Online-Veranstaltung des Erzbistums Berlin darüber, was Gläubige in ihrer Kirche bewegt

Synodalität muss man lernen

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Protest beim Katholikentag in Stuttgart
Nachweis

Foto: imago images/Arnulf Hettrich

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Zeichnung bei einem Protest am 102. Deutschen Katholikentag in Stuttgart. (Symbolbild)

Bei einer Online-Veranstaltung des Erzbistums sprachen Gläubige darüber, was sie derzeit in ihrer Kirche bewegt. Deutlich wurde, dass die Meinungen auseinandergehen – und wirkliches Zuhören gar nicht so einfach ist.

Zwei Minuten Redezeit – das klingt nicht gerade viel, aber die Schlange derer, die etwas zu sagen hatten, sich einmal so richtig die Seele freireden wollten, war lang. Das Erzbistum Berlin hatte zum Online-Gesprächsformat geladen. Auf dem virtuellen Podium saßen Erzbischof Heiner Koch und der Berliner Synodale Wolfgang Klose. Die Teilnehmer, Katholiken aus dem gesamten Erzbistum, sollten  nach dem (offiziellen) Ende des Synodalen Weges sagen können, was sie derzeit um ihre Kirche bewegt.

Synodaler Weg: „typisch deutsch“

Los ging es mit einer Videobotschaft von Gabriele Pollert, die Mitglied im Diözesanrat und Diözesanvermögensverwaltungsrat ist. „Auch ich hatte meine Hoffnungen zu Themen wie den Umgang mit Geschiedenen, Frauendiakonat oder Homosexualität.“ Doch je mehr Zeit verging, desto mehr seien ihr die Zweifel gekommen. „Der Synodale Weg war ausnehmend deutsch: mustergültig inszeniert und parlamentarisch durchgesetzt.“ Als „einfache Katholikin“ habe sie sich irgendwann nicht mehr wiedergefunden. „Ist es Aufgabe der Kirche, sich allen gesellschaftlichen Strömungen anzuschließen? Ich möchte, dass wir einen katholischen Weg gehen und nicht der evangelischen Kirche nacheifern“, sagte Pollert.
Damit war der Anfang gemacht. Die Teilnehmer, darunter auch viele Berliner Synodale, berichteten, wie sie die beinahe fünf Jahre Synodalen Weg erlebten.  Hoffnungen, Enttäuschungen, Freude, Trauer, Wut – alles war dabei. Doch auch Gläubige aus dem Erzbistum ohne Entsendungsmandat meldeten sich zu Wort, aus allen Teilen des Erzbistums. „Wir haben uns bewusst dafür entschieden, diese Runde online abzuhalten, damit möglichst viele daran teilnehmen können“, sagte Stefan Förner, Pressesprecher des Erzbistums. Mit Erfolg.
Das Onlineformat trieb aber auch merkwürdige Blüten. So nutzten einige Anwesendee die Möglichkeit, die Wortmeldungen der anderen stürmisch zu kommentieren. Bei Zustimmung regnete es Daumen nach oben oder klatschende Hände; was missfiel, erntete traurige oder gar wütende „Smileys“. Im gleichzeitig mitlaufenden Chatbereich wurde den Wünschen nach Reformen teilweise heftig widersprochen. So recht mochte diese permanente Kommentierung nicht zu dem passen, was Papst Franziskus unter Synodalität versteht und auch Erzbischof Heiner Koch unterstrich: „erst einmal zuhören und dem anderen unterstellen, ebenso das Gute und Richtige zu wollen wie man selbst“.
Unüberhörbar war die Sorge vieler Teilnehmer, dass sich die deutsche Ortskirche mit allzu hohem Reformtempo von der Weltkirche isolieren könnte. Auch wie  Neuevangelisierung gelingen könnte, sei beim Synodalen Weg zu wenig besprochen worden. „Neue Strukturen evangelisieren nicht, erneuern nicht den Glauben“, sagte Suzana Smolkovic, die als Synodale auch die muttersprachlichen Gemeinden in Berlin vertrat, die ein Viertel der Katholiken im Erzbistum ausmachen. Sie beklagte „regelrechte politische Kampfabstimmungen“ bei den Mehrheitsbeschlüssen.
Erzbischof Koch versuchte, zwischen den uneinigen Lagern zu schlichten, Ängste zu nehmen. „Wir müssen theologische und spirituelle Fragen synodal klären. Aber wir gehen diese Schritte nicht allein, wir verlassen nicht die Gemeinschaft der Kirche. Ich werde alles vermeiden, was eine Trennung der Einheit der Kirche ermöglichen könnte.“

Eindrucksvolle Glaubenszeugnisse

Zu hören waren aber auch beeindruckende Glaubenszeugnisse. Regina Harzdorf, die viele Jahre als Gemeindereferentin arbeitete, sagte: „Wir als Kirche sind nicht gut im Umgang mit Menschen, deren Leben Brüche hat oder die trauern. Die moralische Latte liegt hoch, offene Türen werden zugeschlagen. Ich wünsche mir eine Kirche, in der sich alle zu Hause fühlen dürfen – so, wie sie sind.“ 
Einer, auf den diese Beschreibung zutreffen könnte, war Daniel Salopek, der in der Gemeinde St. Joseph Siemensstadt beheimatet ist. „Ich bin in Berlin aufgewachsen, habe in meinem Leben viel falsch gemacht, hatte Probleme mit Drogen und Alkohol. Vor vier Jahren bin ich in die Kirche gekommen. Für mein Leben war das die richtige Entscheidung.“ In der neokatechumenalen Gemeinschaft habe er sich selbst kennengelernt und eine Beziehung zu Gott aufgebaut. „Junge Menschen brauchen Führung und die Kirche muss ihnen was bieten, mit gelebter Gemeinschaft, guten Katechesen, Priestern, die für ihre Berufung brennen“, sagte Daniel Salopek. „So kann sie gerade den Menschen in Krisenstädten wie Berlin Hoffnung geben.“
Fertige Lösungen zu erarbeiten, war erklärtermaßen nicht Ziel des Abends. Dennoch wollten viele Anwesenden wissen, wie es um die Umsetzung der Beschlüsse des Synodalen Weges auf diözesaner Ebene bestellt ist. Etwa die Einführung eines Synodalrats, in dem bedeutsame Themen von bistumsweiter Relevanz beraten und entschieden werden sollen. Der Vatikan hatte die Schaffung von Synodalräten untersagt. So sprachen Erzbischof Koch und Wolfgang Klose von einem „neuen Pastoralrat“.
Auch die Segnungen von Paaren, die sich lieben, wurde mehrfach angesprochen. „Das Thema wurde im Priesterrat und im Pastoralrat leidenschaftlich, aber achtsam diskutiert“, sagte Heiner Koch. Demnächst, so kündigte er an, möchte er sich in einem Brief an die Katholiken im Erzbistum genauer äußern.

Von Stefan Schilde

 

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