Syrische Gemeinde im Aufbau

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Mit der Flüchtlingswelle sind auch katholische Christen aus dem Nahen Osten nach Deutschland gekommen. Msgr. Issa Sadei Matti Toma sammelt sie auch in Hamburg um sich und hilft, sie in die Gesellschaft zu integrieren

Syrisch-katholischer Gottesdienst in der Volksdorfer Heilig-Kreuz-Kirche
Auf eine Leinwand neben dem Altar werden im syrisch-katholischen Gottesdienst, der an jedem dritten Sonntag im Monat in der Volksdorfer Kirche Heilig Kreuz gefeiert wird, die Liedtexte in arabischer Schrift projeziert. Der Gesang ist aber aufgezeichnet worden und wird eingespielt. Foto: Matthias Schatz

Die Kirche Heilig Kreuz in Volksdorf wirkt voll, zumindest für Corona-Zeiten. Rund 80 Gläubige sind an diesem vierten Advent gekommen, und zwar aus Hamburg und Umgebung. Sie stammen aus dem Irak, Syrien, dem Libanon und der Türkei, wo viele Gläubige der syrisch-katholischen Kirche leben – oder familiäre Wurzeln haben. 

Die meisten Besucher des Gottesdienstes sprechen Arabisch, einige auch Aramäisch. Ihr Pries­ter, der syrisch-katholische Msgr. Issa Sadei Matti Toma, ist einer der wenigen Geistlichen, der beide Sprachen beherrscht. Überdies ist der 55-Jährige studierter Psychotherapeut und verfügt über langjährige Erfahrungen auf diesem Gebiet. Das prädestinert ihn dafür, sich mit den Traumata der Flüchtlinge aus dem Nahen Osten zu befassen – und das sind die meisten Mitglieder seiner Gemeinden. Als Christen bilden sie allerdings nur einen marginalen Anteil unter den Flüchtlingen in Deutschland. Gleichwohl kann Msgr. Issa so auch die Flüchtlingsarbeit der Caritas unterstützen. Er lernte sie im vergangenen Jahr in Hamburg-Steilshoop kennen, wo er auch eine Wohnung gestellt bekam.

„Doch mein Fokus liegt auf dem Aufbau syrisch-katholischer Gemeinden“, sagt Msgr. Issa. Dazu entsandte ihn Patriarch Ignatius Joseph III. Younan 2015 auch nach Deutschland. In Hamburg, wo er seit Juni jeden dritten Sonntag im Monat einen Gottesdienst feiert, besteht die syrisch-katholische Gemeinde derzeit aus etwa 200 Familien. Relativ groß ist auch die Gemeinde in Berlin, wo Issa hauptsächlich wohnt und von wo aus er samt Ministranten zu den Messen anreist. Kleiner sind die Gemeinden in Magdeburg, Leipzig und Dresden, seinen anderen Wirkungsstätten. 

Sowohl Geistlicher als auch Psychotherapeut

Msgr. Issa spricht neben Aramäisch und Arabisch auch fließend Französisch und Spanisch, arbeitete zuvor als Pfarrer in Frankreich, Venezuela und im US-Bundesstaat Arizona. So feiert er einmal im Monat auch einen französischen Gottesdienst im Kleinen Michel. Er sei dabei, seine Deutschkenntnisse zu verbessern, sagt er. Auch, um sich intensiver mit den Kindern und Jugendlichen der Gemeinde, die Deutsch als Muttersprache angenommen hätten, austauschen und ihren Bedürfnissen nachkommen zu können. 

Unterstützt wird Msgr. Issa beim Aufbau der Gemeinden von Gabriel Azar, einem schon lange in Hamburg lebenden Ingenieur. Azar ist syrisch-orthodoxer Christ. Kein Einzelfall. Auch Maroniten und chaldäische Christen sind unter den Besuchern des Gottesdienstes. „Im Nahen Osten arbeiten die christlichen Kirchen auch auf höchster Ebene sehr eng zusammen. Und auch die Gemeinden tauschen sich sehr viel aus“, sagt Msgr. Issa, als wir vor dem Gottesdienst in einem Raum des Gemeindezentrums von Heilig Kreuz sprechen. Zusammengeschweißt habe sie die Situation der Diaspora – und dass sie in den muslimisch geprägten Ländern insbesondere seit Beginn des 20. Jahrhunderts vielen Repressalien ausgesetzt seien, ergänzt Azar.

Msgr. Issa kennt das aus eigener Erfahrung. Als Geburtsort nennt er „Ninewa“, wo er bis zu seiner Priesterweihe 1995 lebte. Das ist der syrisch-aramäische Name von Mossul. Die Stadt wurde 2014 vom Islamischen Staat erobert, der bald darauf deren 1800 Jahre alte christliche Tradition kappte: Die Christen wurden vertrieben oder ermordet, wenn sie nicht zum Islam konvertierten, mindestens zwei ihrer Kirchen wurden zerstört. 

Ähnliches geschah bald darauf auch in Baghdida, einer rund 30 Kilometer südwestlich von Mossul entfernten Stadt, die bis dato fast ausschließlich von Christen bewohnt war und wo Issa bis 1998 als Pfarrer wirkte. Nach der Rückeroberung Baghdidas sind viele Christen in den Ort zurückgekehrt.

Als Geistlicher sieht sich Msgr. Issa als „Integrator“. Er möchte auch dabei helfen, die Christen aus dem Nahen Osten in die deutsche Gesellschaft einzugliedern: „Irgendwann soll die Gemeinde auf eigenen Beinen stehen und Gottesdienste auf Deutsch feiern.“ Aber zunächst ist das Ziel bescheidener: Es sollen bald alle vierzehn Tage Messen in Hamburg abgehalten werden. Außerdem plant er die Ausbildung von Ministranten und Bibelstunden. So verlagere sich der Schwerpunkt seiner Arbeit nach Hamburg, wo er künftig mehr Zeit verbringen möchte. 

Bedanken möchte sich Msgr. Issa am Schluss noch für die „großartige Unterstützung, freundliche Aufnahme, gute Zusammenarbeit und Hilfe“ bei Michael Becker, Leiter des Fachbereichs Weltkirche im Erzbistum Hamburg, der Gemeinde Heilig Kreuz in Volksdorf, der Caritas, der katholischen Gemeinde St. Johannis in Steilshoop und der französischen Gemeinde in Hamburg.

Text u. Foto: Matthias Schatz