Erste Drittfach-Weiterbildung „Religionspädagogik“ ist geschafft
„Reli-Unterricht hat Zukunft“
„Klassenfoto“ der neuen Religionslehrer. Seit Januar 2022 läuft ein zweiter Kurs, ein dritter beginnt im April 2023. Für einen vierten Durchgang im Jahr 2024 sind Anmeldungen ab sofort möglich. Foto: Piotr Kwapisz |
„Mit ihnen hat der Religionsunterricht eine verheißungsvolle Zukunft!“, sagte Birgit Hoyer, Bildungsleiterin im Erzbistum Berlin. 14 Lehrkräfte aus den Erzbistümern Hamburg und Berlin haben Ende Januar den neuen, gemeinsamen Drittfach-Weiterbildungsstudiengang „Schulpraktische Religionspädagogik“ in Zusammenarbeit mit der Katholischen Hochschule für Sozialwesen (KHSB) erfolgreich abgeschlossen. Fortan dürfen sie neben ihren bisherigen Fächern auch katholischen Religionsunterricht erteilen. „In den Gesprächen mit den Absolventen“, sagt Hoyer, „habe ich beeindruckende Persönlichkeiten und sehr reflektierte Unterrichtsentwürfe kennengelernt. Ich freue mich sehr, dass wir nun so hoch kompetente Lehrkräfte im Religionsunterricht einsetzen können.“
Zu den Absolventen gehören auch Marie Pietsch aus Berlin und David Dumas aus Frankfurt (Oder). Die Teilnahme an der Weiterbildung beschreiben beide als große Bereicherung. „Alle waren sehr aufgeschlossen. An den Glaubenserfahrungen der anderen teilhaben zu können, hat meinen Horizont erweitert“, sagt Maria Pietsch. Seit sechs Jahren ist sie Lehrerin an einer staatlichen Grundschule in Berlin-Neukölln, unterrichtet dort Fächer wie Deutsch, Kunst, Sachkunde, Musik und Englisch.
Überzeugt trotz Skepsis im Freundeskreis
Die 35-Jährige Berlinerin wuchs katholisch auf. „Durch den Glauben fühle ich mich geerdet. Das Vertrauen, dass da ein barmherziger Gott ist, gibt mir Kraft“, sagt sie. In ihrer Gemeinde Heilige Familie Prenzlauer Berg singt sie im Jungen Frauenchor, engagiert sich im Pfarrgemeinderat. Als sie durch ihre Mutter, selbst Leiterin einer katholischen Kita in Kreuzberg, auf das Weiterbildungsstudium aufmerksam wurde, war sie direkt Feuer und Flamme: „Ich las die Mail und dachte: Das, was ich am Glauben schätze, Kindern näherbringen? Das ist voll meins!“
Viele ihrer Freunde ohne christlichen Hintergrund, erzählt sie, sehen die Kirche eher kritisch. „Sicherlich muss sich einiges an und in ihr ändern, moderner werden.“ Sie kenne aber vor allem die positiven Seiten – und wolle jungen Menschen deshalb zeigen: „Glaube bedeutet viel mehr als nur die gängigen Klischees wie die Bibel auswendig können oder strenge Regeln und Gebote befolgen müssen.“
Auch David Dumas ist katholisch sozialisiert. Als er neun Jahre alt war, zog seine Familie aus Aachen nach Frankfurt. Nachdem er sich in seiner Jugendzeit vom Glauben entfernt hatte, brachten ihn „persönliche Lebenserfahrungen“ als Erwachsener wieder dorthin zurück. Als studierter Sozialpädagoge war er für die Caritas in der Sozialberatung tätig, heute ist der 37-Jährige pädagogischer Mitarbeiter in seiner Pfarrei St. Maria Magdalena Oderland-Spree. „Ich kümmere mich um Firmvorbereitungen, bin Ansprechpartner für Prävention, unterstütze den Pfarrer bei alltäglichen Aufgaben“, sagt er.
Maria Pietsch, die bis zu ihrer Hochzeit vor kurzem noch Maria Kwapisz hieß. Fotos: Privat |
David Dumas, der wie Romanautor Alexandre Dumas ausgesprochen wird. |
Ebenso wie seine Berliner Kommilitonin stieß er mit seinen Plänen auf Skepsis im Umfeld. „Warum machst du das?“, wurde er gefragt, „das alles stirbt doch aus!“ Doch Dumas, der schon vor seiner Pfarreitätigkeit viel mit Jugendlichen gearbeitet hatte, war überzeugt: „Junge Menschen an Gott heranzuführen, künftig auch in der Schule, das fühlt sich einfach richtig an.“
Als zu dem Zeitpunkt einziger Nicht-Lehrer ist David Dumas Quereinsteiger. Ein reguläres Lehramtsstudium, defacto ein Neustart, kam für ihn nicht in Frage. „Ich bin verheiratet, Vater von drei kleinen Kindern“, erklärt er. „Das wäre nicht gangbar gewesen. Gemeinsam mit dem Erzbistum konnte eine Lösung gefunden werden: Bachelorstudium in Religionspädagogik an der KHSB, Weiterbildungskurs und ein Praktikum am katholischen Schulzentrum Bernardinum in Fürstenwalde/Spree. Daneben arbeitete er weiter in seiner Pfarrei. „Ich bin dankbar, dass wir diesen Weg gefunden haben. Ich weiß, dass es meine Mitstreiter in puncto Zeitaufwand deutlich schwerer hatten“, so Dumas.
Was er meint: Die schon aktiven Lehrer mussten ohne Abminderungsstunden auskommen und zusätzlich zum regulären Berufsalltag viel Freizeit investieren. Für Maria Pietsch war das zunächst ein Rückschlag. „Nur weil mein Mann und ich mit der Familienplanung noch nicht so weit waren, habe ich mich für die Teilnahme entschieden“, sagt sie. „Es war sehr anstrengend, aber im Nachhinein bin ich froh, dass ich es gemacht habe.“ Dass sie bis zum Schluss durchhielt, dazu hätten auch die Dozenten beigetragen. „Sie strahlten neben Kompetenz auch viel Freude und Motivation aus. Das hat sich auf uns übertragen. Auch Probleme konnten wir offen ansprechen.“
Gelegenheit, den Akku aufzuladen, gaben auch die beiden „Klassentreffen“ im Benediktinerkloster St. Ansgar Nütschau (Schleswig-Holstein). „Dort konnten wir uns als Gruppe näher kennenlernen. Wegen Corona waren die Lektionen ja online“, sagt David Dumas. Auch Maria Pietsch erinnert sich gern zurück: „Wir saßen abends lange zusammen, pflegten ein tolles Miteinander, das gegenseitige Interesse war groß.“
Seit der Kurs geschafft ist, ist David Dumas Referendar, bereitet sich in den nächsten anderthalb Jahren auf den eigentlichen Lehrdienst vor. Daneben ist er in der Jugendarbeit seiner Pfarrei tätig – eine Konstellation, die er gern beibehalten möchte.
Am Bernardinum unterrichtet er nun eine fünfte Klasse. „Das war auch insoweit neu für mich, als ich beruflich vorwiegend mit Jugendlichen zu tun hatte. Und meine eigenen Kinder sind noch sehr jung“, sagt er. „Elfjährige sind anders drauf, daran muss ich mich noch gewöhnen. Aber genau solche Aufgaben sind ja das Reizvolle am Lehrerberuf.“
Religionslehrer in der Diaspora sein
Es ist nicht die einzige Herausforderung. „Neun von zehn Kindern“, schätzt er, „haben keinen Bezug zur Kirche“. Bedeutet das lustlose Gesichter, allgemeines Aufstöhnen, wenn Reli ansteht? Mitnichten. „Die Kinder überraschen mich immer wieder, mit ihren Gedanken, ihren Sehnsüchten und ihren Fragen, die auch mit Gott zu tun haben.“ Nicht wenige von ihnen, stellt er fest, könnten erstmals über Themen jenseits des unmittelbar Greifbaren sprechen. Auch muslimische Kinder gehören zu seiner Klasse. „Insofern fand ich es sehr hilfreich, von Professorin Christine Funk auch Einblicke in den Koran zu erhalten.“
Im Gegensatz zu Mitabsolvent David gibt Maria Pietsch an ihrer staatlichen Schule in Berlin-Neukölln noch keine Reli-Stunden. Obwohl sie sich an ihrer Wirkungsstätte wohlfühlt, kann sie sich gut vorstellen, an eine Schule in kirchlicher Trägerschaft zu wechseln. „Christin zu sein gehört zu meiner Identität. Manchmal würde ich das gern mehr zeigen und ausleben können, auch im Beruf.“ An ihrer Schule sei das wegen des Neutralitätsgebots nur eingeschränkt möglich.
Vielleicht steht ein Impuls zur Veränderung schon bald bevor. „Mein Mann und ich möchten gern Kinder haben“, sagt sie. Und vermutet: „Wenn es so weit ist, wird die Zeit im Alltag deutlich knapper.“ Im Moment benötige sie täglich bis zu anderthalb Stunden zur Arbeit und wieder zurück nach Hause. „In der Summe ist das viel Zeit, die ich später lieber mit der Familie verbringen möchte.“ Im Bestfalle finde sich eine Schule mit christlichem Profil, die näher an der Wohnung gelegen ist. „Das heißt: Augen und Ohren offen halten.“
Infos zum Weiterbildungstudium Religionspädagogik: khsb-berlin.de/schule
Ansprechpartnerin ist Christine Funk, Professorin für Systematische Theologie und ihre Didaktik: christine.funk@khsb-berlin.de; 0 30 / 5 01 01 09 69
Von Stefan Schilde