Pastoralkonferenz des Bistums Görlitz

„Schützende Mauern erhalten!“

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Vor einem Traditionsbruch der Kirche beim Thema Homosexualität hat die Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz bei der Pastoralkonferenz des Bistums gewarnt. Mit ihren Thesen stieß sie auf geteiltes Echo.

Die Teilnehmer der Görlitzer Pastoralkonferenz hören den Ausführungen von Professorin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz zu. Ihre Ansichten stießen auch auf Widerstand.    Fotos: Dorothee Wanzek

 

„Bevor ich eine Mauer einreiße, frage ich, wovor sie geschützt hat“, sagte die Leiterin des Instituts für Philosophie und Religion in Heiligenkreuz bei Wien, Professor Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz. Mit insgesamt vier Vorträgen zum Themenfeld Leib, Leben und Liebe gestaltete die 76-Jährige am 26. Oktober im Sankt Wenzeslausstift Jauernick einen Konferenztag für Priester, pastorale Mitarbeiter und Religionslehrer des Bistums. Ihrer Ansicht nach sollte die Kirche homosexuellen Menschen gegenüber weiterhin deutlich machen, dass sie ihre sexuelle Neigung nicht körperlich ausleben dürften.
Sie begründete dies mit der biblischen Offenbarung. Dem Buch Genesis zufolge sei der Mensch nicht nur als Einzelner Abbild Gottes, sondern auch „als Mann und Frau“, also in seiner Beziehung zum anderen Geschlecht. Erfüllung könnten Menschen nur finden, wenn sie der Ordnung folgten, die ihr Leib ihnen vorgebe, legte sie dar.
Nichtheterosexuelle Lebensweisen basierten stets auf einer freien Entscheidung. Sie seien nicht genetisch vorgegeben und entsprächen folglich nicht der Natur des Menschen. Es gebe entgegen öffentlicher Behauptungen, die auch von Vertretern des Synodalen Weges wiederholt würden, kein „drittes Geschlecht“. Allenfalls gebe es genetische Abweichungen, in denen die eindeutige Zuordnung zum männlichen oder weiblichen schwächer ausgeprägt sei.

ZUR PERSON
Von Sachsen nach Österreich
Die Religionsphilosophin Professor Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz wurde am 23. November 1945 im oberpfälzischen Oberwappenöst geboren. Von 1993 bis zu ihrer Emeritierung 2011 hatte sie den Romano-Guardini-Lehrstuhl für Religionsphilosophie und vergleichende Religionswissenschaft an der Technischen Universität Dresden inne.
Seit 2011 leitet sie das Europäische Institut für Philosophie und Religion an der Philosophisch-Theologischen Hochschule  Benedikt XVI in Heiligenkreuz bei Wien. Bis zu dessen Tod 2019 war sie mit dem Rechtsmediziner Hans-Bernhard Wuermeling verheiratet.
Als nachträglich nominierte Synodale nimmt sie am Synodalen Weg teil und arbeitet dort im Forum „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“ mit. (tdh)

Menschen, die sich als homosexuell oder nicht binär bezeichneten, begründeten ihre Lebensweise häufig mit dem Satz „Gott hat mich so geschaffen“. Dies sei eine „flaue Leerformel“, befand die Professorin. „Damit könnten ebensogut auch Mörder oder Pädophile ihr Handeln rechtfertigen.“ Auch heterosexuelle Christen könnten ihren Neigungen nicht einfach nachgehen, müssten sie gestalten und sich „vom Sein auf das Sollen“ hin ausrichten. Wer homosexuelle Paare segne, müsse sich die Frage gefallen lassen, warum er nicht auch Polyamorie (Liebe mit mehreren Partnern) segne. „Wer erlaubt der Kirche, etwas zu segnen, das der Natur und der Offenbarung widerspricht?“, fragte sie. Von den Konferenzteilnehmern bekam sie viel Beifall für ihre Vorträge. Es gab aber auch kritische Stimmen.  

Kritiker verweist auf neue Erkenntnisse
Der Spremberger Pfarrer Daniel Laske stellte unter anderem ihr Natur- und ihr Offenbarungsverständnis in Frage. Sie gehe von einem engen, auf die Genetik reduzierten Naturbegriff aus. Zudem sei ihre lange Zeit auch  von der Kirche vertretene These, dass eine sexuelle Prägung vom Menschen frei wählbar sei, wissenschaftlich überholt. Klar sei inzwischen, dass auch so genannte epigenetische Einflüsse eine Rolle spielen, die bereits mit der Embryonalentwicklung einsetzen. Dass kirchliche Positionen sich verändern können, habe durchaus auch Tradition. Laske erinnerte an die lange verfochtene These, die Erde sei das Zentrum des Universums. „Wir haben uns belehren lassen, und die Erde ist nicht zusammengebrochen“, stellte er fest.
Die Religionsphilosophin habe ein „schönes, in sich schlüssiges System“ dargestellt, befand Laske. „In den Menschen, die uns als Seelsorger begegnen, ist die Welt nicht ganz so schlüssig. Dazu müssen wir uns aber verhalten“, hielt er dagegen. Die Lübbener Gemmeindereferentin Susanne Nomine tat sich schwer mit der Aussage, homosexuelle Paare könne man nicht segnen. „Es geht doch um Menschen. Wenn ich mir vor Augen halte, dass seit Jahrhunderten auch Gegenstände gesegnet werden, kann ich die Argumentation nicht nachvollziehen“, sagte sie.
Der Lübbenauer Pfarrer Marko Dutzschke warf der Professorin vor, sie vergleiche das Idealbild der Ehe mit der gebrochenen Realität homosexueller Beziehungen. „Die Gebrochenheit gilt für alle. Wir alle leben nach dem Sündenfall. An Idealbilder reichen wir nie heran, das gilt für Eheleute, Zölibatäre, Homosexuelle...“, sagte er. In einer moraltheologischen Prüfung habe er seinem damaligen Professor vor Jahren einen Satz gesagt, zu dem er heute noch stehe: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott Menschen etwas auf den Weg gibt, nur um sie zu testen.“

„Wenig hilfreich für den Alltag“
Wenig hilfreich für ihren Alltag als Religionslehrerin fand Veronika Noack aus Hoyerswerda die Ausführungen von Gerl-Falkovitz: „Ich bin in der Schule mit diesem Thema konfrontiert, ich habe da Stellung zu beziehen, muss Jugendliche auffangen. Da kann ich nicht von oben herab kommen.“ Ihre Schüler seien dankbar, im Religionsunterricht über Homosexualität und geschlechtliche Identität reden zu können. Viele rege das enge Bild auf, das die Kirche da zeichne. Eine ihrer Schülerinnen möchte als Junge angesprochen werden. An der Firmung nimmt sie nicht teil, weil sie sich in ihrer Gemeinde ausgeschlossen fühlt. „Mich selbst bereichern diese Gespräche“, sagt Veronika Noack. „Sie regen mich an, immer weiter über diese wichtigen Fragen nachzudenken. Ich habe den Eindruck, dass das Bild der Kirche sich weiten könnte, dass da noch nicht alles ausgeschöpft ist.“  
Bischof Wolfgang Ipolt, der die Dozentin nach Jauernick eingeladen hatte, zeigte sich dankbar für ihre Impulse: „Wir sind – auch in unserem Bistum – stumm geworden in diesem Bereich. Ich sehe diesen Tag als neuen Aufbruch zum Nachdenken über den tieferen Sinn der Geschlechtlichkeit.“

Von Dorothee Wanzek