Pro und Contra "Preppen"
Notvorrat - guter Rat?! Vorbereitet-Sein
Das Thema „Preppen“ schien bis vor kurzem weit weg und exotisch zu sein. Geht es um mehr als um Vorratshaltung? Pro und Contra: Anja Weiffen möchte für einige Fälle gerüstet sein. Ruth Lehnen wehrt sich gegen eine Angst-Agenda, die uns einredet, stetiger Bedrohung ins Auge zu blicken. Der Krieg in der Ukraine hat dem Thema zu unangenehmer Aktualität verholfen.
PRO
Hatten Sie schon einmal Durst? Richtigen Durst? So dass Ihnen eine Flasche Mineralwasser wie die Rettung vom Himmel erschien? Vor Jahrzehnten bei einer Kanu-Tour auf einem Fluss passierte Folgendes: Der Trinkwasservorrat war zu schnell aufgebraucht und – paradox – inmitten von Wasser fehlte das Lebensnotwendige. Eine Fehleinschätzung der Flussströmung und damit der Dauer der Tour führte zu der noch glimpflich ausgegangenen Situation. Das Beispiel aus dem Outdoor-Sport zeigt: Sich auf Notfälle vorzubereiten hat weniger mit Angst zu tun als mit Vorausdenken. Anders ausgedrückt: Wer sich auf eine mögliche Situation, die verheerend sein kann, nicht vorbereitet, beweist keinen Mut. Eher mangelndes Realitätsbewusstsein.
Beispiel Mobilität: Die meisten Airbags in Autos werden nie zum Einsatz kommen. Und von Alarmismus spricht niemand, wenn sich jemand mit Helm aufs Fahrrad schwingt. Dennoch ist Sicherheit hier akzeptiert, Standard, oft Pflicht. Diese Akzeptanz fehlt bei Infrastruktur wie Strom-, Wasser-, Lebensmittelversorgung. Hier wird „Preppen“ belächelt. Dabei täuscht uns unsere Vollversorgung – alles kommt aus dem Supermarkt und der Steckdose – eine Unverwundbarkeit vor, die nicht existiert. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe rät zu genau dem, was man landläufig „Preppen“ nennt: Mögliche Notfälle und Krisen im Blick zu behalten und sich in einem doch erstaunlichen Umfang darauf vorzubereiten. Geboten ist das vor allem in sich wandelnden Zeiten. Solche Vorsorge auszublenden, finde ich unsolidarisch. Mit anderen zu teilen ist selbstverständlich. Denn es geht gerade nicht ums materielle Anhäufen, sondern im Notfall mit wenig auszukommen, letztlich geht es um Verantwortung und Vertrauen in eigene Handlungsfähigkeiten.
Anja Weiffen, Redakteurin
CONTRA
Meine Oma war stolz auf ihre 1000 Weckgläser. Als Kinder haben wir ihr tagelang geholfen, die Pflaumen einzukochen, die der große Baum im Garten überreich hervorgebracht hatte. Und ja, auch ich habe meinen Vorrat im Keller: Nudeln, Mehl, ein paar Dosen Fisch, Kichererbsen, Reis. Wenn keine Zeit zum Einkaufen war, muss keiner Hunger haben.
All das ist vernünftig, oder wie es früher hieß: „Notvorrat – guter Rat“. Preppen aber ist etwas anderes. Es ist eine Geisteshaltung, die auf Angst und Alarm reagiert, und die dem Ich vorgaukelt: „Bist Du nur gut vorbereitet, hast an alles gedacht, dann wirst Du Dich retten.“ Dabei geht es ausschließlich um individuelle und materielle Vorsorge.
In Krisenzeiten, wie wir sie derzeit durchleben, hat eine solche Haltung unerwartet Konjunktur. Als Prepperevangelium könnte das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen gelten. (Matthäus 25, 1-13) Die klugen Jungfrauen werden ausdrücklich gelobt, da sie das Unerwartete nicht unvorbereitet trifft und sie sich rechtzeitig mit Öl versorgt haben. Aber das ist wohl als Gleichnis zu verstehen, auf das Kommen des Herrn aufmerksam zu warten, und hat nicht mit Katastophenerwartung zu tun. Jesus hat immer wieder davor gewarnt, auf materielle Absicherung zu setzen, er hat die Lilien des Feldes gepriesen (Matthäus 6,28) und zugesagt, dass Gott der Herr für seine Kinder sorgt.
Wer seiner Angst erlaubt, seine Gedanken einzunehmen und seine Handlungen zu bestimmen, wer sogar wesentliche Teile seines Vermögens dafür einsetzt, ist nicht auf der sicheren Seite, sondern auf dem Holzweg. Jeder noch so teure Notvorrat garantiert nicht, in der Krise sicher und satt zu sein, sondern er kommt bald an ein Ende. Kraft und Energie sollten in ein solidarisches Miteinander fließen und nicht ins geheimniskrämerische Preppen.
Ruth Lehnen, stellvertretende Redaktionsleiterin
Stichwort: Prepper, preppen
- Der Trend „preppen“ stammt aus den USA und bedeutet, sich auf zukünftige Krisenereignisse vorzubereiten.
- Preppen, seit 2020 im Duden, leitet sich ab vom englischen to prepare = sich vorbereiten.
- Menschen, die „preppen“, werden als Prepper oder Prepperin bezeichnet.
- Preppen geht weit über den schon früher empfohlenen „Notvorrat“ hinaus. Nicht nur die Einlagerung von haltbaren Lebensmitteln und Wasservorräten ist gemeint, manche Prepper bauen eigene Stromversorgungen und Bunker.
- Wie Julian Genner von der Universität Freiburg für die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt, ist Preppen eine Haltung, die alle Lebensbereiche prägt, zum Beispiel eignen sich Prepper Kenntnisse in Erster Hilfe, Wildpflanzenkunde, Knotenkunde, Amateurfunk, Einwecken und Sportschießen an.
- Preppen bedeutet, sich der Abhängigkeit von gesellschaftlichen Strukturen bewusst zu sein und eine Art „Selbstermächtigung“ dagegenzusetzen.
- Manche Prepper sind anfällig für Verschwörungserzählungen, rechtsradikalen Kulturpessimismus und Rechtsterrorismus. Seit 2017 wurden Angehörige der Prepperszene vom Verfassungsschutz beobachtet.
- Zunehmend haben sich Firmen darauf spezialisiert, Produkte fürs Preppen anzubieten. Bei sichersatt.de gibt es vom Grundpaket (auch vegan) alles bis zur Komplett-lösung Exklusiv für 7399 Euro, inklusive ein Kochsystem, Tischlampe, Kerzen, Radio und Erste Hilfe-Set.
- Julian Genner hält fest, dass Preppen auf einen „pessimistischen Zeitgeist“ reagiert und für Männer attraktiv ist, die sich in der Rolle des Beschützers und Ernährers sehen. (nen)
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/bevoelkerungsschutz-2021/327994/preppen/