Theaterstück zu Sterbehilfe

Leid passt nicht mehr ins Leben

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Das Theaterstück „Gott“ von Ferdinand von Schirach greift Fragen um den assistierten Suizid auf. Der Gesprächsbedarf im Anschluss an das Stück war in Leipzig groß. Der Ethikratsvorsitzende Andreas von Aretin diskutierte mit.


Auf der Bühne werden die unterschiedlichen Standpunkte zum assistierten Suizid vorgetragen. Entscheiden soll das Publikum.     Foto: Uwe Winkler

Richard Gärtner ist 78 Jahre alt und möchte sterben. Seit dem Tod seiner Frau drei Jahre zuvor habe er keine Freude mehr am Leben, schildert der frühere Architekt. Seit Elisabeths Tod sei er nur noch „die Hälfte“. Obwohl er psychisch wie körperlich gesund ist, hat er beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ein tödliches Präparat beantragt. Und ja, er ist sich sicher. Aber sollte er diese Dosis bekommen? Wem gehört letztlich unser Leben?

Das ist die zentrale Frage im Theaterstück „Gott“, das Ferdinand von Schirach 2020 veröffentlichte. Darin beraten Experten in einer öffentlichen Sitzung des Ethikrats über die Fragen des assistierten Suizids. Der „Ethikrat“ ist das Publikum, das nach Darlegung aller Argumente entscheiden soll.

Mit dem Würzburger Theater Chambinzky kam das Stück vergangene Woche nach Leipzig, Chemnitz, Dresden und Lauta. Die Katholische Akademie des Bistums Dresden-Meißen und die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung hatten dazu eingeladen, in Kooperation vieler lokaler Partner.

Austausch zu ethischen Fragen wichtig

„Dass es dabei eine Position der katholischen Kirche in der Debatte gibt, das ist klar“, stellte zu Beginn Akademie-Referent Jonatan Burger klar. Doch sei es Auftrag der Akademie, ein Forum für Gedankenaustausch und Meinungsstreit zu sein.

Nach einer Einführung der Vorsitzenden des Ethikrats werden im Stück die drei Sachverständigen zu rechtlichen, medizinischen und theologischen Erwägungen befragt: Die Verfassungsrechtlerin Litten klärt als rechtliche Sachverständige über die juristische Situation auf. Gärtner habe demnach einen Anspruch auf das von ihm gewünschte medizinische Mittel, allerdings stehe es auch in der Entscheidung des jeweiligen Arztes, ihm zu helfen oder nicht.

Grundsätzlich gegen assistierten Suizid sind die Mediziner Sperling und Bischof Thiel. Für sie ist Sterbehilfe nicht mit ihren ethischen und theologischen Grundsätzen vereinbar. Doch vehement und geschickt tritt Rechtsanwalt Biegler für Gärtner ein. Dessen Wunsch und Vorsatz bleibt unerschütterlich. Das Ergebnis der Publikumsabstimmung in Leipzig: 69 stimmten dafür, dass er das Medikament bekommen sollte, 12 dagegen – ein nicht unübliches Ergebnis, wie man auf der Website zum Stück sehen kann.

Die persönlichen Wortbeiträge im Anschluss verdeutlichten, wie hoch der Gesprächsbedarf ist. Fragen beantworteten Regisseur Kai Christian Moritz und Andreas von Aretin, Chefarzt für Palliativmedizin am Leipziger St. Elisabeth-Krankenhaus und Vorsitzender der Bischöflichen Kommission für Medizinethik für das Bistum Dresden-Meißen.

Er sehe eine Entwicklung, „dass wir in der Gesellschaft weniger bereit sind, Dinge hinzunehmen, die uns nicht gefallen. Wir wollen unser Leben gestalten, wir wollen optimieren, da passt das Leid nicht rein.“ Etwas zu akzeptieren, was man vielleicht auch beseitigen könne, könne schnell mit Versagen gleichgesetzt werden.

Es gebe aber in der Medizin inzwischen die positive Entwicklung, „dass man nicht nur Erfolg hat, wenn man einen Patienten gesund macht, sondern dass man auch begleitet, vielleicht nur die Hand hält,“ so von Aretin. Das bedeute, Leid überhaupt zuzulassen und zu schauen: „Wo können wir Leiden mildern, wo können wir Leben leidfreier, angenehmer machen?“

Von Birgit Pfeiffer