20 Jahre „Netzwerk Leben“ im Bistum Magdeburg
Praktische Hilfe statt „Schein-Lösung“
Moderator Stefan Zowislo im Gespräch mit der Magdeburger Oberbürgermeisterin Simone Borris (links) und Staatssekretärin Susi Möbbeck (rechts). Fotos: Oliver Gierens |
Gut 20 Jahre ist es her, dass in der katholischen Kirche in Deutschland teils heftig über die Konfliktberatung für schwangere Frauen gestritten wurde. Stein des Anstoßes war der Beratungsschein, der eine straffreie Abtreibung ermöglicht. Nach einer Intervention aus Rom sollten Beratungsstellen der katholischen Kirche dieses Dokument nicht mehr ausstellen – das stieß teils auf heftigen Widerstand. Bundesweit gründeten katholische Laien damals den Verein „Donum vitae“, der in der staatlichen Schwangerenkonfliktberatung blieb. Im Bistum Magdeburg sind die Verantwortlichen damals einen anderen Weg gegangen – das Ergebnis ist das „Netzwerk Leben“. Vor kurzem feierte die Stiftung ihr 20-jähriges Bestehen im Magdeburger Roncalli-Haus.
Das „spezielle „Rezept“ des Netzwerks: Es handelt sich um eine Stiftung des öffentlichen Rechts, die aber mit kirchlichen Stellen wie dem Caritasverband eng zusammenarbeitet. Die staatlich geforderten Beratungsscheine werden hier aber nicht ausgestellt. Gemäß ihres Mottos „Dem Leben auf die Beine helfen“ will die Stiftung schnelle, unbürokratische und direkte Hilfe für in Not und Bedrängnis geratene Schwangere, Kinder, Männer und Frauen, Ehen und Familien leisten. In der Gesellschaft und gegenüber der Landespolitik will die Stiftung für die Anliegen von Familien und Lebensschutz werben und sensibilisieren. „Offen, kooperativ, ein Engagement für Menschen, die gemeinsam unterwegs sind“ – so beschrieb der Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Reinhard Grütz, in seiner Ansprache auf der 20-Jahr-Feier das Konzept des „Netzwerks Leben“.
Vielfältige Hilfe |
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Die Stiftung „Netzwerk Leben“ hilft unter anderem bei Schwangerschaftskonflikten, in finanziellen Nöten oder bei der Durchsetzung von Rechtsansprüchen. Sie bietet Familien, werdenden Müttern wie Vätern Unterstützung und Hilfe an. Die Beratung erfolgt in Sachsen-Anhalt und im gesamten Bistum Magdeburg unabhängig von Religion, Weltanschauung oder Nationalität. In vielen Städten Sachsen-Anhalts gibt es Regionalgruppen. Mehr Infos: www.netzwerkleben.de |
Wertschätzung aus der Politik
Das kommt offenbar gut an in Politik und Gesellschaft: Magdeburgs neue Oberbürgermeisterin Simone Borris (parteilos) war ebenso Gast auf der 20-Jahr-Feier wie Susi Möbbeck (SPD), Staatssekretärin im Sozialministerium von Sachsen-Anhalt. Borris stellte bei einem Podiumsgespräch in Aussicht, dass die Landeshauptstadt mehr Geld ausgeben müsse, um den aktuellen Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln zu begegnen. Auch Susi Möbbeck nahm die sozialen Folgen der hohen Energiepreise in den Blick. „Wir sehen die Bedarfe, auch für die sozialen Dienste steigen die Energiepreise“, sagte sie im Gespräch mit dem Moderator des Abends, Caritas-Pressesprecher Stefan Zowislo. In Bezug auf die Schwangerenberatung machte sie auf den Konflikt zwischen Lebensschutz und dem Selbstbestimmungsrecht der Frau aufmerksam und riet dazu, Notlagen gemeinsam anzugehen, um Konfliktlagen möglichst zu vermeiden.
Hier setzt die Arbeit des „Netzwerks Leben“ an. Die Stiftung berät nicht nur schwangere Frauen in Konfliktlagen, sondern bietet mehrere praktische Tipps, um (werdende) Familien mit konkreten Hilfen zu unterstützen. So berichtete Vanessa Brackmann von ihrem Einsatz als Familienpatin in Magdeburg. Sich um die Frauen kümmern, mal für die Familien einkaufen gehen oder sonstige kleine Hilfen anbieten – der Einsatz der Ehrenamtlichen für junge Familien ist vielfältig. „Ich freue mich zu sehen, wie die Kinder sich entwickeln“, erzählte die Familienpatin.
Angela Präger hingegen engagiert sich als eine von fünf Ehrenamtlichen im „Lädchen“ in Magdeburg-Buckau. Das Geschäft für Baby- und Kleinkindbekleidung, Schuhe, Spielzeug, Kinderwägen, Schulsachen oder Umstandsmode unterstützt schwangere Frauen und junge Familien mit gebrauchten Artikeln, die von Unterstützern gespendet und zum kleinen Preis an Bedürftige abgegeben werden. Momentan, so Präger, gebe es ein „ganz kleines Sommerloch“, doch Kundschaft sei immer da gewesen. „Jedes Teil findet Abnehmer, und wir brauchen alles“, sagte die Ehrenamtliche, die sich an zwei bis drei Tagen in der Woche in dem kleinen Laden „Vom Kind, fürs Kind“ in der Karl-Schmidt-Straße 4 engagiert.
Dort herrschte in den vergangenen Tagen großer Andrang. Denn das „Netzwerk Leben“ hat, wie auch in den Vorjahren, wieder dazu aufgerufen, Schulranzen für bedürftige Kinder zu spenden. Der Lions Club Magdeburg Editha unterstützte diesen Spendenaufruf mit teils öffentlichkeitswirksamen Aktionen. So posten die Magdeburger Lions beispielsweise auf ihren Facebook- und Instagram-Accounts Fotos von Schulranzen an bekannten Orten in der Landeshauptstadt. Da steht dann ein grauer Tornister auf dem Brunnen am Hundertwasser-Haus oder vor dem Magdeburger Landtagsgebäude. Auch lokale Prominente wie Musiker Danny Priebe lassen sich mit Schulranzen für den guten Zweck fotografieren.
Mit Erfolg: Fast 200 nagelneue Ranzen konnten vor kurzem dem „Netzwerk Leben“ übergeben werden, dazu noch weiteres Schulmaterial wie Turnbeutel, Stifte, Federmappen, Süßigkeiten und vieles mehr. Die Spenden wurden über den Laden kostenlos an Bedürftige abgegeben.
Magdeburgs Altbischof Leo Nowak erinnerte an die Anfänge des Netzwerks. |
Initiative für die Stiftung kam aus Katholikenrat
Gerührt von so viel Zuspruch war auch der Magdeburger Altbischof Leo Nowak, der auf der 20-Jahr-Feier des „Netzwerks Leben“ von den Anfängen der Stiftung nach den heftigen Debatten über die „Schein-Lösung“ erzählte. „Das war eine spannende Sache“, erinnerte er sich an die Debatten, die in der Deutschen Bischofskonferenz damals rund um den Ausstieg aus der staatlichen Schwangerenberatung geführt wurden. Die Initiative für die Stiftung sei damals aus dem Katholikenrat des Bistums gekommen. „Ich war damals wirklich in einer gewissen Krise“, erinnerte sich Nowak. Das „Netzwerk Leben“ sei ein „Aushängeschild“, betonte er in seinem Grußwort. Die Stiftung sei „wie ein Stein, der ins Wasser geworfen wird und Kreise zieht.“ Er ermutigte die Kirche, in die Welt hinauszugehen und im Sinne der christlichen Botschaft zu wirken. „Wir haben eine Botschaft, die haut uns vom Hocker“, so der Altbischof.
Von Oliver Gierens