Dresdens Altbischof Joachim Reinelt erinnert sich an Mutter Teresa

Schmunzeln über Engstirnigkeit

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Am 5. September vor 25 Jahren starb Mutter Teresa. Der Dresdner Altbischof Joachim Reinelt erinnert sich aus diesem Anlass an eine persönliche Begegnung mit der Ordensgründerin im März 1988 in Karl-Marx-Stadt.


Mutter Teresa im Gespräch mit Propst Günter Negwer und Bischof Joachim Reinelt.    Foto: Pfarrei Chemnitz

 

Erst wenige Wochen zuvor war Joachim Reinelt in Dresden in sein Bischofsamt eingeführt worden, als er zu einem heiklen Gespräch nach Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) geladen wurde: 1983 hatten Mutter Teresas Missionarinnen der Nächstenliebe die Genehmigung erhalten, in Karl-Marx-Stadt eine Niederlassung mit drei Schwestern zu gründen. Nun lebten neun Frauen in dem Haus. Es hatten sich einige junge Frauen angeschlossen, die sich auf das Ordensleben vorbereiten wollten.
„Die Stasi von Karl-Marx-Stadt sah offensichtlich den Sozialismus gefährdet“, erinnert sich Bischof Reinelt. Der Staatssekretär aus Berlin sprach von Vertragsbruch, kam eigens nach Karl-Marx-Stadt und lud Reinelt vor, zu diesem „Vergehen“ Stellung zu beziehen. Zuvor musste er sich mit Mutter Teresa abstimmen. „Sie hat nur schmunzeln können über die Engstirnigkeit bei uns“, erzählt der Altbischof. Er widersprach dem Herrn aus Berlin heftig. Das für die damalige Zeit typische Problem löste sich auf unerwartete Weise von alleine, denn kurz darauf gab es die DDR nicht mehr.
 
Ambivalentes Interesse des DDR-Regimes
Recherchen der Deutschen Welle zufolge hatte sich das Ostberliner Regime ausgiebig für Mutter Teresa interessiert, die nach 1980 mehrfach in der DDR zu Besuch war. „Das Regime war kirchenfern und oft -feindlich, aber es schaute doch mit Neugier auf den prominenten Gast und schielte auf medialen Eigennutz“, heißt es in einem Bericht zur Heiligsprechung vor sechs Jahren.
Deutlich wird das Eigeninteresse an dem hochrangigen Besuch besonders in den Schilderungen einer Episode aus dem Jahr 1984, als Mutter Teresa ihre neue Niederlassung in Karl-Marx-Stadt besuchte. Die Verantwortungsträger vor Ort erfuhren von der Visite erst, als sie bereits begonnen hatte, und Oberbürgermeister Kurt Müller suchte Rat in Berlin. Es sei „von allerhöchstem Interesse“, dass es zu einer Begegnung zwischen ihm und Mutter Teresa käme, die sich auch in einem Foto der staatlichen Nachrichtenagentur ADN und in einem Beitrag der Nachrichtensendung Aktuelle Kamera niederschlagen sollte, bekam er zur Antwort. Schließlich beobachte die Westpresse, wie Mutter Teresa in der DDR behandelt werde.
 
Geistlicher Hintergrund leuchtete im Gepräch auf
Für einen Besuch sei diesmal wirklich keine Zeit, ließ Mutter Teresa ausrichten. Kurt Müller suchte daraufhin kurzerhand den ärmlichen Konvent der Schwestern auf, mit Blumenstrauß und Bildband der Stadt in der Hand und einem Kamerateam im Schlepptau. Vielen Chemnitzern sind die Begegnungen mit Mutter Teresa, die seit 2018 Patronin der katholischen Ortspfarrei ist, noch immer lebendig vor Augen. Den Dresdner Altbischof hat bei seiner persönlichen Begegnung mit der Ordensgründerin am nachhaltigsten beeindruckt, wie sie ganz konkrete Fragen so beantwortet hat, „dass der geistliche Hintergrund spürbar aufleuchtete“. In starker Erinnerung ist ihm auch noch, wie nach ihrem Tod vor 25 Jahren die ganze Welt Anteil nahm.
 
(dw)