Auf ein Wort

Leistung und Gerechtigkeit

Im Gleichnis vom Weinbergbesitzer geht es um Gerechtigkeit. Gottes Gerechtigkeit erscheint uns unfair: Er gibt den Arbeitern, die nur eine Stunde gearbeitet haben, den gleichen Lohn, wie jenen, die den ganzen Tag geschuftet haben. Wie können wir damit umgehen?

Leistung muss sich lohnen! Wer mehr arbeitet, muss mehr bekommen als jemand, der weniger oder gar nicht arbeitet. Das klingt erst mal gut und taugt ja auch immer wieder als Wahlkampfslogan. Und trotzdem ist es ein schwieriger Satz. Denn einige können eben nicht so arbeiten, wie sie möchten. Und manche Arbeit lohnt sich mehr als andere, ohne dass das immer nachvollziehbar ist. Die Arbeit eines Anwalts wird zum Beispiel besser bezahlt als die einer Krankenschwester. Wer muss also welche Arbeit wie lange verrichten, um einen hohen Lohn zu verdienen?

Im Evangelium geht es um die Frage: Was ist gerecht? Die Arbeiter, die den vollen Tag geschuftet haben, murren, weil diejenigen, die nur die letzte Stunde gearbeitet haben, den gleichen Lohn bekommen. „Ich will dem Letzten ebenso viel geben wie dir“, sagt der Weinbergbesitzer. Womit er zu biblischen Zeiten vor allem meint: Jede und jeder bekommt, was er oder sie braucht. Den Grundlohn, der zum Lebensunterhalt notwendig ist. Am Ende geht es aber auch um Neid: „Ist dein Auge böse, weil ich gut bin?“

Mir kommen noch weitere Fragen: Welchen Lohn gönne ich jemandem? Welchen Grundlohn müssen wir heute zahlen, damit ein Mensch mit seiner Familie gut leben kann? Was heißt: gut leben können? Gehören Fußballschuhe oder ein Kinobesuch dazu? Soll ein Grundlohn auch jemandem gezahlt werden, der wenig oder gar nicht arbeitet, arbeiten will oder kann? Wie hoch muss ein Grundgehalt sein im Vergleich zu einer Grundsicherung? Was würde der Weingutbesitzer Gott dazu sagen?

Beate Hirt