Sommerserie 2018 – Teil 6
Offen für unerwartete Gäste

„Mit Jesus in der Sommerfrische.“ So heißt unsere Sommerserie. Wir besuchen Kurorte, die an den Rändern der Bistümer Fulda, Limburg und Mainz liegen. Wo gibt es spirituelle Orte? Wo treffe ich Gott? Sechste und somit letzte Station ist Bad König im Odenwald. Von Sarah Seifen und Maria Weissenberger.

Bad König fließt der Kimbach.
Foto: Sarah Seifen
Sommerfrische – genau danach sieht’s aus, als wir in Bad König ankommen. Beim Verlassen des Bahnhofs fällt der Blick nach links auf einen Laden, dessen Erscheinungsbild unmittelbar ein Gefühl von Urlaub, Freizeit, Entspannung auslöst. Die Markise über dem Schaufenster ist heruntergelassen, drunter ein Tisch und zwei Stühle: „Nehmen Sie Platz“, heißt die unausgesprochene Einladung.
Ein Reisebüro? Nein – „Katholische Kirche im Odenwald – Dekanatsbüro“ steht in bunten Buchstaben auf einem großen Schild. Die Flyer auf dem Tischchen machen auf kirchliche Einrichtungen und Angebote aufmerksam; ein Kundenstopper weist unübersehbar darauf hin: Hier kannst du Eintrittskarten für eine Veranstaltung mit Anselm Grün und dem religiösen Liedermacher Clemens Bittlinger kaufen. Ist erst im November in Beerfelden, aber für die Fans des Benediktinerpaters ist es sicher wichtig, sich jetzt schon ihren Platz zu sichern.
Wir gehen mal rein, sind neugierig. Freundlich, ja herzlich fällt die Begrüßung aus. „Sie wollen sicher zu Herrn Schmidt – der ist nicht da“, erfahren wir. Die muntere Stimme gehört zu einem bekannten Gesicht: Brigitte Hörnlein, Vorstandsmitglied des Katholikenrats, wirkt im Dekanat unter anderem als Projektkoordinatorin in der Flüchtlingshilfe und ist an einem Tag pro Woche im Büro. Wir haben genau diesen Tag erwischt.
Eine Tasse Kaffee? Man hört uns nicht nein sagen. Schön, sich so willkommen zu fühlen, ins Gespräch zu kommen, allmählich richtig anzukommen in dem Odenwald-Städtchen. Kurz vor zehn Uhr ist es noch auszuhalten an der frischen Luft, die sich tatsächlich frischer und nach ein paar Grad weniger anfühlt als in der Mainzer Innenstadt. Doch der Wetterbericht sagt einen heißen Tag voraus.
Wir erzählen, was uns herführt, sagen, dass wir Dekanatsreferent Cyriakus Schmidt nicht sprechen müssen – auch wenn wir ihn gern getroffen hätten. Heute suchen wir vor allem Jesus. Wo in Bad König wir ihn finden? Brigitte Hörnlein überlegt nicht lange. Jesus ist da, wo die Menschen sind, wo sie einander begegnen, gut miteinander umgehen ...
Es muss also nicht unbedingt in einer Kirche sein. Aber wir haben im Internet gelesen, dass die Pfarrkirche St. Johannes der Täufer tagsüber geöffnet ist. Das gibt’s selten – da wollen wir hin. Es geht aufwärts – dem Himmel näher. Weithin sichtbar der Turm mit einem ungewöhnlichen Kreuz: das „Chi-Rho“ aus den übereinander geschriebenen griechischen Buchstaben P und X, auch Konstantinisches Kreuz genannt. In der Kirche kein Mensch. Gedämpftes Licht, angenehme Kühle, Stille. Allein mit Jesus? Wer offen dafür ist, kann ihn spüren.
Wohin sollen wir gehen, um Jesus zu finden? „An die Wege und Zäune“
Das Pfarrbüro hat heute nicht geöffnet. Doch die weit geöffneten Fenster des Pfarrhauses machen uns Mut. Wir klingeln. Die neue Pfarrsekretärin Christel Keller, die sich gerade einarbeitet, empfängt die unerwarteten Besucher freundlich. „Herr Pfarrer, wir haben Besuch“, ruft sie sofort. Auch Pfarrer Januarius Mäurer, als Pfarrvikar im Pfarreienverbund Am Odenwälder Einhardsweg in Bad König „stationiert“, fragen wir: Wo müssen wir hingehen, wenn wir Jesus finden wollen? „An die Wege und Zäune“, sagt er. Für diesen heißen Sommertag heißt das: Ins Café und ins Eiscafé, vielleicht zum Marktplatz und in den Kurpark – viele Menschen, weiß Mäurer, gehen bei der Hitze nicht aus dem Haus.

in Bad König bei Brigitte Hörnlein.
Foto: Maria Weißenberger
Wir versuchen es trotzdem und spazieren entlang des Kimbachs, der zurzeit eher ein Rinnsal ist, Richtung Kurpark. An den beiden Seen watscheln Enten und Schwäne. Menschen treffen wir allerdings keine. Pfarrer Mäurer hatte Recht. Am Wasserspielplatz werden wir dann doch fündig. Zwei Familien machen Pause im Schatten. „Entschuldigung, dürfen wir Sie fragen, wo Jesus ist?“ Ungläubige Blicke. Noch bevor unsere Frage ausgesprochen ist, schon der Einwand: „Wir haben gar keine Zeit. Wir wohnen auch nicht hier.“ Ernüchternd. So müssen sich also die Leute fühlen, die in der Fußgängerzone Abos von Zeitungen und Spendenformulare von Hilfsorganisationen an den Mann und die Frau bringen wollen.
Eine Antwort im Thermalbad: „Er kann in der Küche sein oder im Wald.“
Es geht zurück zum Stadtkern – wir brauchen Erfrischung und kühle Räume. Die Odenwaldtherme Bad König mit 32 Grad Wassertemperatur ist dafür nicht der richtige Ort, jedoch soll hier auch die Touristeninfo sein. „Meine Kollegin ist gerade in einer Sitzung, aber vielleicht kann ich Ihnen helfen?“ – „Wo finden wir Jesus in Bad König?“ Stille. Eine einfache Frage ist das nicht, es braucht Zeit zum Überlegen. „Kann man den an einen Ort binden?“, fragt die Frau an der Rezeption der Therme. „Der kann in der Küche sein oder im Wald. In der Kirche auch, aber da sind oft Scheinheilige.“ Ihre Enttäuschung ist zu spüren. Mehr dazu sagen will sie nicht. Ihre junge Kollegin, sie kommt aus Höchst, schlägt den dortigen Vaterunser-Meditationsweg vor. „Den mussten wir bei der Konfirmation gehen. War so heiß wie heute.“ Begeisterung klingt anders, meinen wir. „Doch, war cool mit den Bitten.“ Dann beginnt sie, das Vaterunser zu sprechen.
In Bad König und Umgebung sind die meisten evangelisch. Das verrät auch die alte evangelische Schlosskirche. Ihre Türen sind offen. Die barocke Orgel vorne am Altar ist beeindruckend. Genauso wie die Anlage des Schlosses. Aber auch hier: keine Menschen. Und auch auf der Suche nach christlichen Symbolen werden wir nicht fündig. Doch! Da an einer Hauswand in der Elisabethenstraße ist ein Mann gezeichnet. Er hält eine Sonnenuhr und eine Schriftrolle: „Gott gab die Zeit. Von Eile hat er nichts gesagt.“ Gemütlich schlendern wir zurück zum Bahnhof.
„Bis 18 Uhr bin ich da – Sie dürfen gern noch mal kommen“, hatte Brigitte Hörnlein am Morgen gesagt. Bis der Zug kommt, warten wir gern unter der Markise des Dekanats, erfrischt mit Mineralwasser und Apfelschorle, angeregt im Gespräch über „Gott und die Welt“. Ja, Jesus lebt in Bad König. Wer ihn sucht, der findet ihn dort – obwohl er uns auch zurück nach Mainz begleitet hat.
Am Wegesrand: Ganz nebenbei: Wohnt hier Jesus?
Auf dem Rückweg zum Bahnhof treffen wir ihn: Jesus steht im Schaufenster eines kleines Buchladens. Nein, nicht wirklich, sondern auf den Rücken etlicher Bücher. Dr. Franz Alt hat sie geschrieben. „Er kommt bald nach Bad König zum Sommerfest der Grünen. Da machen wir natürlich ein Schaufenster“, erklärt die Verkäuferin im Laden. „Wissen Sie, das ist ein besonderer Buchladen. Wir haben viel Literatur, die Sie sonst nirgendwo bekommen.“ Auch christliche? „Ja, hinten links im zweiten Raum in der Ecke.“ Dort lächelt uns Papst Franziskus von einigen Büchern an, Luther auch. Und die Geschenkbüchlein „Viel Erfolg“ oder „Weil du gebraucht wirst“ dürfen nicht fehlen in der spirituellen Buchecke. Ganz unten im Regal steht eine Bibel: Darin finden wir Jesus bestimmt. (sas)
Service: Ausflugstipps: So wird der Tag rund
- Entspannung verspricht die Odenwaldtherme Bad König: Ein Thermalbad, eine Saunalandschaft sowie Massageangebote erwarten den Besucher. www.odenwald-therme.de
- Das Heimatmuseum im Seitenflügel des Alten Schlosses in Bad König hat jeden ersten und dritten Sonntag im Monat von 10.30 bis 12 Uhr geöffnet.
- Wer die Altstadt einmal anders kennenlernen will: Vom 10. bis 12. August findet in Bad König das „Traditionelle Altstadtfest im Ewwerdorf“ statt.
- Etwas außerhalb von Bad König gelegen geht es auf die Spuren der Römer. Der Archäologische Park „Römische Villa Haselburg“ liegt südlich der Ortschaft Hummetroth. Bis November kann die Anlage kostenlos besichtigt werden.