über die Verantwortlichkeit und den Umgang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln. 

Sachaussagen oder moralische Wertung?

Wie bekannt wurde, enthält das Papier Formulierungen wie „Ignoranz gegenüber der Opferperspektive“, „Desinteresse“ oder „fehlendes Problembewusstsein“. Erzbischof Heße hatte in einem Interview in der „Zeit“ eingewandt, seine Sicht sei von den Gutachtern nicht ausreichend gehört worden, die Vorwürfe hätten keine Grundlage. Stefan Heße, der ehemalige Kölner Personalchef, ist nicht der einzige, dem schwere Versäumnisse vorgeworfen werden. Auch seine Vorgesetzten, der langjährige Generalvikar Norbert Feldhoff und Kardinal Joachim Meisner, stehen im Visier der Studie, ebenso dessen Vorgänger Joseph Höffner. 

Der Sprecher des Betroffenenbeirats, Patrick Bauer, äußerte sich „enttäuscht und wütend, dass die Münchener Kanzlei derart schlecht gearbeitet und damit Versprechen einer gründlichen, juristisch sauberen Aufarbeitung gebrochen hat.“ Bis zum März hat jetzt das neue Autorenteam unter Leitung von Björn Gercke Zeit, das vorzulegen, was versprochen war: die Gesamtheit der Missbrauchsfälle im Erzbistum Köln zu betrachten, die Verantwortlichkeiten festzustellen und Verantwortliche zu benennen. Erzbischof Stefan Heße erklärte zu der aktuellen Entwicklung, er werde auch mit der neu beauftragten Anwaltsgruppe kooperieren. 

Text: Andreas Hüser